Geschichten:Blut ist und bleibt Blut - Audienz beim Reichsvogt

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Schloss Gerbaldsaue, Kaiserlich Gerbaldsmark, Ende Rahja 1041 BF:

Das malerisch am Oberlauf des Silk gelegene Wasserschloss Gerbaldsaue war zweifelsohne eine der prunkvollsten und repräsentativsten Residenzen der Kaisermark. Übertroffen einzig von Sonnentor, dem prächtigen Sitz der Garether Markvögte – und früher freilich von der Neuen Residenz. Die Architektur des weitläufigen Gebäudekomplexes, mit seinen vielen Höfen und Burggärten, wirkte wie aus einem Stück gegossen. Die einzelnen Räumlichkeiten und Säle waren durch große, zum Teil bunte, Bleiglasfenster lichtdurchflutet und ließen die kunstfertigen Stuckdecken, sowie die detailverliebten Gemälde und vergoldeten Ornamente der Wände imposant auf dem Betrachter wirken.

Die Residenz der Gerbaldsmärker Burggrafen imponierte Savertin von Vairningen durchaus. So wartete er geduldig auf das, was nun kommen mochte. Nach einem Stundenglas führte ihn eine Pagin Isira von Zolipantessa ins sogenannte Bürokratenkabinett des Schlosses. Hier befand sich der Verwaltungstrakt, denn eine Burggrafschaft mit an die 10.000 Einwohner musste wohl verwaltet werden. In dem langen Flur, der von Gemälden vergangener Burggrafen gesäumt wurde, liefen emsig unzählige Schreiber und Archivare hin und her.

Die Pagin führte Savertin wortlos in ein geräumiges Arbeitszimmer. An einem langen Schreibtisch saß ein noch jugendlich wirkender Mann mit schwarzen Haaren und dunkeln Teint. Es musste noch weit jünger als Savertin selbst gewesen sein. Halb auf dem Schreibtisch sitzend sah er einen weiteren Mann mittleren Alters. Das augenscheinlich angeregte Gespräch der beiden verstummte als die Pagin den Gast ankündigte. Die beiden Herren wurden Savertin als Romelio von Agur, Privatsekretär des Reichsvogtes, sowie Salerian von Feenwasser, Seneschall der Gerbaldsmark, vorgestellt. Beide musterten den Neuankömmling mit süffisanten Lächeln.

„Savertin von Vairningen“, begann der jugendliche Sekretär, „der Reichsvogt erwartet Euch bereits“. Mit einer freundlichen Geste deutete er auf eine weitere Tür des Raumes.

Der junge Ritter mit den einnehmenden Augen betrat einen lichtdurchfluteten Raum. Die bis zu dem Boden reichenden Fenster, nein es waren Türen die auf eine ausladende Terrasse führten, waren weit geöffnet und ließen die sommerliche Wärme in den Raum. Linker Hand befand sich ein großer, eicherner Schreibtisch. An der Wand dahinter thronten übergroß die Gemälde von Kaiserin Rohaja und ihrem Gemahl Rondrigan Paligan. Die anderen Gemälde zeigten verschiedenen Szenen der Falkenjagd. Rechts hinter dem Schreibtisch führte eine kleine Treppe zu einem ebenfalls mit großen Fenstern gesäumtes Ecktürmchen. Hier luden große Polstergarnituren Aranischen Stils zum Verweilen aus.

Von der Terrasse her kommend, betrat eine stattliche Gestalt, gehüllt in den feinsten Stoffen, den Raum. Er stellte sich Savertin als Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor vor und überragte den jungen Ritter noch um einige Finger. Seine smaragdgrünen Augen blitzen ihn verschmitzt an. Basin von Richtwald hatte recht gehabt, dachte sich Reto, der junge Vairningen war ein äußerst ansehnlicher junger Mann. Basin hatte ihm vor wenigen Monaten in Rommilys von einem sehr vielversprechenden jungen Ritter erzählt. Da die verwandtschaftlichen Beziehungen zur Familie seiner Frau jedoch noch nicht abschließend geklärt waren – vermutlich handelte es sich um einen verstoßenen Bastardzweig – konnte sich Basin seiner nicht annehmen. Daraufhin hatte Reto sich ein paar Erkundigungen eingeholt. Von Leomar hatte er erfahren, dass der junge Ritter einen Zweifelfels als Schwertvater hatte und zwar Oldebor aus der kaisermärker Linie. Zudem galt er als ritterlich, diplomatisch versiert und vor allem war ihm die phexgefällige List nicht fremd. Unabdingbar um im politischen Rattennest der Kaisermark zu überleben.

„Junger Freund“, begann der Reichsvogt beton jovial, „es freut mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.“ Reto machte eine ausladende Handbewegung. „Bitte folgt mir doch auf die Terrasse, das Wetter ist zu schön um es nicht draußen zu genießen.“

Savertin folgte der Einladung des Reichsvogtes und so fanden sich die beiden wenige Augenblicke später an der steinernen Balustrade wieder. Eine Pagin reichte den beiden Perricumer Roten aus feinstem Unauer Kristall. Reto ließ seinen Blick über den idyllisch wirkenden Burgsee schweifen. Ein Meer aus weißen und roten Seerosen – wohl nicht zufällig in den Farben des Hauses Aimar-Gor – bedeckte den See. Hier und da schwammen Schwäne und Enten umher.

„Wenn doch alles auf dem Derenrund so friedlich wäre wie dieser Ort“, der verträumt wirkende Blick des Reichsvogtes löste sich vom See und er blickte zu Savertin. Dabei tauchte er tief in die saphirblauen Augen seines Gegenübers ein. „Doch so ist es nicht, mein junger Freund, dies ist nur eine Illusion, gleich einer Auftragsmalerei, viel Schein und wenig sein. Die hohe Politik ist ein raues Parkett, da mögen auch noch so viel Puder und Parfümschwaden nicht drüber hinwegtäuschen.“ Ein geheimnisvolles Funkeln lag in den Augen des Reichsvogtes. „Ihr fragt Euch sicherlich was ich von Euch will, doch ist es nicht eher die Frage was Ihr von mir wollt? Ich kann Euch eine Position an meinem Hof verschaffen, denn für Männer wir Ihr, mit dem gewissen Etwas, habe ich was übrig. Dient Ihr mir loyal, werdet Ihr großzügig belohnt werden. Enttäuscht Ihr mich, werde ich Euch vernichten. Was sagt Ihr, seid Ihr der richtige Mann für mich?“

Savertin hielt den Blick der grünen Augen stand, musterte das Gesicht seines potentiellen Dienstherrn und bedachte seine Situation. Zu genau war er sich seiner eigenen Situation bewusst. Trotz bester Voraussetzungen hatten es weder sein Großvater noch sein Vater vermocht Profit aus ihrer Situation zu schlagen, stattdessen dienten sie als einfache Hausritter. Ein Dienst der nicht ohne Ehre war – ganz im Gegenteil, aber ein Dienst der den Nachkommen nichts Handfestes hinterließ. Er wollte seinen Kindern etwas hinterlassen, einen Titel, ein Flecken Heimat, einen Teil der Illusion. Auch wenn er um dieses Trugbild wusste, so war dieses dennoch von großer Bedeutung – was nutzte schon ein Bauer der vor Angst seine Scholle nicht mehr bestellte? Ein Bild das der Adel wahren musste. Das Trugbild der hohen Politik hingegen war selbst für den Adel nicht immer zu durchschauen. Viele ließen sich von Puder, Pomp und Rüschen ablenken und übersahen dabei was sich hinter den Kulissen abspielte. Er, er wusste um diesen Schein und hatte sich im zurückliegenden Götterlauf intensiv darin geübt ihn zu durchdringen, während es ihn gleichzeitig durchdrang.

Mit einem lächeln auf den Lippen löste er den Blickkontakt und besah sich stattdessen das Idyll was sich Reto hier geschaffen hatte. „Der Mensch ist nicht einfach. Es gibt viele die die Wahrheit nicht sehen wollen und sich stattdessen in diesem Idyll verkriechen wollen.“ Um seine Worte zu untermauern wies er mit einer ausladenden Geste auf den Seerosen besetzten Teich. „Sie wollen Glauben! Sie hinterfragen nicht, ob die wohlgeformte Figur der Dame von Rahja gegeben oder durch einen Mieder in Form gepresst wurde. Sie wollen das Reich erblühen sehen, aber nicht akzeptieren das man sich dafür auch einmal die Finger schmutzig machen muss.“ Sich wieder dem Hausherrn zuwendend hob er die Hände und zeigte ihm seine Handflächen. Große kräftige Hände, mit den typischen Schwielen eines Schwertkämpfers und den feinen Narben einer harten Ausbildung an der Waffe. „Was sie offensichtlich nicht wissen ist, dass man die Hände nachdem man sie sich schmutzig gemacht hat, wieder waschen kann.“ Wie um dies zu untermauern, drehte er die Hände und offenbarte dabei saubere und gepflegte Fingernägel.

„Ich bin bereit zu tun was nötig ist, sodass das Reich erblühen kann. Und ich bin Loyal, …“ Dann jedoch hob er warnend die Hand. „… aber! Bevor Ihr entscheidet Hochgeboren, möchte ich ehrlich mit Euch sein. Egal welches Urteil auch immer derische Kräfte über mich Fällen, es soll mir gleich sein! Vor Rethon aber, werde ich bestehen.

Reto blickte eindringlich in die Augen seines Gegenübers. Ein Wohlwollendes Lächeln umspielte sein Gesicht. „Ihr seid der richtige Mann für mich, junger Savertin von Vairningen!" Mit diesen Worten reckte der Reichsvogt sein Glas aus feinsten Kristall in die Höhe. Der junge Ritter tat es ihm gleich und beide nickten sich zu bevor sie einen Schluck des Perricumer Roten zu sich nahmen.