Geschichten:Über Mythen und Legenden - Stippwitzer Blut

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Ort: Gut Stippwitz, Fürstentum Kosch, Boron 1048 BF

Die Kutsche holperte über den Kiesweg des Gutshofs Stippwitz, ihre Räder knirschten leise auf dem Untergrund. Als sie zum Stillstand kam, öffnete sich die schwere Tür. Baronin Iralda von Ochs trat hinaus.

Die kleinen Hände ihrer Zwillinge, Aldare und Hardane, glänzten klebrig von der Zuckerware, die sie während der Fahrt ungeniert genascht hatten. Über die Stufen der Kutsche huschten sie mit aufgeregtem Lachen, ihre Blicke voller Vorfreude auf das Wiedersehen.

Im Sonnenlicht eines äußert warmen Borontages wartete Gobrom zu Stippwitz auf der großzügigen Terrasse, in seinem Rollstuhl sitzend. Die Jahre hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, doch die Augen leuchteten, als er seine Enkelin erkannte. Noch bevor er ein Wort sagen konnte, eilte sie auf ihn zu.

„Großvater!“ Ihre Stimme war voller Freude, während sie sich hinabbeugte und ihn herzlich umarmte.

Ein leises Lachen entwich Gobrom, seine Hände ruhten schwer, doch sanft auf ihrem Rücken. „Kind, du hast dich nicht verändert.“

Aldare, die sich neben ihrer Mutter positioniert hatte, trat strahlend vor. Ihre Augen leuchteten vor kindlicher Begeisterung, und sie hielt ihrem Urgroßvater eine klebrige, mit Zuckerkristallen überzogene Zuckerstange hin. „Für dich, Uropa!“

Ein Schmunzeln huschte über das alte Gesicht. Mit behutsamer Geste nahm er die klebrige Süßigkeit entgegen und betrachtete das Mädchen liebevoll.

„So eine süße kleine Händlerin haben wir hier!“ sagte er amüsiert, seine Finger vorsichtig an der klebrigen Oberfläche haftend.

Im Gegensatz zu ihrer Schwester hielt sich Hardane zurück. Ihr Blick wanderte hinab zum Boden, als suche sie nach Worten oder Mut. Ohne zu zögern, streckte Gobrom eine Hand nach ihr aus.

„Komm, meine Kleine. Es würde mich freuen, wenn du auf meinem Schoß sitzt.“ Ein Anflug von Wehmut schlich sich in seine Züge, denn Hardane trug den Namen seiner verstorbenen Frau – eine Erinnerung, die niemals verblassen würde. Zögernd trat Hardane vor und ließ sich von Gobrom auf seine Knie ziehen. Ihre kleine Hand strich über das Leder seiner Armlehne. „Ich… habe auch ein Geschenk!“

Neugierig hob Gobrom eine Augenbraue. „Ach ja?“ Da sprang ein Garether Schlappohr auf die Terrasse. Seine Ohren wippten vergnügt, und er hechelte aufgeregt. „Balinor von Bärenherz“, erklärte Hardane leise. „Aus unserer Zucht.“ Gobroms Augen wurden weich. Er streckte langsam eine Hand aus, um das Tier zu berühren. „Ein prachtvolles Tier. Ich danke dir, mein Kind.“

Während das Kindermädchen Ederlinde die Zwillinge ins Haus führte, wandte sich Gobrom Blasius Eberwulf, seinem Großneffen, zu. Er ließ seinen Blick prüfend über den jungen Mann gleiten, als wolle er in dessen Gesicht lesen.

„Blasius, du hast deinen Ritterschlag erhalten. Ich beglückwünsche dich.“ Blasius neigte respektvoll das Haupt, während Gobrom ihn befragte. "Und nun? Ist es wirklich Dein Wunsch den Pfad abzubiegen?"

"Ich möchte, dass mein verstorbener Vater Roban Stolz auf mich wäre. Er hat das Kontor in Bärenau aufgebaut und es floriert. Ich möchte seinem Pfad folgen - dem Pfad des Händlers. So ihr mich lasst." Der Alte nickte stumm.

Als Zeichen, dass die weiteren Gespräche ihn nicht mehr betrafen, drückte Iralda ihm Balinors Leine in die Hand.

Sie trat an Gobroms Seite und schob vorsichtig seinen Rollstuhl ins Innere des Hauses. Die beiden begaben sich in die private Schreibstube.

„Haben deine Urenkel fleißig Briefe geschrieben?“ fragte Iralda neugierig, während sie sich setzte.

Gobrom nickte bedächtig. „Alle… außer Lechmin. Idamil kommt mich manchmal besuchen, die Hügelsaumer Senfmühle befindet sich nicht weit entfernt von meinem Gut.“

Iralda seufzte und lächelte gequält. „Ja, von Lechmin höre ich auch wenig. Sie ist mit ihrer Lehrmeisterin zu Studienzwecken in den Elfenlanden unterwegs. Magier eben.“

Ein Thema wich dem anderen.

„Und was ist mit Blasius? Lasst ihr ihn in den Spuren seines Vaters wandeln und werdet ihn ins Handelskontor nach Bärenau setzen?“

Gobrom nickte langsam. „Er ist klug, doch er braucht noch Anleitung. Savertin wird ihn eine Zeit lang in Angbar unterweisen. Dann kann er den nächsten Schritt gehen.“

Ein zufriedenes Lächeln huschte über Iraldas Gesicht. „Blasius hat ein hervorragendes Gespür für Zahlen. Er ist belesen und wird sich gut einfinden.“

Gobroms Lachen war leise, doch voller Zufriedenheit. „Ja, das zeigt das Stippwitzer Blut, trotz seiner ritterlichen Ausbildung. Ich dachte schon, das Blut seiner Greifenfurter Mutter hätte ihn auf einen anderen Weg geführt.“

Das Gespräch glitt weiter zu ihrem Bruder Alderan.

Alderan führt meine Amtsgeschäfte hervorragend. Die Baronie hat sich vollständig von den Kriegswirren erholt. Der Handel blüht, die Felder stehen voll, und der Getreideanbau bringt hohe Gewinne in Gareth.“

Nachdenklich lehnte sich Gobrom vor. „Alderan hatte schon immer ein Gespür für Geschäfte. Er könnte Nivesen ihre eigene Karenherde verkaufen.“

Ein herzliches Lachen entfuhr Iralda. „Oh ja, wir beide entsprechen wohl nicht dem Bild eines guten, konservativen Hartsteener Adeligen.“

Gobroms Augen blitzten belustigt. „Das ist das Stippwitzer Blut in euch. Nicht so engstirnig.“