Geschichten:Bardurons Kinder – Aus dem Elsternnest

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Nahe Rabicum, Mitte Peraine 1038 BF

»Loyiella, was für eine Freude, mein Kind! Wirklich, dass Du zu meinem Tsatag in die Perrinmarsch gekommen bist«, die Rührung versagte Maia von Perricum die Stimme. Ihre Tochter hatte sich die Überraschung nicht nehmen lassen und niemanden in Rabicum von ihrem kurzen Besuch informiert.

Es war ein warmer und schöner Frühlingstag. Die Landvögtin hatte zu einer Landpartie geladen, zu der einige ihrer engsten Vertrauten und Freunde geladen worden und nur wenige auch tatsächlich erschienen waren. Die Mühe eine Einladung in die benachbarte Reichsstadt zu senden, hatte sie sich, wie in jedem Jahr, gespart, denn ihr Halbbruder Rondrigan war kaum zugegen, und wenn er in seiner Markgrafschaft weilte, mit Geschäften überhäuft. Und ihre Großmutter Rimiona war keine Dame, die sich viel aus dem gesellschaftlichen Umgang mit ihrer Enkelin machte. Sie betrachtete Maia als Teil ihres Machtgefüges, nutzte sie für vertrauliche Treffen mit ihren Untergebenen und holte ihren Rat in politischen Fragen in Perricumer Belangen ein. Mehr aber auch nicht.

»Wirklich Mutter, Du musst Dir wegen mir keine Umstände machen«, versuchte Loyiella die aufsteigende Sentimentalität zu dämpfen. Vergeblich, wie jedes Mal. »Wo es im letzten Jahr schon nichts geworden ist, weil ich am Hof nicht abkömmlich war. Ich hatte Dir ja geschrieben, dass diese schrecklich langweilige Nordmärker Schnepfe krank geworden war und deshalb die Kaiserin nicht bedienen konnte. Und die humorlose Hartsteen hat ganz offensichtlich ihre klammheimliche Freude gehabt, mich nicht zu entschuldigen.«

Maia lächelte nur selig und zog ihre Tochter zu einer kleinen einsamen Gruppe von Weiden, die an einem Weiher standen. Ihre Gäste verstanden den Wink und unterhielten sich ausgiebig über die anstehende Fasanenjagd.

»Erzähl mir, was gibt es Neues am Kaiserhof?«, fragte die Landvögtin neugierig, als sie sich auf einen verwitterten Stein im Schatten der Bäume gesetzt hatten.

Nachlässig sammelte Loyiella flache Kieselsteine auf und ließ sie über das stehende Gewässer tanzen. »Alle Zofen tuscheln darüber, wie wenig mein Oheim mit seiner Braut verkehrt. Die Staatsgeschäfte, die ganze Vorbereitung auf den Haffaxfeldzug und die Neuordnung der Reichsverwaltung lässt ihnen ja auch kaum Zeit dafür.« In ihren Augen blitzte es keck. »Längst lästert man unter der Hand, dass so das Kaiserreich kaum einen Erben erhalten wird.«

Maia atmete tief durch und nickte bedeutend den Kopf. »Ja, die Bürde der Krone wiegt schwer.«

»Och, Dich hat das ja nicht gestört, oder?«, drehte sich keck die Tochter um, während die verlegene Mutter ihre Hände um die errötenden Wangen schlug.

»Loyiella, bitte, solche Reden geziemen sich nicht für eine Dame!«

»Mutter, ich bin doch kein Kind mehr. Du magst Etillian glaubhaft versichern, dass die Kinder von den Salamandern ins Kindbett getragen werden. Ich habe genug am Kaiserhof gesehen und gehört, um zu wissen, wie der Gang der Dinge ist und welche Bedürfnisse die Götter in uns Sterbliche gesät haben.«

Maia schüttelte wehmütig den Kopf, erwiderte jedoch nichts. Sie wusste, dass man sie nicht für die Klügste hielt. Aber vor ihrer eigenen Tochter wollte sie nicht töricht erscheinen. Auch wenn sie sich insgeheim wünschte, ihr Kind hätte nicht so viel von der nackten und brutalen Wirklichkeit gesehen und stattdessen ihre kindliche Unschuld bewahrt.

»Überhaupt ist das ein Thema am Hof, über das man derzeit viel spricht, seitdem der Efferdsträner seinen Brief an den neuen Reichserzkanzler geschrieben hat. Hat wahrscheinlich gedacht, es bliebe unter Borons verschwiegenem Siegel. Aber da hat er seine Rechnung ohne die geschwätzigen Schreiber aus der Sighelmsmark gemacht, die sich vor uns Zofen als tolle Kerle präsentieren wollten. Und sicherlich nicht nur vor uns.«

»Welchen Brief denn?«, fragte Maia neugierig nach.

»Der Vogt der Efferdstränen macht sich Sorgen um die Thronfolge, wenn ihre Kaiserliche Majestät auf dem Heerzug gegen den Erzverräter Haffax gen Alveran gehen sollte.«

»Aber das ist doch eine berechtigte Sorge. Oh, die arme Frau, welch schwere Bürde haben die Götter ihr doch aufgelegt. Es wäre ja wirklich an der Zeit, dass sie mal etwas Glück in ihrem Leben erfährt, wo doch die letzten Jahre so hart für sie waren.« Kleine Tränen tauchen in den Augenwinkeln der Landvögtin auf, die nicht in der lange war einen Gefühlsausbruch zu täuschen, wie sie überhaupt zur Täuschung nicht in der Lage war.

»Sie ist immerhin die Kaiserin des Raulschen Reiches. Das ist doch kein nebachotisches Stutengehöft. In jedem Fall hatte der Efferdsträner ausgeführt, welch aussichtsreiche Position in der Thronfolge doch der neue Reichserzkanzler habe. Es gibt einige Leute am Kaiserhof, die solche Überlegungen überhaupt nicht freudig aufnehmen und nur darauf warten, dem Schlunder Adligen etwas Handfestes anzuhängen, um ihn wegen Reichsverrat fort zu jagen oder ihm ein paar Finger von seiner Körpergröße von oben abzunehmen.« Loyiella machte eine wischende Bewegung über ihren hübschen und makellosen Hals.

Maia schauderte. Sie erkannte das junge Kinde vor sich kaum wieder in der zynischen Hofdame, deren Tonfall während des Plausch immer härter geworden war.

»Wie auch immer«, fuhr Loyiella fort, »wo wir bei Reichsverrätern sind, spannend war ja, was ich zufällig in einem geheimen Gespräch zwischen dem Kaisergemahl und dem Nachfolger des verächtlichen Sertisers belauschen konnte. Beide hatten sich außerhalb der Pfalz getroffen und darüber gesprochen, dass der neue Pfalzgraf ein offenes Auge auf die Kabalen seiner Waldsteiner Nachbarn werfen möge, denen er nur wenig Vertrauen entgegen bringe. Sehr offen hatte der Hartsteener den guten Oheim Rondrigan auf den Brief und seine Implikationen angesprochen. Aber Oheim Rondrigan hat nur süffisant gelächelt und auf den Reichstagsbeschluss von 1014 BF verwiesen, nach dem Frauen wieder den Kaisertitel erben dürfen und auch magisch Begabte den Titel tragen dürfen, wenn sie auch nicht selber herrschen dürfen und einen Regenten einsetzen müssen. Er fragte den Hartsteener nur, wer, wenn nicht der Witwer einer Kaiserin wäre für eine solche Regentschaft prädestiniert.«

»Aber glaubst Du wirklich, der Adel würde tatsächlich eine Kaiserin Yppolita und ihrem Regenten Rondrigan Paligan folgen? Die Nordmärker würden sicher auf die Barrikaden gehen und auch bei den Garetiern, die ja in der Mehrheit die Kirche des Nandus ablehnen, wäre ich mir nicht sicher.«

»Ach, keine Ahnung, Mutter. Ich schätze die Garetier so ein, dass sie murren und schimpfen werden, aber an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht zu rütteln wagen. Lediglich die Frage, wer den Regenten berufen darf, Kaiserin Yppolita selbst oder ein Großer Hoftag, konnte Oheim Rondrigan nicht beantworten. Er hat dann aber ein Geräusch gehört und seine Ausführungen unterbrochen.«

»Sag mal, Tochter, warum warst Du eigentlich so weit vom Hof entfernt und hast Deinen Onkel belauscht, was sich für eine ordentliche Nichte nicht gehört?«

Dieses Mal errötete die Tochter und brachte ihre Antwort stammelnd hervor. »Äh, ja… Ich hatte dort ein wichtiges… Treffen… Ach, nicht wichtig, Mutter.«

Maia lächelte mild. »Du weißt aber, mein Herz, das Du bei einem Werber um Deine Hand erst zu mir kommst, damit ich meinen Segen gebe, oder?«

Schüchtern nickte Loyiella nur. Sie brachte es nicht über ihr Herz, ihrer Mutter zu eröffnen, in welch heftiger Romanze sie sich in diesem Frühjahr verstrickt hatte und ihr Besuch nichts anderes war als eine Flucht vor einer falschen Entscheidung.