Geschichten:Gedankengift Teil 14a

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Gedankengift – Teil 14a


Baronie Böckling, Grafschaft Wehrheim nahe Burg Rabenmund, Nacht auf den 27. Efferd 35 Hal: Das Truppenkontingent der Greifenfurter Edlen, denen sich auch Nimmgalf und die beiden ihn begleitenden Soldaten seines Onkels angeschlossen hatten, waren etwa zwei Wochen lang durch die Wildermark geirrt. Auf dem Weg hatten sie nicht nur die Stadt Rankaraliretena am Dergel von feindlichen Truppen, vermutlich Söldnern des Asmodeus, gesäubert, sondern auch noch die seltsamsten Gerüchte vernommen: Der Kaiser sei zurückgekehrt! Welcher Kaiser jedoch gemeint war, blieb oftmals im Unklaren. Sowohl die Namen der Kaiser Hal und Kaiser Alrik, die wohl von den Göttern persönlich entsandt worden sein müssten, wurden im Volke genannt, als auch der Name eines ehemaligen Kaisers, den viele ebenfalls bereits für tot hielten: Kaiser Answin von Rabenmund!

Für Nimmgalf stand es inzwischen eindeutig fest: Der alte Usurpator war zurückgekehrt. Doch was seine Ziele waren lag noch im Unklaren, ja nicht einmal wo er sich derzeit aufhielte, konnte mit Sicherheit gesagt werden. Eines war gewiss: die Burg Rabenmund wurde von einem feindlichen Heer belagert, die über Kriegsmaschinen und untote Kämpfer verfügten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Verteidiger der Burg aufgeben müssten. Das Rabenbanner wehte zwar über der Burg, doch gab es keinerlei Anzeichen, dass hier in letzter Zeit ein größeres Heer aufgeschlagen war. Doch mit genau so einem reiste Answin. Er war demnach nicht hier. Noch nicht.

Seit fast zwei Tagen wartete man nun. Das Kontingent der Edlen umfasste etwa 50 Kämpfer. Zu wenige um aktiv gegen die Belagerer vorzugehen. Ein Angriff in den Rücken könnte vom Feind rasch bemerkt werden und für die Angreifer fatale Folgen haben. Man hatte sich in sicherer Entfernung von der Burg und dem Belagerungsring ein provisorisches Lager errichtet, welches bisher vom Feind noch nicht entdeckt worden war. Späher unterrichteten die Befehlshaber, d.h. die Markgräfin und den Dunkelsfarner Baron, stündlich über die Entwicklungen. Es war ein unangenehmes Gefühl, nur Warten zu können, aber die schwierige Lage zwang sie dazu, reagieren zu müssen anstatt agieren zu können. So war man schon kurz nachdem die Lage klar war übereingekommen, dass man so lange abwarten wollte, bis die Verteidiger einen Ausfall wagten, bis ein Sturm auf die Burg, der für die Belagerer zwangsläufig Verlustreich werden würde, unmittelbar bevorstand, oder bis doch noch das Wunder geschähe und das ersehnte Heer unter Answin hier aufschlüge. Denn tatenlos wollte man dem Ende der tapfer ausharrenden Burg Rabenmund nicht zusehen, dafür waren sie schon zu weit gekommen. Es wäre einfacher, wenn es eine Möglichkeit zur Kommunikation mit den Burginsassen bestünde. Angeblich sollte es ja einen Fluchttunnel geben, doch entweder stimmte dies nicht, oder er war einfach zu gut versteckt, als dass man ihn in der kurzen Zeit hätte finden können. Wenigstens hatten ihn so die Feinde auch noch nicht entdeckt.

Nimmgalf hatte sich vor einer halben Stunde zur Ruhe gelegt, doch er konnte keinen Schlaf finden. Zu viele Dinge geisterten ihm durch den Kopf. Wo war Answins Heer? Hatte er den direkten Weg nach Gareth gewählt, um sich dort zum Kaiser ausrufen zu lassen? War er in Wehrheim, um sich ein Bild der Zerstörungen zu verschaffen? Würde er noch rechtzeitig eintreffen bevor seine Verwandten auf der Burg kapitulieren müssten? Er stand auf, zog einen Teil seiner Rüstung an und ging durchs Lager. An einem Feuer entdeckte er den Junker Rondrigo von Ahrenstedt. Der Pulethaner war ihm kein Unbekannter. Obschon er ihm gegenüber wie bei allen Mitgliedern dieses Ritterbundes aufgrund ihrer Verhaltensweisen starke Vorbehalte hatte, schweißte sie die aktuelle Lage zu Zweckalliierten aneinander. Und für Nimmgalf war es nicht das erste Mal, dass er Seite an Seite mit den Pulethanern kämpfte. „Im Tjost mein Feind, im Felde vereint, pflege ich in solchen Situationen stets zu sagen. Boron zum Gruße, euer Wohlgeboren! Ist es gestattet, dass sich ein Pfortenritter für eine Weile zu euch gesellt?“

Rondrigo blickte kurz auf. Er hatte sein Zelt in der Nähe der anderen Greifenfurter aufgeschlagen. Zusammen mit seinen Gefährten der Ritterschaft von Korbronn bildete er mit den Seinen inmitten des Trosses der greifenfurter Edlen noch mal eine eigene kleine Gruppe.

Er kannte Nimmgalf von Hirschfurten schon seit einiger Zeit. Man hatte während der Fehde mit dem Pfalzgrafen Bernhelm von Wetterfels und später im Kampf an Peraines Nadel, als die Orken einmal mehr die Mark Greifenfurt heimgesucht hatten, Bekanntschaft geschlossen.

„Praios zum Gruße Euer Hochgeboren“, erwiderte der Junker von Breitenhof knapp. „Setzt Euch doch, ich glaube es ist mehr als genug Platz.“

Auch wenn es grundlegende Differenzen zwischen den Pfortenrittern und den Pulethanern gab, so wusste Rondrigo zumindest, dass der Baron von Leihenbutt immerhin ein Ehrenmann war. Allein das war schon mehr, als man seiner Meinung nach über große Teile des garetischen Adels sagen konnte…

Rondrigo kam unvermittelt zum Punkt, denn er war neugierig. „Auf dem Begräbnis des Herrn von Hutt gewann ich den Eindruck, dass die Pfortenritter mit schweren Problemen zu kämpfen hatten. Hilbert von Hartsteen war auf der Flucht, Graf Danos von Luring wird wohl nie mehr ins politische geschweige denn militärische Geschick des Reiches eingreifen und Ihr selbst werdet wohl von eigenen Problemen geplagt. Ich hatte auch mit Dero Hochgeboren Erlan von Zankenblatt gesprochen, ein durchaus verständiger und gar nicht dummer Mann, im Vergleich zum etwas sturen Reichsvogt zu Sertis.“ Der Junker von Breitenhof lächelte. Auch wenn seine Worte scharf waren, so erkannte Nimmgalf, dass kein tief schneidender Spott oder mangelnder Respekt in ihnen lag.

Der Baron zu Leihenbutt schwieg eine Weile und blickte ins Feuer. „In diesen schlimmen Zeiten haben wir wohl alle große Verluste zu beklagen. Auch die Bruderschaft der Pfortenritter blieb nicht von harten Schicksalsschlägen verschont. Unser guter Graf Danos, mein persönlicher Freund, ist bei der Schlacht um Puleth erblindet. Zwei tapfere Mitstreiter fielen in der Schlacht um Gareth. Den Reichsvogt zu Sertis und auch mich selbst hat ein hartes persönliches Schicksal ereilt. Dennoch ist dies nicht die Zeit zu resignieren und zu verzweifeln. Ich bin hier, weil ich die feste Hoffnung habe, dass wir an all den Schrecknissen und dem Leid, das über uns gekommen ist etwas ändern können, so wir nur hart genug dafür streiten.“ Nimmgalf blickte den Junker an: „Ich bin bereit meinen Teil dafür zu geben, dass das Reich wieder frei sein kann und die Menschen in Frieden leben mögen. Ich werde kämpfen, solange noch warmes Blut durch meine Adern fließt. Ich werde nicht aufhören an den Sieg zu glauben, komme was wolle. Seht ihr das ähnlich, von Ahrenstedt?“

Der Junker nickte. „Ansonsten wäre ich nicht hier, und meine Gefährten wohl auch nicht!“ Sie schwiegen eine Weile. Dann ergriff Rondrigo wieder das Wort: „Was denkt ihr, wann das Signal zum Angriff kommt?“ „Schon bald, von Ahrenstedt. Noch diese Nacht werden wir angreifen… und siegen“, fügte er noch hinzu.


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