Geschichten:Am Katterquell - Althergebrachte Lösungen

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Feidewald, Katterquelle, Ende Travia 1041 BF

Ein letztes Mal prüfte Borfrede von Katterquell den Sitz ihrer Armkacheln und streifte dann die gepanzerten Handschuhe über die schwieligen Hände. Die Bedingungen und Regeln waren geklärt. Es konnte losgehen. Rapidora reichte ihr Schild und Schwert und klopfte ihr auf die Schulter, während sie ihr einen letzten Tipp für den bevorstehenden Kampf zuraunte und dann zum oberen Rand der Senke hinaufstapfte, wo schon alle anderen standen und wie von den Rängen eines Amphitheaters auf sie herabglotzten. Wirklich alle? Borfrede ließ den Blick in Ausschau nach ihren Verwandten über die versammelte Schar schweifen.

Da war ihr Erzeuger – Vater mochte sie den durch den langen wildwuchernden Bart an einen Waldschrat gemahnenden Mann kaum nennen – der mit verschränkten Armen unter der dicksten Eiche stand. Neben Rapidora hatte sich Berndrich der Alriksritter mit seinen Blagen gesellt. Auf der anderen Seite steckten Bolter und Raulwin die Köpfe zusammen. Der alternde Junker von Poppelhoven war der letzte, der als Erwachsener einen Kampf an eben dieser Stelle erlebt hatte. Es hieß, er selbst habe damals das Duell gegen Borstefred verloren und als bleibende Erinnerung ein paar hässliche Narben und die entsetzlich platt gedrückte Nase behalten. Borfrede vermutete, dass der alte Eisenbeißer hinter den Ambitionen seines missratenen Sohnes Barnhelm steckte. Und Raulwin? Dass der seinen Handschuh nicht in den Ring geworfen hatte, war für alle eine Überraschung gewesen, alldieweil er in der Familie stets als Borstefreds Favorit für die Nachfolge galt. Stattdessen hatte er sich hinter Barnhelm gestellt.

Die sich wie ein Lauffeuer verbreitende Kunde vom unerwarteten Tod des Patriarchen hatte dazu geführt, dass sich die Katterquells so schnell wie nie zusammengefunden hatten. Nachdem man den Verblichenen zu Grabe getragen und sein Andenken gebührend begossen hatte, war unausweichlich Streit über die zukünftige Familienhierarchie ausgebrochen. Denn Borstefred war ohne Erben geblieben, da das Hexenkind unter der Vormundschaft Raulwins ja wohl nicht zählte. Und so musste die Angelegenheit schließlich auf die althergebrachte Weise gelöst werden: im Kampf; hier an der Quelle der Katter, auf dem alten Grund, wo die Hufabdrücke der Ure im Gestein der mächtigen Felsplatte immer noch von der legendären Herkunft der Familie kündeten.

Alle waren sie gekommen, die den Namen Katterquell trugen, und allen würde sie es zeigen – und nicht nur ihnen. Auch wenn die Zahl der übrigen Zuschauer ebenso überschaubar war: Der Baron von Feidewald hatte es offenbar nicht für nötig befunden, selbst zu erscheinen. Spät – aber immerhin – war stattdessen sein Schwager, der Junker von Ebershag aus Hutt, als Abgesandter, oder besser: Aufpasser des Barons eingetroffen. Dazu kamen ein paar Knappen, unter denen die sauertöpfisch dreinstarrende Knappin des Ebershagers und Raulwins schlaksiger Knappe Vitus von Wiesenbrück, bei dessen Erscheinung sie unweigerlich an ein Wiesel denken musste, herausstachen und eine Handvoll Dienstpersonal vom Gutshof. Einzig ein Pfaffe hatte sich nicht eingefunden. Wozu auch? Hier ging es schließlich nicht um das Seelenheil.

„Seid ihr bereit?“, hörte Borfrede die erhobene Stimme des Abgesandten aus Feidewald und nickte fast automatisch, während sie zur Bestätigung mit der flachen Klinge gegen den Rand ihres Schildes schlug. Sie war als Knappin mit Rapidora geritten, hatte im Feidewald mit den Landreitern und der Bande vom Eichenblatt scharmützelt und später in Tobrien gutes Silber mit dem Schwert verdient. Borfredes Blick richtete sich auf ihren gerüsteten Gegner und darüber hinaus, während sie ihre Waffen zum Kampf erhob. Ein Lächeln schob sich in ihr regennasses Gesicht. Gegen Männer wie Barnhelm hatte sie schon oft gefochten. Sie waren zu selbstsicher in ihrer Kraft und Erfahrung und merkten nicht, dass sie ihren Zenit in Schnelligkeit und Spannkraft überschritten hatten. Und diese falsche Selbsteinschätzung würde ihr Untergang sein. „Rondrabefohlen, kämpft!“, ertönte das Kommando.

Nein, dachte sie, als sie begann, ihren Kontrahenten auf dem nassen, glitschigen Untergrund zu umkreisen und dabei den tückischen wassergefüllten Hufabdrücken im Stein auszuweichen. Es ging hier nicht um Alveran; hier ging es einzig um den Bund von Land und Geblüt. Und ihre Augen blitzten über den Schildrand.




 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Koenigreich Garetien.svg   Wappen Grafschaft Hartsteen.svg   Wappen Graeflich Feidewald.svg   Wappen Familie Katterquell.svg  
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Ende Tra 1041 BF spät am Morgen
Althergebrachte Lösungen
Gefährlich Werkzeug


Kapitel 3

Autor: Steinfelde