Geschichten:Auf Fahrt
Der junge Mann verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, während das kalte Wasser an ihm herablief. Kurz besah er sich seine Rippen, ein Flickwerk aus blauen, grünen und gelben Striemen und Flecken, fast tsagefällig, wenn er darüber nachdachte. Sein Rumpf und seine Beine sahen nicht besser aus. Zumindest war sein Arm wieder einigermaßen brauchbar und er somit in der Lage, die Seife zu halten, die nun über den empfindlichen Körper schubberte.
Sein Dienstherr hatte sogar angeboten gehabt, das Waschen zu übernehmen, aber zumindest was das anging, war Gerding hart geblieben. Das wäre ja noch schöner gewesen, wenn seine Liebden ihm den verlängerten Rücken geschrubbt hätte. So hatte ihn sein Knappenherr dazu überredet, einen Bader aufzusuchen, der natürlich nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als zusätzlich alle Wunden, die Gerding am Leibe trug, zu säubern und neu zu verbinden. Als sei er kein Knappe sondern ein Weichei von Pfeffersacksöhnchen.
Aber augenscheinlich hatte die Behandlung geholfen. Die Wunden hatten sich geschlossen und ihm tat nicht mehr jeder Schritt weh. Vorsichtig nahm Gerding sein Handtuch und begann damit, seine wunden Glieder abzureiben, vorsichtig, um die Haut nicht mehr zu reizen als notwendig.
Endlich, endlich hatte er es geschafft, sich mit schmerzenden Muskeln anzuziehen, sein Hemd zuzuknöpfen und in die Stiefel zu schlüpfen. Vorsichtig nahm er das ausgebürstete Wams und die frisch gewichsten Stiefel seines Herrn, huschte aus seiner Kammer und öffnete vorsichtig das Gemach, in dem er seine Liebden schlafend wähnte. Mitnichten. Vor dem weit offenen Fenster, die hölzerne Waschscüssel mit dampfendem Wasser auf einem Stuhl vor sich, stand seine Erbprinzliche Durchlaucht splitterfasernackend da und wusch sich, während er leise irgendeines dieser Koscher Trinklieder sang, in denen erklecklich wenige Worte die permanente Wiederholung des Wortes Bier verhinderten.
Als er die Türe hörte, drehte sich der Prinz schwungvoll um, was wiederum seinen Knappen dazu nötigte, den Blick zu wenden. Nun ja, die Greifin wusste, was sie an ihrem Gemahl hatte.
"Ah, Gerding, was für ein herrlicher Tag, findest du nicht? Die Praiosscheibe ist noch nicht ganz aufgegangen und schon schallt aus dem Stall bereits das Scheppern der Eimer."
Gerding lächelte gequält und nickte, während er sich nach einem weiteren Stuhl für seine Last umsah. Sein Arm schmerzte bereits wieder und die Wärme, die sich nun in seinem Körper ausbreitete, nachdem das kalte Wasser den Schmerz zumindest partiell abgedämpft hatte, sorgte dafür, dass sich zum Ächzen der überanspruchten Muskeln noch ein unangenehmes Jucken gesellte.
Der Prinz warf den Lappen abschätzig in die Schüssel und griff das Handtuch, welches er über die Stuhllehne gehängt hatte. "Was meinst du? Ob wir jenseits der Tänze und dem Gelage auch noch das ein oder andere Übungskämpfchen organisieren können? Würde dir gut tun. Hast ja seit fast einer Woche keine richtig ausdauernden Schwerttübungen mehr machen können. Erst die Fahrt zum Kloster, dann diese leidige Entführung und dann die Weiterreise... und du willst doch bei unserer Ankunft in Gareth fit sein, wenn wir uns in die Turnei stürzen, gelle?"
Gerding kämpfte dagegen an, dass ihm blümerant wurde. Er hasste es, dass seine Muskeln ihm immer noch ab und an ihren Dienst versagten. Aber das war nur eine gerechte Strafe dafür, dass er beim letzten Turnier mehr oder minder zusammengeprügelt worden war, als er neben seinem Knappenherrn im Gestampfe stritt. Es war dann auch nicht hilfreich gewesen, dass ihm in der nachfolgenden Tjoste die eigene Lanze im Zersplittern regelrecht Arm und Oberschenkel perforiert hatte. Nicht zu vergessen die Prellungen der Rippen, als er vom Pferd gesegelt und unglücklich auf dem Tilt aufgekommen, der dann unter seinem Gewicht zusammengebrochen war.
Vorsichtig legte er das Wams mit dem Greifen über der Wellenlinie ab, bemüht die Schmerzen im Schultergurt zu ignorieren und insgesamt Haltung zu bewahren. Kurz sah er sich nach dem Unterzeug des Prinzen um, um seinem Knappenherrn beim ankleiden behilflich zu sein. Edelbrecht sollte sich wirklich nach einem Pagen umsehen, wenn es nach Gerding ging. Dann hätte er als Knappe wenigstens an dieser Stelle ein wenig Entlastung. Wobei, wenn man ernst nahm, was man sich hinter vorgehaltener Hand über den Prinzen und die Menschen in seiner Umgebung sagte... vielleicht war ein Sechsjähriger keine so gute Idee. Die waren einfach noch viel zu... zerbrechlich. Egal. Gerding stellte die Stiefel auf den Boden und wandte sich seinem Herrn zu.
"Ach, mach nicht so ein Gesicht, Gerding. ich weiß, du bist eher ein Morgenmuffel. Kenne ich von Irmchen. Aber das wird schon, wenn du erst einmal eine ordentliche Portion Hafergrütze und einen guten Humpen Tee im Bauch hast" und damit boxte ihn der Prinz gutmütig aber mit aller Kraft in die Schulter.