Geschichten:Die Augen und Ohren Perlenblicks
Burg Perlenblick, Baronie Berthann, Ende Tsa 1046 BF
Hauptmann Jarin Leomar von Birkenbruch ging, bei einer Tasse Tee, die Berichte für seinen Herrn aufmerksam durch. Er genoss die frühen Stunden des Tages, waren es doch meist die einzig ruhigen, die er am Tage hatte. Während diesen Stunden genoss er den Ausblick aus seinem Schreibzimmer auf die nahegelegene Bucht und konnte sich lebhaft vorstellen, wie das Leben auf dem einstigen Sommerschloss der darpatischen Fürsten wohl so abgelaufen war.
Während er die Korrespondenz für den anstehenden Tag sortierte stieß ihm ein Bericht besonders ins Auge. Er kam vom Aufklärungsmeister Roderick von Isenbrunn und beinhaltete nur wenige Zeilen Text. Doch diese Zeilen, das erkannte der 1. Adjutant des Heermeisters, waren von äußerst interessantem Inhalt. Zufrieden strich sich Jarin über das frisch rasierte Gesicht und legte den Bericht beiseite. Seine Exzellenz würde sich sicherlich äußerst interessiert an diesem Schreiben zeigen.
Dorf Großforst, Baronie Bergthann, Ende Tsa 1046 BF
Corella von Großforst, die Landjunkerin zu Ochsenau, begrüßte ihren Onkel knapp jedoch freundlich. Der Burgvogt von Perlenblick erinnerte sie immer wieder an ihren Vater, der einst an der Gaulsfurt stritt und seinen Tod fand. Manches Mal vermisste sie ihn und seine bärbeißige Art. Zumal sie seit seinem Tod und ihrer Belehnung eine tiefe Leere in sich vorfand, die ihr die meisten Dinge versalzte und Corella gelangweilt in ihre Gedanken stürzte.
Gerbald von Großforst, seines Zeichens Burgvogt der markgräflichen Burg Perlenblick, war das genaue Gegenteil von ihr und ihrem Vater. Ein freundlicher Mann mit grauem Haarkranz, einem Wohlstandsbauch und immer neugierig auf neue Dinge. So hatte er vor einigen Jahren ein ausgiebiges Gespräch mit einem gewissen Junker aus Eslamsgrund geführt und war seitdem leidenschaftlicher, wenngleich erfolgloser, Rosenzüchter. Seit neuestem interessierte sich ihr Onkel für das Bierbrauen.
“Corella! Welch Freude dich zu sehen, warte ich habe dir etwas mitgebracht…”, Gerbald wandte sich den Satteltaschen seines Pferds zu, holte dort ein Päckchen heraus und überreichte es seiner Nichte. Die nahm es mit einem kurzen Lächeln entgegen und führte ihren Verwandten in das Gutshaus, während dieser bereits damit begann ihr von der Kunst des Bierbrauens zu berichten.
Drinnen angelangt setzten sich die beiden Großforster in das Wohnzimmer. “Nun, Onkel, erzähl mir doch was es so wichtiges gibt, dass du nicht in einem Brief besprechen möchtest?”. Corella kam schnell zum Punkt, sie wusste es war keine Frage des “ob” sondern des “wann” sie gelangweilt werden würde und damit gedanklich vollständig abgleiten würde.
Gerbald kratzte sich kurz am Kopf, dann lachte er auf, “ah stimmt! Ja es geht um dein Lehn! Oder besser gesagt, um deinen Lehnsherrn Zordan von Rabicum!”.
Des Landjunkerins Augenbrauen zogen sich überrascht nach oben. Was könnte ihr Onkel über diese Schlangenbrut wissen, das er mit ihr zu besprechen hatte?
“Du hast sicher mitbekommen, dass es um den ehemaligen Seneschall nicht sonderlich gut gestellt ist - freundlich ausgedrückt. Jedenfalls scheint dieser Umstand nicht nur Begehrlichkeiten am markgräflichen Hofe auszulösen sondern auch in der eigenen Baronie!”, platzte der Burgvogt förmlich heraus.
“Begehrlichkeiten in Bergthann? Onkel, wovon sprichst du?”, Corella blickte ihren Gegenüber fragend an.
“Im Norden der Baronie braut sich etwas zusammen, was genau weiß ich nicht - wurde mir nicht gesagt. Doch das was da kommt, wird die Familie Rabicum sicherlich unvorbereitet treffen und ihr einige Schwierigkeiten bereiten”. Er grinste beinahe wie ein kleiner Junge, der ein vermeintlich großes Geheimnis ausgeplaudert hatte.
Der Landjunkerin stand ihre Verwunderung in ihr Gesicht geschrieben. Sie hatte den Alten gar nicht als solch politisches Wesen eingeschätzt. Doch was genau war seine Intention? Wollte er einfach nur bei Tee über die neuesten Gerüchte und Geschehnisse der Region plaudern? “Was willst du damit ausdrücken? Dass wir uns dort einmischen sollen? Weshalb, wenn wir noch nicht mal wissen was genau dort geschehen soll?”.
Der Mann mit dem Haarkranz winkte verschlagen ab. “Natürlich werden wir uns nicht einmischen! Jedenfalls nicht aktiv, es steht eher die Idee im Raum, die Unruhen zu nutzen um mehr für das Landjunkertum herauszuholen! Wir mischen uns dort nicht ein und bereiten nicht noch mehr Probleme und im Gegenzug genießt das Junkertum einen weiteren besonderen Status innerhalb der Baronie!”.
Corella stutzte, dieser Plan war doch niemals bei den Zwölfen und ihren halbgöttlichen Kindern von ihrem Onkel ausgedacht worden! Das trug die Handschrift einer anderen Person, die viel bedachter, geplanter, ja militärisch könnte man sagen, vorging… Doch Corella gestand ein, dass es ein interessanter Gedanke war. So interessant, dass sie sogar ihre Langeweile vergaß, während sie mit Gerbald die Einzelheiten des Plans besprach.
| ◅ | Ein Gespräch unter vier Augen |
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Der Überfall | ▻ |