Geschichten:Blutige Spuren - Unter Anklage

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Burg Greifenklaue zu Uslenried, einige Tage später

Mit donnernden Hufen preschten die Soldaten über die Zugbrücke in den Hof der Burg Greifenklaue hinein, und Hauptmann Kolran von Treuenbrück stieß erleichtert die Luft aus. Wie schon am Stadttor hatte es auch bei der Burgwache keine Schwierigkeiten gegeben – seine Truppe war schließlich in den Farben des Königreiches gewandet, und das Dokument, welches ihn als Offizier auf Sondermission auswies, tat sein übriges – so dass er nun zum letzten Akt seiner Aufgabe übergehen konnte. Mit einer Handbewegung bedeutete er den Soldaten abzusitzen, derweil sich im Palas die Türe öffnete und Herdan Trappenbrück, der alte Majordomus, gemessenen Schrittes die Freitreppe herabkam. Kolran eilte ihm entgegen, wedelte dabei mit dem Dokument in der behandschuhten Rechten umher.

Am Fuß der Treppe blieb Herdan stehen, den Stecken in der Hand, und mustere den Hauptmann mit stechendem Blick von oben bis unten. »Ihr wünscht?« fragte er schließlich.

»Ich komme mit eiligen Befehlen aus Gareth, die es zu besprechen gilt. Seien Hochgeboren nebst Gemahlin ist anwesend?«

Der Majordomus nickte, derweil er fragend die linke Augenbraue hochzog. Seit wann betrafen Befehle aus Gareth auch die Baronsgemahlin?

»So führt mich zu ihm«, forderte Kolran. »Und schafft mir den Hauptmann seiner Hochgeboren herbei; das ist doch noch der von Aschenfeld, nicht wahr?«

»Seine Hochgeboren sitzet mitsamt seiner Familie noch beim Mittagsmahle. Ihr werdet Euch wohl einen Augenblick gedulden müssen. Und überhaupt«, fuhr er süffisant lächend fort, »wenn darf ich seiner Hochgeboren melden?«

Kolran schluckte. Verdammt, nun hatte er sich in aller Eile noch vorzustellen vergessen. Schnell wischte er seinen Ärger über diesen Etikettefehler beiseite. »Kolran von Treuenbrück, Hauptmann ihrer Majestät, unterwegs in besonderer Mission. Zudem duldet die Angelegenheit keinen Aufschub. Wenn ihr bitte vorgehen und uns den Weg weisen wollt?« Der befehlsgewohnte Ton in seiner Stimme war unmißverständlich.

Unwirsch drehte Herdan sich um und stieg die Freitreppe hinauf. Oben an der Tür stand Storko, einer der Knechte, und beobachtete die ganze Szene. Schnell nahm der Majordomus den Knecht beiseite. »Geh in die Schreibstube und bestelle Meister Datierlich in die Hohe Halle!« flüsterte er Storko ins Ohr. Jener nickte einmal, schlüpfte vor Herdan durch die Tür zurück in den Palas, derweil Kolran und seine Soldaten noch die Treppe hinaufmarschierten.

Erhobenen Hauptes führte Herdan die Soldaten in den Palas hinein, klopfte an die Tür der Hohen Halle und öffnete sie nach einem kurzen Augenblick des Wartens. Dann stellte er sich auf die Schwelle und verkündete mit lauter Stimme: »Hauptmann Kolran von Treuenbrück!« Er trat einen Schritt zur Seite und ließ den Hauptmann und seine Soldaten eintreten.

Das Mittagsmahl war bereits beendet, nur etwas Brot und Käse standen neben einer Schale Obst noch auf dem Tisch. Erbost ob der unwillkommenen Störung setzte Baron Wulf von Streitzig j.H. zur Greifenklaue den Weinkrug, den er soeben erhoben hatte, wieder auf den Tisch, ohne daraus zu trinken. Auch seine Gemahlin Sinya Phexiane und deren Bruder, der Uslenrieder Hauptmann Cern von Aschenfeld wandten die Köpfe zur Tür.

Kolran marschierte auf die Tafel zu, an der die drei Uslenrieder noch immer saßen, und hob die Hand. »Die Zwölfe zum Gruße.«

Wulf, Sinya und Cern erwiderten den Gruß, derweil sich die Soldaten im Halbkreis hinter dem Hauptmann postierten. »Was führt Euch zu mir?« fragte Wulf etwas ungehalten. »Immerhin solltet Ihr einen guten Grund haben, wenn Ihr während des Mittagsmahles hier hereinplatzt!«

»Ich komme mit eiligem Befehl aus Gareth«, entgegnete Kolran. »Allerdings betrifft dieser weniger Euch als vielmehr Eure Gemahlin und Euren Hauptmann.«

Die Verwirrung in den Gesichtern der Uslenrieder sprach Bände. »Mich?« fragten die Geschwister zeitgleich.

»Ja, Eure Wohlgeboren«, bestätigte der Hauptmann. »Ich habe Anweisung, Euch festzusetzen und zum Verhör nach Rommylis zu schaffen.«

Empört sprang Wulf auf, und auch die Aschenfelder Geschwister hielt es nicht auf ihren Plätzen.

»Was soll der Unsinn?« herrschte der Baron Kolran an.

»Verzeiht, Hochgeboren, doch es ist bitterer Ernst. Ich...«

»Und was wirft man uns vor?« fiel Cern ihm ins Wort.

Hauptmann Kolran von Treuenbrück straffte sich. »Ihr seid des gemeinschaftlichen Mordes an ihrer Hochgeboren der Baronin von Aschenfeld angeklagt!«