Benutzer:Robert O./Briefspiel

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Unruhige Zeiten

Kapitel 7

Ende Tsa 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, südlich von Ettingen

„Worauf warten wir!“ Ritter Wulfhelm hatte seine Kriegslanze zur Hand und ließ sein Ross tänzeln.

„Keine Chance! Sie sind uns haushoch überlegen.“ Hagen von Rallerau blickte den Hügel hinab auf die starke Vorhut des Feindes. „Wir können sie niemals zurückschlagen.“

„Sie dürfen die Pfalzgräfin und ihre Tochter nicht kampflos in die Hände bekommen. Das verbietet uns unsere Ehre als Ritter!“

„Aber sie ist die Pfalzgräfin. Die Kaisermärker werden es nicht wagen ihr auch nur ein Haar zu krümmen. Der Hardt wird ein Lösegeld zahlen und alles ist gut.“

„Ich habe in der Wildermark und in den letzten Monden zu viel gesehen, um noch an die unbedingte Ritterlichkeit der Fehdeparteien zu glauben…“

„Deswegen werde ich mein Leben und das meiner Leute trotzdem nicht wegwerfen“, unterbrach ihn der Rallerau rüde.

„Ihr seid Soldat“, meinte Wulfhelm mit kaum verborgener Verachtung, „von Euch erwarte ich weder Ehre noch Ritterlichkeit. Aber ich sehe hier genügend Reichsforster Ritter, von denen ich glaube, dass sie das Erbe von Danos dem Ritterlichen im Herzen tragen.“

„Ihr könnt reden, soviel Ihr wollt, Ihr werdet die Kutsche nicht mehr rechtzeitig erreichen.“

„Dann werden wir sie eben zurückerobern müssen. Oder zur Not an ihre Ehre appellieren, in der Hoffnung, dass die Kaisermärker noch nicht vergessen haben, was das ist. Doch ohne unser Eingreifen fürchte ich um Ehre und Leben der Pfalzgräfin und ihrer Tochter.“

„Ich werde den Befehl trotzdem nicht geben“, meinte Hagen trotzig. „Das wäre Selbstmord! Ich werde des Pfalzgrafen Garde nicht sinnlos verheizen.“

„Keine Sorge, ich komme sehr gut ohne Eure Befehle aus.“ Wulfhelm löste sich aus der Formation und wendete sein Pferd zehn Schritt vor der Linie, um zu den wartenden Rittern zu sprechen. „Wer begleitet mich?“

Am Ende der Reihe löste der junge Gerion von Sturmfels und trieb sein Ross neben Wulfhelm. Der ältere Ritter nickte seinem ehemaligen Knappen respektvoll zu und blickte dann erneut über die Reihe der Reichsforster. Der ein oder andere hatte noch so viel Anstand betreten zur Seite zu blicken, doch gesellte sich keiner mehr zu den beiden Greifenfurtern.

„Ein halber Götterlauf Fehde und ihr habt vergessen was Ritterlichkeit und Ehre bedeuten? Dann sei es so.“ Energisch wendete er sein Pferd und hielt mit Gerion auf die Weggabelung zu, an der die pfalzgräfliche Kutsche gerade von der kaisermärkischen Vorhut angehalten wurde.

Kapitel 8

Ende Tsa 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, Wegkreuzung zwischen Radeberg und Ettingen

Wulfhelm und Gerion benötigten fast fünf Minuten, um über den verschneiten Weg zur Kreuzung zu gelangen. Endlich angekommen sahen sie, dass die Kutsche von einem Dutzend Spießknechten umstellt worden war. Zwei Söldlinge mit Armbrüsten standen ein paar Schritt entfernt neben einem großen barhäuptigen grau-blonden Ritter in Plattenrüstung und hatten auf die Kutsche angelegt.

„Im Namen des Pfalzgrafen Udilbert von Hardt, gebt den Weg frei!“ Die Kutscherin mit dem Randersburger Wappenrock hatte sich auf dem Kutschbock erhoben und die Hand unerschrocken auf den Griff ihres Kurzschwertes gelegt.

„Das hier ist keine Reichsstraße“, knurrte sie der Ritter ungehalten an, „und wir befinden uns nicht auf der Pfalz Randersburg. Das hier ist Reichsforster Boden und mit denen liegen wir in Fehde. Du bist also gut beraten, wenn du brav von deinem Bock heruntersteigst und die Waffe streckst, bevor ich die Geduld mit dir verliere.“

„Das Land und die Straßen hier gehören zu den Ländereien der kaiserlichen Pfalz! Ihr mögt aus der Kaisermark kommen, aber Ihr habt kein Recht uns mit Gewalt anzuhalten!“

„Holt sie herunter!“

„Diese Ländereien gehören der Kaiserin! Wenn der Pfalzgraf das erfährt, kommt ihr vor das Reichsgericht und…“

Eine Sehne surrte und ein Bolzen drang durch das linke Auge der Kutscherin in ihren Schädel. Die Wucht des Geschosses riss sie nach hinten. Sie war tot, bevor sie noch auf das Dach der Kutsche prallte und langsam daran herabglitt. Der knöchelhohe Schnee ließ ihren Aufprall auf dem Weg dumpf klingen.

„Nein!“

Die beiden Greifenfurter waren auf fast zwanzig Schritt herangekommen. Die Kaisermärker hatten sie nicht bemerkt, da der Schnee das Hufgeklapper ihrer Pferde gedämpft hatte. Bei Wulfhelms Aufschrei fuhr der zweite Schütze erschrocken herum und ließ seinen Bolzen fliegen. Mit geübten Reflexen zog Wulfhelm seinen Schild nach oben und ließ das schlecht platzierte Geschoss abprallen. Fast gleichzeitig schlug der Panzerhandschuh des Kaisermärker Ritters im Gesicht des Schützen ein und schickte diesen benommen zu Boden.

„Auf diese beiden zu schießen habe ich nicht befohlen!“, schnauzte er den am Boden liegenden Soldaten an. Wenn er vom Auftauchen der Greifenfurter überrascht war, so ließ er es sich nicht anmerken. Offensichtlich fühlte er sich mit einem Dutzend Spießknechten im Rücken sehr sicher.

„Wer seid ihr und was ist euer Begehr?“ So selbstsicher, als stünde er auf der Schwelle seines Gutes, baute sich der großgewachsene Kaisermärker auf der Mitte der Straße mit in die Hüften gestemmten Fäusten auf. Er strotze vor Kraft, doch die tiefen Falten in seinem Gesicht und die vielen grauen Strähnen zwischen seinen blonden Haaren verrieten Wulfhelm, dass sein Gegenüber bereits auf sein sechszigstes Lebensjahr zugehen mochte.

„Mein Name ist Wulfhelm von Keilholtz, Ritter zu Kressenburg, und ich fordere Euch auf mir die Kutsche, samt der Insassen sofort zu übergeben. Wir haben den Auftrag sie zur Pfalz Randersburg zu eskortieren und bei Rondra, das werden wir tun! Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt eine Kutsche mit dem Wappen den Pfalzgrafen auf pfalzgräflichen Boden zu überfallen?“

Sonnwin von Ehrenbrecht, Ritter zu Askheim.“ Er kannte weder die Familie Keilholtz, noch das Lehen Kressenburg, ließ sich aber auch davon nicht beirren. „Ich befehlige die Vorhut der kaisermärkischen Truppen, die gekommen sind, um euch streitsüchtige Reichsforster zu befrieden.“

„Ich bin kein Reichsforster, Ritter Sonnwin, sondern Greifenfurter. Doch habe ich meine eigenen Gründe in diesen Zeiten für Graf Drego zu streiten. Hier und jetzt aber bin ich zufürderst Ritter und folge den Geboten, welche mein Schwertvater mich lehrte. In Rondras Namen fordere ich Euch also erneut auf, mir die Kutsche, samt der Edeldamen darin, unverzüglich zu übergeben, damit ich sie zur Pfalz Randersburg geleiten kann.“

„Ihr seht, Ritter Wulfhelm, auch ich bin ein Rittersmann und nur zu geneigt, Eurem edlen Ansinnen stattzugeben. Zumal Ihr es furchtlos und unerschrocken im Angesicht einer erdrückenden Überzahl äußert.“ Sonnwin neigte für einen Moment respektvoll den Kopf. „Allein widerspricht dies meinem Auftrag, niemanden durch unsere Reihen schlüpfen zu lassen, der irgendwelche Informationen über unser Vorgehen weitertragen könnte. Ihr seht also, wir befinden uns in einem Dilemma.“

„Ich werde nicht weichen, bis meine Forderung erfüllt ist!“ Wulfhelm verlieh seiner Stimme alle Festigkeit, zu der er fähig war, wusste er doch, dass der ungleiche Kampf gegen ein Dutzend Spießknechte und Armbrustschützen für ihn und Gerion den sicheren Tod bedeuten würde.

„Wohlan“, sprach da Ritter Sonnwin, „dann möge Rondra entscheiden. Ritter Wulfhelm, ich fordere Euch zu einem Kampf auf das dritte Blut, sodass niemand hernach von uns sagen kann, wir hätten unseren jeweiligen Auftrag nicht bis zum Ende verfolgt!“

„Ihr gebt Euren Vorteil ohne Not auf, Sonnwin von Ehrenbrecht“, sprach Wulfhelm bedächtig, „und das gereicht Eurem Namen zu Ehre. Ich bitte Euch jedoch noch um eine weitere Sache. Sollte Rondra Euch den Sieg schenken, so gestattet Ritter Gerion von Sturmfels“, er deutete auf seinen Begleiter, „meinen Leichnam und meine Habe zurück zu meiner Familie zu bringen. Wie gesagt, ich stamme nicht von hier und wünsche mir, in heimatlicher Erde begraben zu werden.“

„Diesen Wunsch will ich Euch gerne gewähren, Wulfhelm von Keilholtz. Sollte ich siegen, soll euer Gefährte frei sein zu gehen und Euch und Euer Habe mit sich nehmen. Doch nur unter der Bedingung, dass er hernach das Königreich Garetien auf dem schnellsten Wege verlässt und seine Grenzen erst wieder überschreitet, wenn diese Fehde offiziell begraben worden ist. Diese Bedingung muss ich stellen, damit meinem Auftrag genüge getan ist.“

„Es sei!“, antwortete Gerion ohne zu zögern und schlug sich mit der zur Faust geballten Schwurhand vor die Brust.

„Sehr gut. Dann will ich Euch, Ritter Wulfhelm, bei meiner Ehre und vor Rondra den Schwur geben, dass Ihr, sollte Rondra Euch gewogen sein und sie mich am heutigen Tage an ihre Tafel ruft, frei seid zu gehen und Euren Auftrag für den Pfalzgrafen auszuführen.“ Er wandte sich an eine der Spießknechte mit den Rangabzeichen einer Weibelin. „Frigida, Ihr erhaltet hiermit den Befehl, Ritter Wulfhelm und Ritter Gerion samt der Kutsche und der Personen darin ziehen zu lassen, sollte er mich im Zweikampf besiegen. Habt Ihr mich verstanden?“

„Ja, Euer Wohlgeboren.“ Die Anführerin der Söldlinge nahm den Befehl mit verkniffenen Gesicht entgegen und gab ihren Leuten dann ein Zeichen, die Weggabelung zu räumen, damit die Ritter Platz hatten ihr Duell auszutragen.

Kapitel 9

Ende Tsa 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, Wegkreuzung zwischen Radeberg und Ettingen

Sonnwin ging mit langen Schritten zu seinem Ross, welches etwas abseits von einer jungen Frau in Lederrüstung festgehalten wurde. Er nahm den auf dem Sattelknauf abgelegten Schaller und befestigte die Riemen mit ein paar schnellen geübten Handgriffen, bevor er schwungvoll einen Zweihänder aus der am Sattel befestigten Scheide zog. So gewappnet baute er sich in der Mitte der Kreuzung auf und wartete.

Wulfhelm übergab nun seinerseits Lanze und Zügel an Gerion und stieg ab. Während er auf Sonnwin zuschritt zog er sein Langschwert, küsste das Heft und blieb schließlich fünf Schritt vor dem Kaisermärker stehen. Der Greifenfurter schlug zweimal mit der flachen Seite des Schwertes gegen seinen Schildbuckel, um zu signalisieren, dass er bereit war.

Sonnwin wartete zwei Herzschläge und startete gleich mit einem überraschenden Ausfall. Er zog seinen Zweihänder mit Schwung von unten voll durch und hätte Wulfhelm wohl das Standbein abgetrennt, wenn dieser nicht gedankenschnell zur Seite gesprungen wäre. Der Keilholtzer war einen Moment überrascht von der Kraft und Schnelligkeit des deutlich älteren Ritters. Offensichtlich hatte sich die Last des Alters sich trotz der fast völlig ergrauten Haare noch nicht auf den Körper des Ehrenbrechters gelegt. Dieser ließ dann auch keinen Moment nach, sondern erkannte sofort seinen Vorteil. Mit schweren Hieben trieb der Kaisermärker Wulfhelm vor sich her, der wiederum kaum zu Atem kam und ein ums andere Mal gezwungen war die harten Schläge recht unelegant mit seinem Schild abzufangen. Bald flogen die ersten Holzspäne in den niedergetrampelten Schnee. Nach gut zwei Dutzend Schlägen hielt Sonnwin kurz inne, um durch zu schnaufen. Er lächelte, denn er erkannte sehr wohl, dass er deutlich im Vorteil war. Nicht nur gab ihm der Zweihänder einen Reichweitenvorteil, auch war er gut einen halben Kopf größer als der Greifenfurter, was es ihm ermöglichte seine gefährlichen Hiebe von oben herab noch effektiver einzusetzen. Der Keilholtzer hatte dagegen nur ein paar schwache ungezielte Konter setzen können, die kaum Beulen in der Plattenrüstung hinterlassen hatten.

Wulfhelm nutze die kurze Verschnaufpause, um seine Situation zu überdenken. Ein Blick auf den Schild verriet ihm, dass dieser vielleicht noch ein oder zwei der mächtigen Hiebe Sonnwins überstehen würde. Wenn er den Kampf nicht schnell beendete, würde er diesen Schutz also bald verlieren. Ohnehin war er mit seinem Kettenhemd deutlich leichter gerüstet als sein Gegner. Aber das machte ihn auch wendiger. Zudem war der Boden rutschig, an manchen Stellen war die Wagenspur unter der dünnen Schneeschicht vereist. Wenn es ihm jetzt noch irgendwie gelang den Reichweitenvorteil seines Gegners auszugleichen, könnte er den Kampf vielleicht doch gewinnen.

Bevor er den Gedanken ganz zu Ende gebracht hatte, griff der Kaisermärker wieder an. Unter dem Johlen der Söldner, die den baldigen Sieg ihres Kämpfers witterten, trieb er Wulfhelm wieder vor sich her. Dieser mühte sich den Schlägen nur noch auszuweichen oder mit dem Schwert zu parieren, um den lädierten Schild zu schonen. Plötzlich aber erkannte der Greifenfurter seine Chance. Als Sonnwin für einen besonders kraftvollen Hieb weit ausholte, machte der Keilholtzer sich extra klein und sprang geduckt und den Schild voran in den Schlag hinein. Der Einschlag war erwartet heftig und Taubheit breitete sich fast sofort im Schildarm aus. Wulfhelm hörte Holz brechen und Metall knirschen. Doch er hatte sein Ziel erreicht. Er war an Sonnwin herangekommen. Nun nutze er seinen Schwung für einen niedrig geführten Rückhandhieb gegen das Standbein seines Gegners. Wieder knirschte Metall auf Metall. Wulfhelm spürte wie unter seinem Schlag etwas nachgab und hörte den überraschten Aufschrei Sonnwins. Als er sein Schwert zurückzog, war die Klinge rot.

Der Kaisermärker humpelte ein paar Schritte zurück und stieß einen Fluch aus, als versuchte er das verwundete Bein stärker zu belasten. Wulfhelms Klinge hatte die Beinschiene seitlich gespalten und war tief in die rechte Wade eingedrungen. Wieder besah sich der Keilholtzer seinen Schild. Der obere Teil war völlig zerstört und in diesem Zustand war er ihm mehr eine Last als von Nutzen. Er löste mit den Zähnen die Riemen, mit denen der Schild an seinem Arm befestigt war. Dabei sah er, dass einige der Bruchstücke rot verfärbt waren. Offensichtlich hatte der zuvor beschädigte Schild die Kraft des letzten Schlages nicht mehr komplett auffangen können. Wulfhelm spürte den Schnitt nicht, da der Unterarm noch immer von der Wucht des Schlages betäubt war. Für den Moment war er nicht traurig darum. Der Schmerz würde später kommen.

Diesmal wartete Sonnwin auf den Angriff des Greifenfurters, der damit begann seinen Gegner langsam zu umrunden, ohne dabei in Reichweite des Zweihänders zu gelangen. Wulfhelm wusste nur zu gut um den Vorteil, den er jetzt hatte. Zwar war er nun ohne Schild, doch dank der Verletzung des Kaisermärkers und seiner eigenen erhöhten Beweglichkeit, waren seine Aussichten deutlich besser als noch zu Beginn des Kampfes. Der Keilholtzer begann schneller um seinen Gegner zu kreisen und schlug immer wieder Finten die einzig dem Zweck dienten Sonnwin zu ermüden. Dieser biss die Zähne zusammen und stöhnte doch immer wieder auf, wenn er sein verwundetes Bein belasten musste. Der Schnee um ihn herum war bald tief rot gefärbt. Schmerz, Blutverlust und Erschöpfung machten ihn allmählich mürbe und der Ehrenbrechter spürte, dass er das Spiel des Greifenfurters nicht mehr lange überstehen würde. Immer langsamer wurden die Bewegungen und die Reaktionen auf die Finten des Keilholtzers waren fast träge. Sonnwin musste alles auf eine Karte setzen. Mit einem Aufschrei stürmte er noch einmal voran, um Wulfhelm wie zu Beginn des Kampfes mit einem Ausfall zu überraschen. Allein es fehlte ihm inzwischen an der nötigen Kraft und Schnelligkeit. Der Greifenfurter ließ den Zweihänder an seinem Langschwert abgleiten und zog mit dem Gegenschlag seine Klinge kraftvoll quer über den Brustpanzer des Gegners. Zwar konnte der Hieb das Metall nicht durchdringen, doch der Kaisermärker spürte wie ihm die Luft wegblieb, als mindestens zwei Rippen unter der Wucht des Schlages nachgaben und sich nach innen in sein Fleisch bohrten. Mit einem Mal schien sich die Welt zu drehen und er spürte Blut zwischen den Lippen, das beim Atmen aus der Lunge emporquoll. Verzweifelt sah er sich nach Wulfhelm um.

Dieser stand abwartend ein paar Schritt entfernt und beobachtete jede Bewegung seines schwer verwundeten Kontrahenten genau. Würde er vor Entkräftung zusammenbrechen, oder einem waidwunden Eber gleich einen letzten gefährlichen Angriff starten. Letzteres war der Fall und Wulfhelm war darauf vorbereitet. Als Sonnwin seine schwere Klinge behäbig über den Kopf hob, um sie auf den Keilholtzer niederfahren zu lassen, stürmte dieser vor und stieß kraftvoll mit dem Schwert zu. Einen Moment schabte wieder Metall auf Metall, dann fand seine Klinge eine Lücke zwischen den Panzerplatten.

Tief drang die Spitze von unten in die linke Achsel des Kaisermärkers und nur der Schulterpanzer verhinderte, dass sie oben wieder austreten konnte. Mit einer seitlich schneidenden Bewegung zog der Greifenfurter das Schwert wieder heraus. In einem breiten hellroten Strahl ergoss sich das Blut des Ehrenbrechters in den aufgewühlten Schnee. Mit einem Ächzen ging Sonnwin in die Knie. Für einen Moment gelang es ihm sich auf seinem Schwert abzustützen. Sein Blick suchte Wulfhelm, doch ging er nur noch ins Leere. Dann verloren die Hände den Halt. Tonlos kippte der Ritter von Askheim vornüber und begrub scheppernd seine Waffe unter sich.

„Dea lo vult“, sprach die Anführerin der Spießknechte lakonisch und nickte Wulfhelm anerkennend zu. „Rondra muss heute ohne Zweifel ein Auge auf Euch geworfen haben.“ Mit einem Handzeichen ließ sie ihre Leute antreten und gab die Straße gen Firun in Richtung Ettingen frei. Die beiden Schützen hoben indes den toten Ehrenbrechter recht unzeremoniell auf und banden ihn bäuchlings auf sein Pferd, das durch den Blutgeruch plötzlich sehr nervös wurde.

Wulfhelm trat indes auf die Kutsche zu, deren Tür sich nun öffnete. Eine junge, spröde wirkende Frau stieg aus und schloss die Tür sogleich wieder hinter sich. Der Greifenfurter erkannte die Tochter des Pfalzgrafen und verbeugte sich leicht.

„Habt Dank, Ritter Wulfhelm. Meine Mutter und ich haben alles mit angehört und gesehen. Bitte nehmt unseren aufrichtigen Dank entgegen. Wir werden diesen Dienst nicht vergessen.“ Quelina von Hardt blickte sich um und entdeckte die Leiche der Kutscherin. Sie sog einmal scharf die Luft ein, als sie deren zerstörtes Gesicht sah, fand aber sofort die Fassung wieder. „Wollt Ihr mir wohl helfen? Grimwalda war eine treue Seele und verdient es nicht hier in der Wildnis zu verrotten.“

„Natürlich, Hohe Dame.“ Wulfhelm spürte plötzlich, wie die Anspannung des Kampfes von ihm abfiel und gleichzeitig der Schmerz aus seinem verwundeten Arm über ihn kam. Er biss auf die Zähne und winkte den jungen Sturmfelser heran, um Quelina zu helfen, während er selbst zu seiner Satteltasche ging und einen tiefen Zug aus dem Trinkschlauch mit dem Branntwein nahm.

Die tote Kutscherin wurde notdürftig am Kutschbock festgebunden, auf dem die junge Hardt nun Platz nahm. Offensichtlich traute sie es sich zu, die Kutsche selbst zu lenken. Gerion stieg wieder auf sein Pferd und übernahm die Vorhut, während sich Wulfhelm hinter der Kutsche einreihte.

Kapitel 10

Ende Tsa 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, Markt Ettingen

Der kleine Zug mit Wulfhelm, Gerion und der pfalzgräflichen Kutsche erreichte nach etwa einer Stunde den Markt Ettingen. Am Orteingang lagerte Hagen von Rallerau mit seinen Soldaten. Als sie die Kutsche näherkommen sahen, sprangen sie überrascht auf und beeilten sich Haltung anzunehmen. Der Blick den Hagen Wulfhelm zuwarf war eine Mischung aus Verwunderung und Verärgerung, doch bevor er etwas sagen konnte, ließ Quelina die Kutsche genau vor dem Hauptmann halten und stieg vom Bock herab.

Die Pfalzgräfin Ailyn von Hardt hatte sich unterdessen vom Schock des Überfalls erholt. Als sie jetzt aus der Kutsche stieg, war sie vor allem wütend. Hagen erkannte seine sonst eher ruhige und zurückhaltenden Herrin kaum wieder. Ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten, ging sie auf den Rallerau los.

„Was bei den Niederhöllen habt Ihr Euch dabei gedacht, Mann, uns der Gnade dieser Soldateska auszuliefern? Nicht einmal den Versuch habt Ihr unternommen, uns vor diesem Hinterhalt zu warnen oder zu bewahren! Ihr seid der Hauptmann der Randersburger Garde! Das was Ritter Wulfhelm getan hat, wäre Eure Aufgabe gewesen! Habt Ihr auch nur den Ansatz einer Erklärung für Euer feiges Verhalten?“

„Euer Hochwohlgeboren, ich…“ Hagen kam ins Stammeln und blickte sich hilfesuchend zu seinen Leuten um.

„Natürlich nicht!“, fuhr ihn die erboste Pfalzgräfin wieder an. „Für so etwas gibt es weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung!“ Sie blickte die Reihe der Reiter entlang, die ihre Eskorte hätte sein sollen. „Und das gilt für euch alle! Ihr könnt eure garetischen Ärsche darauf verwetten, dass das für euch alle Konsequenzen haben wird!“ Die gebürtige Windhagerin hatte sich in Rage geredet und stand mit hochrotem Kopf vor den betreten dreinblickenden Soldaten.

„Retodan!“, sprach sie jetzt den Fahnenträger an. „Ihr gebt das pfalzgräfliche Banner an Ritter…“, sie blickte erst auf Wulfhelm, erkannte dann aber, dass dieser gerade mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen verwundeten Schildarm untersuchte. Ihm die Standarte zu geben hätte ihm zwar zur Ehre gereicht, aber auch eine große Qual auf dem langen Weg zurück zur Pfalz bedeutet. „..Gerion von Sturmfels! Er und Ritter Wulfhelm werden der Kutsche bis zur Randersburg voranreiten. Ihr Retodan, werdet die Kutsche lenken. Hauptmann Hagen, Ihr und Eure Leute bildet die Nachhut. Ich will niemanden von euch sehen, bis wir in Randersburg angekommen sind! Und jetzt los, ich wünsche noch vor dem Abend anzukommen!“

Mit diesen Worten drehte sie auf den Hacken um und bestieg wieder die Kutsche. Ihre Tochter schloss sich ihr mit einem kurzen vernichtenden Seitenblick auf den Rallerau an und ließ die Kutschtür energisch ins Schloss fallen. Die Soldaten taten indes so wie ihnen geheißen war und saßen auf. Der Bannerträger Retodan trat an Gerion heran, übereichte ihm mit dem letzten bisschen Würde das er aufbringen konnte die Standarte und stieg dann auf den Kutschbock, wo er mit sichtlichem Unbehagen neben der toten Kutscherin Platz nahm. Wulfhelm und Gerion übernahmen wortlos die Spitze, als der Zug auf die Anbarer Reichsstraße gen Osten einbog.

Auf dem Holzweg

Gebotene Eile

Mitte Praios 1041 BF, Kressenburg

Die kleine Keilholtzer Reisegruppe war schnell vorangekommen. Neben Baron Ardo, seinem Vater Wulfhart und dem entfernten Vetter Unswin, bestand sie noch aus den diversen Knappen und Pagen der hohen Herren. Sie hatten von Gareth aus den Weg durch Waldstein, den Elfenpfad, gewählt. Ardo war vor allem neugierig, wie weit die bauliche Instandsetzung dieses Handelsweges auf der garetischen Seite fortgeschritten war. Die elfische Gräfin hatte sich damals sehr entschieden gegen den weiteren Ausbau ausgesprochen, was den hochfliegenden Plänen des Waldsteiner Adels und den angrenzenden Greifenfurter Baronen etwas den Wind aus den Segeln genommen hatte. So stimmte es Ardo sehr froh zu sehen, dass die Waldsteiner Edlen sich unter dem Einfluss Leomars von Zweifelsfels doch mehrheitlich gegen den Wunsch ihrer Gräfin zu stellen schienen und das einzig Richtige taten, was den Handel in dieser Region voranzubringen vermochte. Der Karrenweg Richtung Greifenfurt war an vielen Orten verbreitert und bis zur Stadt Osenbrück sogar vollständig mit Feldsteinen befestigt worden. Auch zwei neue Gasthäuser waren dem Kressenburger aufgefallen, die bei seiner letzten Durchreise noch nicht fertig gestellt gewesen waren. Auch das letzte Teilstück durch das Gebiet der Junker von Hagenbronn war trotz der schwelenden Feindschaft friedlich verlaufen. Drei gut gerüstete Ritter samt ihrem Gefolge schüchterten die Büttel genug ein, dass sie sich diesmal kaum mehr als ein paar unfreundliche Blicke und ein mürrischen Knurren gewagt hatten. So war die Heimreise vom Kaiserturnier in Gareth deutlich angenehmer gewesen, als Baron Ardo es erwartet hatte.

Im heimatlichen Kressenburg öffneten sich schnell alle Tore vor ihnen. Ardo merkte vor allem am Baufortschritt des Praios-Tempels, dass er schon wieder für mehrere Monde fern seines Lehens gewesen war. Die üblichen Schuldgefühle überkamen ihn und zum wiederholten Male nahm er sich vor, in Zukunft deutlich mehr Zeit bei seiner Gemahlin und den Kindern zu verbringen. Sie waren auch kaum auf den Burghof geritten und von den Pferden gestiegen, als eine kleine lärmende Kleinkinderschar aus den Stallungen stürmte und sie umringte. Kurz danach traten zwei jungen Edeldamen dazu. Die eine zierlich von Gestalt und von fast elfenhafter Anmut. Die andere nicht minder schön, doch von eher muskulöser Statur, der man die Kriegerin auf eine halbe Meile Entfernung ansah, die zudem einen etwa fünf Monde alten Säugling auf dem Arm hielt.

Noch bevor Wulfhart und Ardo ihre Gemahlinnen begrüßen konnten, trat eine dritte, noch etwas jüngere Frau dazu, gewappnet und in den Farben der Mark gewandet. Das eher gezwungene Lächeln, das sie zur Schau stellte als sie Ardo sah, sagte dem Baron, dass seine Tante nicht auf einen Freundschaftsbesuch vorbeigekommen war. Nachdem sich der größte Trubel des Willkommens gelegt hatte, nahm die Ritterin der Mark den Baron dann auch kurz zur Seite, um ihre Botschaft los zu werden.

„Die Greifin wünscht dich umgehend zu sehen, Neffe! Ich weiß, du bist gerade erst heimgekehrt, aber es wird das Beste sein, du lässt dein Pferd sofort wieder satteln und begleitest mich jetzt sofort, damit wir noch vor Sonnenuntergang in der Residenz sein können.“

Keilholtzer Neuordnung

Geordnete Verhältnisse

Ich, Ardo von Keilholtz ä.H., Baron zu Kressenburg, verfüge Folgendes als meinen letzten Willen:
 
 
 
 
1. Als Erbe der Baronswürde bestimme ich meinen Vater Wulfhelm von Keilholtz.

2. Ihm nachfolgen soll mein Erstgeborener Answin Shazar. Sollte dieser sein Erbe nach dem Willen der Zwölfen nicht antreten können, so bestimme ich an seiner Statt eines meiner nachgeborenen Kinder in der Reihenfolge ihrer Geburt.
3. Sollte nach der Götter Willen keines meiner Kinder das Erbe antreten können, so bestimme ich meine Geschwister aus der ersten Ehe meines Vaters in der Reihenfolge ihrer Geburt, mir nachzufolgen. Bedingung dafür sei, dass sie und ihre Nachkommen den Namen der Familie Keilholtz fortführen.
4. Sollte nach der Götter Willen keines meiner genannten Geschwister das Erbe antreten können, so bestimme ich die Geschwister meines Vaters und ihre Nachkommen in der Reihenfolge ihrer Geburt. Bedingung dafür sei, dass sie und ihre Nachkommen den Namen der Familie Keilholtz fortführen.
5. Sollte es dem Herrn Boron gefallen mich und meinen Vater zu sich rufen, bevor mein rechtmäßiger Erbe die Mündigkeit erreicht, so bestimme ich meine Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz zur Verweserin der Baronie Kressenburg, bis mein Erbe dieses antreten kann.
6. Meiner Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz sei das Edlengut Greifenwehr bis zu ihrem Tode als Wittibengut zugesprochen, auf das es ihr im Leben an nichts mangele.
7. Meine derischen Besitztümer vermache ich meinem rechtmäßigen Erben, ausgenommen der nachfolgend genannten.
8. Aus meiner Privatschatulle erhält die Praioskirche Zwölf mal Zwölf Dukaten um den Bau des neuen Kressenburger Tempels voranzutreiben.
9. Meine Gemahlin Praiadne Leuinherz Keilholtz erhält mein Gebetsbüchlein, auf das es ihr in dunklen Stunden Trost spende.
10. Mein Bruder Firnward von Keilholtz erhält mein Schwert Orkentod.
11. Meine Knappin Mechthild von Kieselholm erhält mein Streitross Boromil. Sollte das treue Tier mit mir verstorben sein, so erhält sie ein Streitross aus der Zucht des Märkischen Marstalls.
12. Es ist mein Wunsch und Wille in der Krypta des Praios-Tempels Sankt Garafan vor dem Tore zu Kressenburg meine letzte Ruhestatt zu finden. Dieselbe soll sein die Grablege meiner Familie auf immerdar.

Gegeben am 1. Tag des Herrn Phex im Jahre 1037 nach Bosparans Fall
 
 
 
 
Gesiegelt und bezeugt

Badilak von Praiostann
Ardo von Keilholtz ä.H.

Praiomel von Kieselholm

DEUS VULT

Bauarbeiten

  • Bauholz: aus Kressenburg
  • Stein: ggf. eigener Steinbruch (Neuerschließung mit Folgenutzung, mit Volker abklären) oder aus dem Finsterkamm (Spieler?)
  • Versorgung der Arbeiter: zusätzliche Getreidelieferungen aus Eslamsroden und Hexenhain
  • Gold: aus Gareth?
  • Marmor: Eslamsgrund? oder andere Quelle?
  • Arbeiter: Tagelöhner aus der Region (Mark und Waldstein), ggf.dauerhafte Erhöhung der Einwohnerzahlen durch Zuzug? (mit Volker abklären)

Gästeliste zur Einweihung

Geladene Gäste: