Geschichten:Der Abschied

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Im Praiostempel auf nördlich Burg Mardershöh, Tsa 1046 BF, um die Mittagsstund

Praiodane von Lichtensteig öffnete die Tür zur Sakristei und riss Orelan aus seinem Traum.

«Ihr seht schrecklich aus,» bemerkte die Praiosgeweihte, «habt ihr überhaupt geschlafen?», und brachte eine Wasserschale, Seife und Tuch mit.

«Ich habe euch auch lieb, euer Gnaden.» antwortete Orelan. Er wusste, dass sie die förmliche Anrede hasste. Sie strafte ihn denn auch mit einem Blick, den selbst Dämonen dazu veranlasste, von sich aus zurück in die Niederhöllen zu fahren, und knallte die Tür hinter sich zu.

Er wusch sich und trat dann in die Tempelhalle ein. Praiodane winkte ihm zu, ihr in die Privatgemächer zu folgen.

Dicht gedrängt am reich gedeckten Tisch waren sie alle wieder da. Auch seine jüngste Schwester, Alda Firunja von Leuenwald, die mit Bosper vermählt war, war anwesend.

«Ihr müsst hungrig sein,» brach Quisira heraus. «Mit Bergkäse überbackene Kartoffeln und Kalbsbratwürste an einer Zwiebelsauce, so wie ihr es mögt.»

Das Gericht mundete köstlich, alle unterhielten sich über vergangene Anekdoten, um den unweigerlichen Moment hinauszuzögern.

Orelan wurde ernst und blickte in die Runde. «Es ist an der Zeit, dass ich euch verlasse. Aber ich nehme euch im Herzen mit.» Praiodane stand umgehend auf und verließ schluchzend den Raum.

«Es wird ein weiter Weg nach Gareth. Ist mein altes Hab und Gut noch da? Ich kann kaum in den Farben der Mardershöh reisen.» fragte Orelan.

«Ja, ein Satz Kleidung von euch ist noch eingelagert.» antwortete Bosper und mit einem verschmitzten Lächeln ergänzte er, «Und da wartet noch jemand im Stall auf euch.»

«Rabe hat überlebt?» schlug sich Orelan an die Stirn. «Ist mein Schwarzer da?»

«Ja, natürlich. Er war ganz abgemagert von selbst zurückgekehrt», antwortete Bosper. «Seit eurem Verschwinden hielten wir ihn nur auf der Weide, niemand wagte, sich auf seinen Rücken zu setzen. Er hätte es auch nicht zugelassen.»

Nun wandte sich auch Alda an Orelan. «Du musst unbedingt auch zu unserer Mutter reisen. Sie hat es sehr schlecht aufgenommen, dass nun auch ihr zweiter Sohn tot sein soll. Sie ist auch nicht mehr die Jüngste.» Und sie drückte ihn lange und innig.

Quisira räusperte sich. «Da wäre noch etwas. Wir haben euer restliches Hab und Gut nach Meilersgrund geschickt. Nicht, dass es sich der Borstenfelder noch unter den Nagel reissen kann. Ich habe mir zudem erlaubt, euer Hab und Gut in Gold in einen Wechsel der Nordlandbank umzutauschen. Ich habe diesen hier in den Umschlag gesteckt. Was immer ihr auch machen werdet, es wird euren Start erleichtern. Und zu guter Letzt: Barnhelm von Rabenmund hat euch in seinem Testament mit einem Ausrüstungsgegenstand bedacht. Die Kiste ist ebenfalls in Meilersgrund.»

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Es war alles gepackt, der Stallbursche hatte das Ross von Orelan gesattelt. Rabe hatte seinen Herrn stürmisch begrüßt, und sein Wiehern und Scharren mit den Hufen zeigte, dass er sich auf die bevorstehende Reise freute.

Orelan verabschiedete sich mit Wehmut von seiner Schwester und seinen Freunden, und es schmerzte ihn sehr, dass Praiodane nicht da war. «Sagt dem Sturkopf, dass ich sie liebe. Aber wir sind einfach nicht füreinander bestimmt, nicht in diesem Leben. Tief im Innern wird sie es wissen. Schaut bitte gut zu ihr.»

Dann wendete sich Orelan ab, um davon zureiten. Er hielt sein Streitross nochmals zurück und drehte sich um. «Bei Praios verspreche ich euch: Falls ich jemals wieder ein Lehen erhalten sollte, dann hole ich euch zu mir. Natürlich nur, wer das möchte.» Dann gab er Rabe die Sporen.

Nachdem er unten am Burghügel angelangt war, sah er nochmals zur Mardershöh hinauf. Würde er jemals wieder die trutzige Burg und die umliegenden Berge jemals wiedersehen? Mit Wehmut wollte sich er sich abdrehen, da entdeckte er Praiodane auf einer Zinne nahe des Praiostempels stehend. Er winkte ihr ein letztes Mal zu.