Geschichten:Aufruhr in Erlenstamm - Teil 3

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der Zwischenzeit trieb Alissa von Erlenstamm ihr Ross an, um der Baronin zu folgen, die durch das hügelige und mit Weingütern gesegnete Land in Richtung des Örtchens Treilin ritt. Als sie es erreichte, schlugen ihr verzweifelte Hilfeschreie und aufgebrachten Stimmen entgegen. Aufgebrachte Gäste verliessen eine Schenke in Mitten des Ortes. Alissa ritt darauf zu, stieg ab und nach einem kurzen Zögern trat sie in den mittlerweile leeren Schankraum. In dessen Mitte stand die Baronin in ihrem zerfetzen Kleid über etwas gebeugt. Beim Eintreten ihrer Nichte drehte sie sich ruckartig um, in ihren Augen ein grünes Flackern, in der Rechten ein grosser Humpen, in der Linken ein Hähnchenschenkel, schleuderte sie Alissa mit einer überraschend kräftigen Stimme entgegen:

"Na mein Kind, so wird man geehrt, wenn man aus dem Krieg zurückkehrt! Meine Untertanen sind alle vor mir geflohen und werden wohl bald mit Mistgabeln zurückkehren. Und der machtgierige Junker wird wohl bald meine Soldaten auf mich hetzen!"

Mit diesen Worten biss sie ein grosses Stück Fleisch ab, spülte es mit einem tiefen Schluck Bier hinunter und liess einen langen Rülpser folgen. Dann rief sie aus: "Lass die Schweine kommen, die mir mein Lehen und mein Leben rauben wollen! Und für dieses Pack hab ich mein Leben riskiert! Ich wette, hinter dieser Verschwörung stecken die dreizehnmal vermaledeiten Zwerge ..." dann wurde sie wieder ruhiger und schaute Alissa durchdringend an:" Und welche Rolle spielst Du in dieser Posse? Welchen Preis hat Dir der Junker versprochen, dass Du mich ausfindig machst? Und lügt nicht, da ich das merke."

Unsicher schaute Alissa ihre Tante an. "Wie meint Ihr das? Versprochen?? War ich denn nicht immer auf Eurer Seite? Liebste Tante, ihr ward doch wie eine Mutter zu mir, als..."

Ihr stockte der Atem und sie senkte den Blick. Jedes Mal, wenn sie sich an den tragischen Tod ihrer Mutter erinnerte, stieg Trauer, Verzweiflung und Wut in ihr auf.

"Liebste Tante", sagte Alissa mit erstickter Stimme, "Ihr wißt doch selbst, wie sehr ich darunter gelitten habe, dass meine Eltern mich so früh allein gelassen haben. Und Ich war doch auch wie eine Tochter zu Euch, als ich in Eurer Nähe verweilte..."

Alissa hob den Blick wieder und man konnte Tränen in ihren Augen glitzern sehen.

"Als ich davon hörte, dass man euch für tot erklärt und Euer Begräbnis vorbereitet hatte, bin ich auf dem schnellstmöglichen Weg zur Burg geritten, um Euren Sohn vor Greifdane zu schützen. Ihr wißt selbst genau, wie sehr meine Schwester nach Eurem Lehen trachtet. Euer Sohn wäre der Einzige, der ihr da noch im Wege stünde..."

Alissas Stimme versagte und sie fiel weinend zu Boden. Sie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und sagte "Liebste Tante, ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, dass Ihr lebt!"


Eine Weile herrschte betretenes Schweigen. Dann zischte die Baronin durch die Zähne: "Greifdane teilte immer meine Abneigung gegen die Kurzen", es folgte wieder eine Pause, nach der die Baronin mit wieder erstaunlich normaler und müder Stimme fortfuhr: "Aber es ist wahr. Du warst immer der Mensch, dem ich am meisten hätte vertrauen können. Doch auch dem Secretarius hätte ich mit meinem Leben vertraut, und nun sah ich ihn stumm neben dem Junker. Wem kann ich denn noch vertrauen?"

Sie seufzte. Da drangen Geräusche einer aufgebrachten Menge in den Schankraum. Vor dem Gasthaus hatten sich viele Menschen und einige Zwerge, mit Fackeln, Mistgabeln und ähnlichen Gerätschaften bewaffnet, versammelt. Doch noch zögerten sie und beschränkten sich darauf, sich durch kraftvolle Sprüche über die Dämonenbrut Mut zu machen. Und nur wenige Augenblicke später konnte Hufgetrappel vernommen werden. Ein Klirren liess Alissa zusammenzucken. Die Baronin hatte ihren Humpen mit grosser Kraft gegen die Wand geschleudert und ein Schwert gezogen.

Das grünliche Flackern war wieder in ihren Augen, und sie fauchte Alissa an: "Jetzt kannst Du Dein Treue beweisen und mit mir kämpfen und untergehen oder aber als Este der Ehrlosen durch mein Schwert in die Niederhöllen fahren!"

Alissa wischte sich die Tränen aus den Augen. "Wenn jemand hier sterben sollte, dann werde ich es sein, denn ich werde nicht zulassen, dass Greifdane durch Euren Tod an das Lehen kommt. Ihr wißt sehr genau, dass ich mein Leben gern gebe, wenn ich denn das Eure schützen kann."

Alissa zog ihr Schwert und trat mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck vor ihre Tante und wartete auf ihr Schicksal.