Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Anselm von Wetterwend

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Markt Gabelsteen, Rahja 1046 BF

„Herrin? EinAnselm von Wetterwend, Dienstmann des Pfalzgrafen von Bugenhog, wünscht Euch zu sprechen. Er sagte, er sei auf Euren Wunsch hier. Soll ich ihn vorlassen?“

Lucarna nickte. Der erste Teil ihres Planes hatte also funktioniert: Anselm war ihrer indirekten Einladung tatsächlich gefolgt! Wohl vier Jahre hatte sie ihn nicht gesehen, doch als der Ritter den Raum betrat, spürte sie ihr Herz schneller schlagen; genau wie damals, wenn sie sich auf den Weg zu den heimlichen Stelldicheins in Oberhartsteen gemacht hatte. Und obwohl die Junkerin das Gespräch wohl hundertmal vorab in ihren Gedanken durchgespielt hatte, fragte sie sich nun, ob ihr Vorhaben von Erfolg gekrönt sein würde.

Lächelnd begrüßte sie ihn: „Die Zwölf zum Gruße, Anselm. Es ist lange her und ich freue mich sehr, dass du meiner Einladung gefolgt bist.“

„Grüße Lucarna“, antwortete er zurückhaltend und die Junkerin stellte irritiert fest, dass sie an seinem Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, ob er sich freute oder es bereute, hier zu sein.

„Nimm doch bitte Platz“, lud sie ihn mit einer Geste zur Fensterbank ein. Auf dem Tisch daneben war ein Krug mit Wein abgestellt und sie beeilte sich zwei Becher zu füllen, von denen sie einem ihrem Gast überreichte.

Nach einigem belanglosem Geplauder meinte der Ritter schließlich: „Ich gebe zu, dass ich von dem Schreiben einigermaßen überrascht war. Aber da es meine liebe Tante Anshild persönlich überbracht hat, konnte ich schlecht nein zu der damit verbundenen Einladung sagen.“

„Was hat dich denn daran überrascht?“, fragte sie vorsichtig.

„Ich habe nicht damit gerechnet, noch einmal von dir zu hören. Nach dem Streit damals hatte ich angenommen, dass wir nichts mehr miteinander zu schaffen hätten. “

„Stell dir vor, das habe ich auch einmal gedacht, aber… ich habe meine Meinung geändert und ich freue mich wirklich sehr, dich zu sehen. Auch hatte ich mich ein wenig erkundigt, wie es dir ergangen ist.“

„Tatsächlich? Und zu welcher Erkenntnis bist du gekommen?“

„Dir und deine Familie ist in der garetischen Fehde übel mitgespielt worden.“

„Und?“, der Ritter tat zwar gleichgültig, aber es war zu merken, dass ihm die Erinnerung daran nicht gerade behagte.

„Ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut.“

„Du hast mich hierher gerufen, nur um mir dein Mitleid zu bekunden?“, deutliche Skepsis schwang in Anselms Frage mit. „Entschuldige, aber das zu glauben, fällt mir schwer.“

Sein durchbohrender Blick ließ Lucarna den Kopf senken: „Du hast recht. Ich wollte dich noch aus einem anderen Grund sehen: Ich möchte dich in aller Form um Verzeihung für meine harschen Worte und mein damaliges hässliches Verhalten bitten. Nach allem, was seitdem geschehen ist und was wir beide an Verlust erfahren haben, scheint mir der Grund unseres Streites belanglos zu sein. Ich hoffe darauf, dass du mir vergeben kannst - und wir vielleicht ganz neu gemeinsam anfangen könnten.“

„Wir waren beide ziemliche Sturköpfe“, er zuckte mit den Schultern und fragte dann neugierig, „Neuanfang? Gemeinsam? Was genau meinst du damit?“

Lucarna überlegte kurz und bemerkte, dass sie sich die Angelegenheit doch ein wenig leichter vorgestellt hatte, als sie letztendlich werden würde: „Nun, ich…ich wollte dich fragen, ob du in Erwägung ziehen könntest, mein Gemahl zu werden.“

„Wie bitte?“, entfuhr es Anselm verdattert, „Du bestellst mich zu dir, um um meine Hand anzuhalten?“

Lucarna sandte ein stilles Stoßgebet gen Alveran bevor sie antwortete: „Ja. Wäre das nicht besser, als auf Bugenhog Hausritter zu sein?“

„Was soll ich in meiner Situation dazu sagen? Ich würde doch nur den Dienst bei einem Herrn mit dem Dienst bei einer Herrin eintauschen. Aber schön, dass du fragst. Immerhin ist deine Familie bekannt dafür, dass sie sich nimmt und erst hinterher fragt, ob es auch genehm ist.“

Lucarna zuckte bei den vor Sarkasmus triefenden Worten ihres Gegenübers zusammen. Auch solcherlei Sprüche waren es schließlich gewesen, die zum Ende ihrer damaligen Beziehung beigetragen hatten. Es kam ihr vor, als würden ihr gleich Tränen aufsteigen. Tränen vor Wut, Tränen der Enttäuschung, Tränen der Scham. Sie ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte dagegen an. Dann holte sie tief Luft, bevor sie antwortete: „Du missverstehst mich! Ich bin Junkerin zu Gabelsteen: Bei Dienern brauche ich den Blick nicht so weit schweifen lassen. Nein, ich wünschte mir, in dir vielleicht einen gleichberechtigten Partner zu finden, der an meiner Seite weilt, um zusammen einen Weg in die Zukunft zu finden. Und wenn schon nicht in Liebe, so doch in gegenseitigem Respekt von Eheleuten zueinander. Ich hatte in Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit gedacht, dass Hoffnung dafür bestehen könnte.“

Dann seufzte sie und sagte leise: „Wenn diese meine Erinnerung aber trügerisch ist und mein Ansinnen in deinen Augen nur falschem Hochmut entspringt, dann bitte ich um Verzeihung, dass ich dich damit überhaupt behelligt habe und es bleibt mir nur, dir endgültig Lebewohl zu sagen, Anselm von Wetterwend.“

Lucarna erhob sich. Ihr Plan war gescheitert und es erschien ihr sinnlos, daran weiter festzuhalten. Sie hatte im Vorfeld verschiedene Kandidaten ins Auge gefasst, aber ihre Gedanken waren immer wieder zu dem Ritter aus der kleinen aber alten Familie zurückgekehrt. Und genau dies schien ihr nun wie ein einziger großer Fehler. Ihr Herzenswunsch hatte sie betrogen und in eine unmögliche Situation manövriert!

„Lucarna, warte!“, auch Anselm stand auf. Dann räusperte er sich, bevor er fortfuhr: „Auch ich muss dich um Entschuldigung bitten. Es ist mir Angewohnheit geworden, zuerst das Schlechte in den Worten anderer zu suchen. Und dein Angebot hat mich nicht nur überrascht, sondern schlicht überrumpelt! Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken. Würdest du sie mir geben?“

Vorsichtig drehte sich Lucarna um, in den Augen ein halbes Tränenmeer. Der Kloß in ihrem Hals machte es ihr unmöglich zu sprechen - und so nickte sie nur.


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10. Rah 1046 BF 11:00:00 Uhr
Anselm von Wetterwend
Luidors Knappschaft


Kapitel 59

Das Haus Quintian-Quandt