Garetien:Reichsforster Gemüter

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Impressionen aus Reichsforst

Auf ihrem Weg werden manche der Fahrenden die überraschende Wehrfähigkeit der ansässigen Weiler und Höfe bemerken. Dies rührt zum einen daher, daß der Schock, welcher der Orkensturm vor etlichen Jahren verursacht hatte, bis heuer nicht verglommen ist.

Zum anderen schützen sich insbesondere die Bürger Lurings so vor möglichen Eskapaden des Grafen, der dort zwar seinen Sitz, aber nur eingeschränkte Macht hat, ist doch Luring als Reichsstadt alleine dem Kaiser untertan.

Obendrein verfügt diese Stadt über ein Stapelrecht. So ist ein jeder durchreisende Handelsmann auf seinem Weg gen Gareth verpflichtet, seine Waren für die Dauer eines Tages den Bürgern der Stadt feilzubieten. Dabei wird Wucherei streng geahndet. Auf diese Weise können die Bürger fern der Metropole jederzeit die fremdartigsten Waren erwerben, ohne ins ferne Gareth reisen zu müssen. Solcherart hat sich ein starkes städtisches Eigenbewußtsein entwickelt, das die Vorsteher der Zünfte und Gilden zu einer machtvollen Gemeinschaft zusammen geschweißt hat. Der Einfluß dieser Patrizierfamilien auf die regionale Politik nimmt jedoch derart zu, daß es schon des öfteren zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem alten Adel und den aufstrebenden Bürgern gekommen ist.

Um ihre Distanz zum degenerierten Adel zu wahren und ihm gleichzeitig einen schmerzhaften Stich zuzufügen, ziehen es die reichen Häuser neuerdings vor, ein "van" in ihrem Namen zu tragen. Auch durch ihre Kleidung - nicht selten kostbarer als ein Graf es sich leisten könnte - zeigen sie offen ihre Mißachtung jedweder Etikette, was einen endlosen Quell neuer Querelen bildet.

In diesem Punkt erhält die reichsforster Edlenschaft Unterstützung seitens der ansässigen Klöster der gutherzigen Mutter, die sich als Sittenwächter und Lehranstalt höherer Töchter und Söhne verstehen. Diese wettern stetig und mit Vehemenz wider manch eine unartige Schleppe, einen nicht standesgemäßen Rock oder unsittliche Beinkleider. Erst jüngst errangen sie einen kleinen Sieg, als Hochwohlgeboren von Luring nach längerem Drängen eine modische Kopfbedeckung, die "so ganz und gar verdorben war", als Arbeitskleidung der hiesigen Baderzunft vorschrieb. Damit war es jeder Bürgersfrau unmöglich, auf offener Straße diese "Dirnenhaube" zu tragen, stehen doch die Bader im Ruf auch rahjagefällige Gelüste zu befriedigen.

Obschon letztgenannte Zunft verpönt ist, erfreuen sich gerade die Badehäuser immer regeren Zulaufs. Nirgends sonst vermag man die Mühsal des Alltags besser zu vergessen als in den warmen "Reichsforster Bottichen" voll duftender Parfums, wohlriechender Öle und vielversprechenden Schönheitstinkturen. In Samlor zum Beispiel, jener uralten Stadt in den Ausläufern der Rakulahöhen, kann der wohlhabende Gast in heißen Thermen seine verspannten Muskeln lockern, in klaren Quellen kaltes Wasser treten oder mit wechselwarmen Wassergüssen sein Blut in Wallung versetzen lassen. Die Bäderkuren werden ergänzt durch heilkräftiges Wasser, das in der gesamten Gegend als rostrotes prickelndes Quellwasser genossen wird, und dabei säuerlich schmeckend von Magendruck durch herzhaftes Rülpsen befreit.

Hat man seinen Geist und Körper gereinigt, so hegt man sicherlich den Wunsch nach frisch gewaschener Kleidung. Diese gibt man vor dem Bade in den Hinterhöfen der ärmeren Familien ab. Dort walken Frauen in großen Trögen die edle Wäsche. Oft sieht man zudem Kinder sandgefüllte Fässer über die Höfe rollen. In diesen werden die matten Rüstungen wieder blank gescheuert, bevor sie mit Tüchern poliert werden.

Etliche jener Kinder träumen davon, die Gunst einer guten Fee zu erlangen., seien es Birkenmaiden, Eichelkönige, oder zierliche Windchen. Letztere sind von menschlicher Gestalt, und eingehüllt in einen weichen Flaum, der sie wie den Samenfaden eines Löwenzahnes erscheinen läßt.

Windchen © Ch. Jeub

Pustet nun ein Menschling mit geschlossenen Augen die Samen einer reifen Löwenzahnblüte in alle Winde, kann es passieren, daß sich ein Windchen unter den Fäden tummelt und ihm einen Herzenswunsch erfüllt.

Dutzende hoffen auch auf die Fürsprache jener winziger Wasserbewohner, welche die klaren Seen, die man hier Maare heißt, bevölkern sollen. Diese Maarwichtel bewohnen kleine, im Schilf der seichten Ufer versteckte Erdhöhlen. Nur winzige Luftblasen, die aus den zierlichen Kaminen aufsteigen, lassen die Lage der Höhlen erahnen. Die Eingänge sind jedoch nur zu geheimen Zeiten einen winzigen Spalt breit offen. Lediglich wenige Alte können daher davon berichten, daß sie mal jemanden gekannt haben, der von jemandem wußte, welcher einst einmal zu Gast bei einem Maarwichtel gewesen sein soll. Hüten sollte man sich vor übereifrigem Ehrgeiz beim Suchen nach den Erdhöhlen, da schon manch ein vorwitziger Schwimmer von den bösartigen Tiefenwirlingen in den bodenlosen Schlund der Maare gezogen worden ist.

Am Ostufer des Luringer Maares, dem größten See der Grafschaft, treffen sich in der Nacht zum ersten Rahja alle Kinder der Umgebung, um die Holden zu beschenken. Dazu lassen sie kleine Schiffchen aus Birkenrinde, Moos und Leinensegeln auf die ruhige Wasserfläche gleiten. Die Fahrt dieser mit Dutzenden Talglichtern erhellten und mit innigen Wünschen gefüllten Feenschiffe wird voller Spannung verfolgt

Ein anderer Ort, an welchem man wundersame Feenwesen zu erblicken vermag, ist das hügelige Quellgebiet der Rakula. Hier huschen in den lauen Rahjanächten mannigfaltige Irrwichtel und Blütenjungfern zwischen bizarren Felsformationen umher. Viele Sagen und Überlieferungen ranken sich denn auch um diese Höhen.

So kennt man die Mär vom leidenden Trollkönig, der weiland eigens zum Baden in den wohltuenden Thermen einen Palast errichtet haben soll, just an der Stelle, wo sich heuer der Ort Samlor befindet. Davon künden indes nur mehr die breiten Fundamentemauern, die manch ein Bauer beim Pflügen seines Feldes findet. Woher jedoch die geheimnisvollen Menhire und Hinkelsteine stammen, die mancherorts in Form eines Kreises stehen, vermag niemand mehr zu deuten, und nur selten besuchen die Bauern der Umgebung diese verwunschenen Ecken.

Viele sinistre Gestalten huschen denn auch des Nachts zwischen den unheimlichen Felstrümmern umher und betreiben dunkle Rituale, die das Licht des Herre Praios scheuen. Vor all diesen arkanen Vagabunden warnte erst jüngst wieder seine Hochwohlgeboren von Luring, und die Untertanen des Grafen unterstützen den harten Kurs gegen jedwede Schwarzmagie. So mußten schon einige Kräuterfrauen und Hebammen, die man ( irrtümlicherweise ?) der Hexerei beschuldigte, das Land verlassen, um ihr Leib und Leben zu retten.

Für Leibgrimm und sonstige Krankheiten vertraut der hiesige Landmann ohnehin lieber auf die fachkundigen Hände eines studierten Medikus. Dessen Mahnungen werden ehrfürchtig gelauscht und die Anweisungen penibel befolgt. Bei manch einem Zipperlein reicht es alleine aus, wenn der gelehrte Mann einige sonderbare Geräte auspackt, kurze Sätze in einer geheimnisvollen Sprache spricht und schließlich mit mahnend erhobenen Finger die sonderbarsten Therapien verordnet. Wen wundert es, daß sich gerade unter dieser Profession etliche Scharlatane und Nepper mischen, die die gutgläubigen Bauern mit allerlei Hokuspokus und wichtigtuerischem Gefasel beeindrucken, nur um an das wenige Geld zu gelangen.

Die Geweihtenschaft der Peraine kann diesem Treiben nur ohnmächtig zusehen, ist doch ihre Aufgabe - nach Meinung der ansässigen Bauern - weniger die Pflege der Kranken und Siechen, als vielmehr die Wacht über die reichhaltigen Ernten und der Erhalt der steten Gunst der "gütigen Landfrau". Dazu werden über das Jahr verteilt eine Reihe von Andachten und Feiern gehalten. Vom Saatfest Anfang Peraine, über die Weihfeste der hiesigen Windmühlen im Sommer, bis zum Fest der eingebrachten Feldfrüchte, dem Hochfest des Jahreszyklus, mit der abschließenden Segnung der Kornspeicher. Diese Feiern sind die Eckpunkte des dörflichen Lebens und nur an diesen wenigen Tagen können die Bauern für eine kurze Weile die Mühsal des Alltags vergessen.

Die dreitägigen Feiern zum Abschluß der Erntezeit werden mit dem rituellen Verbrennen des Baummannes beendet. Dazu wird das Reisig und der weiland angefallene Zuschnitt aller Apfelbäume in der Mitte des Dorfes mit viel Eifer zur Form eines Männleins aufgeschichtet und angezündet. So werden die heiligen Zweige in einem Funkenregen der gebenden Göttin geopfert. Die angefallene Asche wird am folgenden Tag auf den Feldern verstreut.

Der wichtigste Gast neben dem Geweihten ist dabei der Gesandte des Barons, der als "Kornvogt" über die richtige Einlagerung wachen muß, auf daß das Getreide nicht vor seiner Zeit schlecht wird. Zudem führt er Buch über die erbrachten Erträge, und die so zu erwartenden Abgaben an seinen Herrn.

(Ch. Jeub)


Ein Held aus Reichsforst

Für einen Helden aus Reichsforst bieten sich vor allem ein stolzer Vertreter des Ritteradels oder eine handwerklich orientierte Profession an. Es gibt zahlreiche Prospektoren, Gesteinskundige, Viehzüchter, Flussfischer, Flößer, Bauern und Jäger, aber auch Gelehrte gerade auf den Gebieten der Heilkünste in der Region. Auch ein mysteriöses Mitglied eines Steinkreiszirkels in den Rakula-Höhen wie ein Druide, eine Hexe oder ein Levthansjünger wäre möglich. Generell ist den Reichsforstern ein Hang zum Traditionalismus, aber auch eine gewisse Weltoffenheit zueigen, da man sich zur Hauptaufgabe gemacht hat, auch seinen stetigen Teil für die Ernährung der Kaiserstadt zu geben – wer sollte einem den Drang, einmal im Leben in die große Stadt (und vielleicht auch darüber hinaus) zu kommen, schon abreden können?