Geschichten:Asche und Einhorn 1

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Kaiserstadt Gareth - Ende Peraine 1027 BF

Müde stand sie vor den noch immer schwelenden Trümmern des Hauses. In den ehemals festen und strengen Zügen - jetzt schlaff und ausdruckslos - spiegelte sich flackernd der rötliche Schein vereinzelter Glutherde wieder. Kleidung und Rüstung waren abgenutzt, rußgeschwärzt und zerschlissen. Ihre kräftige Linke umklammerte noch immer den hölzernen Griff eines Eimers.

Den rechten Arm hatte die hochgewachsene Frau halb erhoben, wie in der Bewegung erstarrt. Schatten huschten an ihr vorbei, rüttelten an ihr. Aus weiter Ferne drangen Worte und Rufe an ihr Ohr und verschwanden wieder. Ein dumpfes Rauschen, das alle anderen Geräusche und Empfindungen wie ein dichter, grauer Nebel umschloss, hatte sich ihres Verstandes bemächtigt. Einzig der helle und klare Laut des Blutes, das stetig von ihrer Hand in das klare Wasser im Eimer tropfte, drang hallend zu ihrem Geist vor. Langsam, unendlich langsam wandte sich ihr Blick hinab auf die weiß hervortretenden Knöchel ihrer Linken und den kleinen Blutstrom, der zwischen ihren kräftigen Fingern hervor rann. Mit einem leisen Stöhnen öffnete sie knirschend die Finger. Blut und Wasser ergossen sich auf das Pflaster der Gasse. Und so, als ob der Eimer ihre letzte Stütze gewesen wäre, sackte nun auch die Frau zu Boden, stürzte auf die Knie und schlug, ohne den Fall mit den Armen zu bremsen mit dem Gesicht aufs Pflaster… ihre verkrümmte Rechte noch immer den Trümmern des Hauses entgegengestreckt. Das Rauschen ebbte ab und wich einer endlosen, schwarzen Stille.

Erst einige Tage später sah sich Verina von Silberhuf dazu im Stande die Überreste dessen, was einst ihr Eigen war, aufzusuchen. Alles, was sie über Jahre hinweg erarbeitet, ja geradezu erkämpft hatte, war nun Asche. So wie ganz Gareth war sie wie betäubt von dem Ausmaß der Verheerung. Die Schrecknisse, die unvergleichliche Grausamkeit und Gewalt der Nacht, in der die Hauptstadt des Reiches brannte, gingen über ihren Verstand. Wie hatte soetwas geschehen können, wie hatten die Götter soetwas zulassen können?

Nachdem sie wieder zu sich gekommen war hatte sie sich für einige Tage nicht rühren können, hatte weder Nahrung noch Wasser zu sich genommen. Dann war sie, wie viele, durch die Straßen und Gassen, über die Plätze und von Tor zu Tor gestreift, fassungslos, ohnmächtig ob der Zerstörung. Lethargisch hatte sie mancherorts geholfen Tote oder einige der wenigen Verletzten zu bergen und Trümmer beiseite zu räumen. Doch bald hatte sie einsehen müssen, dass sie sich nicht ewig vor ihrem eigenen Verlust verschließen konnte. Schweren Herzens und fast furchtsam –eine Regung, die in Verinas Herzen bisher wenig Platz gefunden hatte- hatte sie die Gasse, in dem sie einst Haus und Warenkontor besaß betreten. Zitternd, die Hände zu Fäusten verkrampft hatte sie vor dem verkohlten Rest ihrer Existenz gestanden. Es bedurfte keiner genaueren Untersuchung, um zu wissen, dass ihr nichts geblieben war. Auch die Hoffnung, dass ihr Handelszug aus Aranien, der auf dem Weg hierher gewesen waren, bevor das Unheil über Gareth hereinbrach, sie noch erreichen würden, war mit dem Eintreffen einer Nachricht, die von dessen Verlust kündete, zerstoben. Auch diese Güter waren verloren, zermalmt von eben jenem üblen Heerzug, dem sich Verina vor den Toren der Hauptstadt entgegengestellt hatte.


Kaiserstadt Gareth – Mitte Ingerimm 1027 BF - Stoerrebrandtkontor

Krachend schlug die Faust auf den Tisch. Irgendetwas fiel metallen scheppernd zu Boden. Verina von Silberhuf war augesprungen und funkelte ihr Gegenüber zornig an. „Was soll das heißen? Schwere Zeiten?! Bei allen Göttern, seht mich an! Ich weiß das schwere Zeiten herrschen, darum habe ich Euch aufgesucht!“ fauchte sie und richtete sich bedrohlich vor dem rundlichen Mann hinter dem Schreibtisch auf, der sich dadurch scheinbar wenig beeindrucken ließ. „Beruhigt Euch, werte Dame. Ich sagte doch schon, die momentane Lage erlaubt es unserem Haus nicht …“ ein weiteres Mal donnerte die kräftige Faust auf den Tisch und unterbrach die Ausführungen des Bankiers. Zornesgerötet und schwer atmend stand Verina von Silberhuf für einen Augenblick nur da und blickte Emmeran Stoerrebrandt unter zusammengezogenen Brauen an. Dann schien sie sich zu besinnen, ließ sich schwer in den Stuhl sacken und sagte mit gepresster, aber deutlich ruhigerer Stimme: „Ich verstehe… aber versteht auch mich, ich trage die Verantwortung für mein Haus und …“.

Emmeran nickte und seufzte: „Glaubt mir, nichts täte ich -unter anderen Umständen- lieber, als Euch zu geben, wessen ihr bedürft. Ich bin überzeugt, dass Ihr mit den rechten Mitteln das Rechte anzufangen wüsstet und –bei Phex- sicher würdet ihr schon bald wieder fest im Sattel sitzen, doch…“ Der Bankier blickte Verina nun ernst an „…mir sind derzeit wahrlich die Hände gebunden.“ Die Frau schwieg. Sie schien abwesend und in Gedanken versunken. Langsam erhob sich der Handelsfürst und begann bedächtig und augenscheinlich grübelnd, hinter seinem Schreibtisch auf- und abzugehen. „Nun, es bestünde da vielleicht doch noch eine Möglichkeit.“ Er verhielt im Schritt und blickte zu Verina, die ebenfalls langsam das Haupt hob. „Wir könnten zumindest versuchen Euch soweit als möglich zu entlasten. Was könntet Ihr uns denn anbieten?“ „Meine Familie… verfügt über einige leerstehende Güter in Eslamsgrund.“ Die Worte kamen Verina stockend und mit hörbarer Skepsis über die Lippen. „Gebäude?“ Emmeran runzelte die Stirn. „… leerstehend … was, werte Dame, soll ich denn in dieser Zeit mit Gebäuden?“ Nach einem kurzen Seufzer fuhr er fort: „Aber gut, Euch zuliebe… es sollten ja auch wieder bessere Tage kommen.“ Verina nickte langsam: „Gehe ich fehl in der Annahme, wenn ich vermute, dass Ihr mir anzubieten gedenkt, diese Güter als Pfand für ein Darlehen in Eure Hände zu geben?“ Storrebrandt wiegte langsam den Kopf in einer Manier, die Verina fast zu einem erneuten Zornesausbruch provoziert hätte. Schon schnappte sie nach Luft, wie, um aufzufahren, doch kam der Bankier ihr mit seinen Worten zuvor: „Nun, in der Tat böten Eure Güter und die Stadtvilla eine Möglichkeit, Euch unsere Unterstützung angedeihen zu lassen. Allerdings gingen meine Überlegungen bezüglich eines Angebots meines Hauses nicht dahin, sie als Pfand zu nehmen, sondern…“ er machte eine kleine Pause, in der Verina von Silberhuf angespannt den Kopf und eine Braue hob, dann schloss er seine Rede mit schwerer Stimme, als habe er Mühe, sich zu diesem Entschluss durchzuringen: „…sondern würde ich Euch anbieten, Eure Besitztümer zu erwerben.“ Zornesader und –falte im Gesicht der Frau begannen erneut bedenklich zu schwellen. Doch der Händler fuhr, noch immer scheinbar schwermütig, fort: „Bedenkt, werte Frau! In der derzeitigen Situation sehe ich mich außer Stande Euch ein Darlehen anzubieten und ihr werdet vermutlich niemanden meines Gewerbes finden, der Euch in diesen Tagen anderes zugestehen könnte noch wollte. Auf Kurz oder Lang werdet Ihr eure Güter, ob dieses von Euch gänzlich unverschuldeten Hiebes Los, vielleicht nicht halten können, solange ihr ohne Mittel seid. Doch durch den Verkauf kämet Ihr wieder zu barer Münze. Von Eurem phexgefälligem Geschick bin ich, wie gesagt, überzeugt und ich bin mir sicher, dass Ihr, mit einem Grundsoll ausgestattet, Euch möglicherweise schon bald in der Lage sehen werdet, die Güter vom Kontor zurück zu erwerben.“

Stoerrebrandt konnte sehen, wie es in Verinas Zügen arbeitete und er konnte sehen, dass seine Worte ihre Wirkung nicht zur Gänze verfehlten. Sie wusste, dass er wahr sprach. Die Villa aufgeben? Was blieb ihr dann noch? Was ihre jüngsten Vorfahren und Geschwister und deren unfähige Anhängsel verprasst und verspielt hatten, dass hatte sie im Schweiße ihres Angesichts in vielen Jahren wieder zusammengetragen, gemehrt und sorgsam gehütet. Und das sollte sie nun diesem Schacherer überantworten? Welche Alternativen hatte sie. Verina schwindelte. Kurz wurde ihr schwarz vor Augen. Sie würde alles verlieren. Alles, was für sie ‚von Silberhuf‘ bedeutete. Verdammt! Sie straffte sich, wischte den Schwindel und mit ihm den Hader beiseite. Sie hatte bereit alles verloren! Mit kaum merklichem Beben in der Stimme wandte sie sich an den Bankier. In knappem, sachlichen Ton nannte sie ihm Ausmaß und Ausstattung der ihr verbliebenen Güter. „Was gedenkt Ihr dafür zu bieten?“ Er nannte eine Zahl. Sie schluckte.


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