Geschichten:Adhumars Brückenritt

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An der Natter, Tsa 1043 BF

Aus den Erinnerungen Anselms von Wetterwend:

Nach dem Heldentod des Hagen Korhardt von Schwingenfels übernahm seine Hochwohlgeboren Graf Odilbert höchstselbst die Leitung der Hartsteener Heerscharen, doch setzte er seinen getreuen Hauptmann Adhumar von Windischgrütz zum Befehliger über einen Teil derselben, weil jener es mit Mut und Geschick verstanden hatte, die nach der Schlacht auf Darpats Wogen verstreuten Kämpfer zu sammeln und in guter Ordnung wieder in heimische Gefilde zu führen.

Während der Graf noch während des Winters auszog, die götterlosen Katterquells vor Gericht zu bringen, bereitete Windischgrütz einen neuen Angriff gen Süden vor, der so bald wie möglich und zur Überraschung der Feinde noch in der kalten Jahreszeit beginnen sollte. Mit diesem gedachte Graf Odilbert nicht nur die Schlunder aus Hartsteen zu vertreiben, sondern auch das Hartsteener Banner bis auf die Türme seiner Widersacher zu setzen. Für die Durchführung eines solchen Planes war Windischgrütz wohl der geeignetste Mann in der ganzen Grafschaft, kannte er doch das Land zwischen Natter und Raschtulswall durch seine verschiedenen Reisen in jene Gegend während der letzten Jahre doch ausgesprochen gut und konnte darüber hinaus auf seinerzeit aufgebaute Beziehungen und Verbindungen zurückgreifen, die ein solches Vorhaben erleichtern mussten.

Noch während der grimme Herr Firun das Land in seinem eisigen Griff hielt, rief Herr Adhumar uns zu den Waffen und alsbald gelang es tatsächlich, die aus ihren warmen Quartieren kriechenden Söldlinge unserer Gegner in alle Winde zu zerstreuen, nachdem ihr Anführer, Olberich, Sohn der Orescha im Kampf verwundet wurde und, noch bevor herbeigerufene Heiler ihm beistehen konnten, seinen Verletzungen erlag. Später behaupteten üble Verleumder, dass der Neffe des Schlunder Grafen nicht allein durch die empfangenen Wunden, sondern vielmehr durch ein Gift zu Tode kam, welches sich angeblich auf den Pfeilspitzen befunden hätte, die ihn durchbohrten. Aber dies kann nur allzuleicht als bösartiges Gerücht derer entlarvt werden, die jenes zum billigen Vorwand und zur Entschuldigung für eigene begangene Übergriffe und Frevel am einfachen Hartsteener Landvolk nehmen.

Damit war der Weg nach Süden frei von bewaffneten Gegnern, allerdings lag noch der Natterfluss als weitere Barriere vor uns. Nach den früheren Meldungen des edlen Herrn Falk Wahnfried von Gneppeldotz, dem Herrn auf Bogenbrück, mochte das Eis auf der Natter noch einen Mann tragen, doch zeigte es sich bei unserer Ankunft, dass die tückische Natter es durchaus nicht gestattete, sie auf diese Weise zu bezwingen. Immer wieder brachen die Schollen selbst bei vorsichtigstem Versuchen auseinander. Den ganzen Tag über suchten wir das Ufer nach einer geeigneten Querungsstelle ab, doch ohne Erfolg. Und andere Abhilfe etwa durch Boote oder Flöße war nicht in ausreichender Zahl und vor allem kurzer Zeit zu beschaffen; zu viele waren im vergangenen Boron verloren gegangen.

Als die Stimmung unter den unsrigen darob schlechter zu werden drohte und mancher gar das vermeintliche Glück der Schlunder verfluchte, da betrat ein Mann aus dem schönen Volk, welcher sich selbst Valveija nannte, unser mittlerweile aufgeschlagenes Nachtlager und verlangte keck, mit Herrn Adhumar unter vier Augen zu sprechen. Wider Erwarten ging dieser darauf ein und bat den Mann zu sich. Was er und der Elf abseits aller Ohren während der Nacht beredeten, vermag ich nicht zu sagen, doch am nächsten Morgen verkündete Windischgrütz der versammelten Ritterschar, dass wir aufsitzen und uns bereit machen sollten, die Natter heute zu queren.

Das taten wir und alsbald stimmte der Elf einen Gesang an, den zu beschreiben mir die Worte fehlen, so zauberhaft umtönte uns der Klang des Liedes. Doch nicht nur auf uns wirkte diese Zaubermelodie. Vor unseren Augen erwuchs ein in allen Farben der Tsa schimmerndes Licht und streckte sich, bis es sich von einem Natterufer zum anderen als ein flacher Bogen spannte. Zuerst wunderten wir uns: Das Farbenspiel war zwar schön anzusehen, aber wie sollte es uns helfen? Da lenkte Herr Adhumar sein Ross zum Anfang des schimmernden Bogens und zum größten Erstaunen aller traten die Hufe nicht hindurch sondern fanden festen Halt! Langsam ritt er, bis er über der Mitte des Flusses den Scheitelpunkt der lichten Brücke erreicht hatte. Dort hielt er an und drehte sich zu uns um, die wir ausnahmslos mit offenem Munde wie die dumme Kinder Maulaffen feil hielten. Auffordernd schwenkte er das Igelbanner in seiner Hand und riss uns mit dem Ruf „Hartsteen für Hartsteen!“ aus unserer Starre. Einer nach dem anderen folgten wir ihm und erst als die letzten Streiter das südliche Natterufer sicheren Fußes erreicht hatte, verblasste der wundersame Glanz zusammen mit dem Verklingen des Zaubergesangs, und ebenso entschwand der Elf.

Wir dagegen waren ob des Erlebten voller Mut und Zuversicht: Nach all den schweren Monden des Verlustes und der Niederlagen schien uns dies ein Zeichen der Ewig Jungen für den Aufbruch in bessere Tage für das Feidewalder Land. Jedoch, es war nur ein kurzer Zauber und nicht dauernder göttlicher Segen, der auf uns lag. Neid, Missgunst und Geltungsdrang bahnten sich alsbald wieder ihren Weg. Die Intrigen der Zoltheims trugen Früchte und Herr Adhumar verlor kurz darauf mit der Gunst des Grafen auch seine Befehlsgewalt. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass wir mit Windischgrütz als Anführer die Hartsteener Farben weiter bis ins Wiesenschlösschen getragen hätten, anstatt diese dämliche Belagerung der Alberburg zu beginnen, für die wir weder die Zeit noch das Gerät verfügten. So nutzten unsere Schlunder Gegner die Atempause und stellten ein neues starkes Heer auf, das alle unsere Erfolge zunichte machte.

Was aber bleibt, ist die Erinnerung an den Tag, als zum ersten Mal seit über einhundert Götterläufen mit der Hartsteener Ritterschaft ein Heer Schlunder Boden betrat und dazu die Natter auf einem Tsabogen überquerte. Diesen Anblick wird keiner vergessen, der Zeuge war von - Adhumars Brückenritt.