Geschichten:Mich seht ihr nicht - Eine unsichtbare Spur
Wie der Unsichtbare reiste, blieb der Truppe unerklärlich, die meisten wollten es auch gar nicht wissen, Jeden Abend war der Mann zur Stelle – mal später, mal früher, aber zuverlässig. Dann goss er wieder seinen ätzenden Spott über die Anwesenden aus, wobei sich ziemlich schnell herausstellte, dass er auch nicht allwissend war; offenbar hatte er sich vor dem Aufbruch mit Hintergrundwissen über die Beteiligten aufmunitioniert, doch das war stückhaft. Und alle Beteiligten der Hatz vermieden es tunlichst, zu viel zu erden, selbst wenn sie die Köpfe zusammensteckten und einander ins Ohr tuschelten.
Dennoch gab es einiges Neues zu wissen über die Beteiligten, das der oder die Betreffende sicherlich nur ungern in großer Runde zu hören bekam, zumal auf niederträchtige Weise von einem scheinbar unangreifbaren, geisterhaften Spötter ausgesprochen.
So ging es einige Tage in den Wall, der Unsichtbare gab Anweisungen über die Strecke, doch schien er das Land nicht aus eigener Anschauung zu kennen. Mancher kannte sich hier eigentlich besser aus als ihr unsichtbarer Führer. Am vierten Tage fand die Truppe im Lagerplatz eine Kartenskizze, die das Gelände zwischen Bockshöh und Sturmtal darstellte. Einige wilde Wasser stürzten hier aus den hohen Felsen des Walls, wie die Kundigen wussten. Dorthin waren es nur sieben Stunden beschwerlicher Ritt, weshalb die Reise sofort angegangen wurde.
Am Abend stellte sich, als die Sterne schon klar durch die eisige Nacht schimmerten, der Unsichtbare ein. In dieser Umgebung war sein Kellergeruch kaum wahrnehmbar. Doch – er roch zu abgestanden in der frischen Bergluft. Ungewöhnlich ernst nahm er die Kartenskizze zur Hand, und wie von Zauberhand erschien eine Markierung, die einen der Wasserläufe hervorhob: „Dort findet ihr den Mann, den ihr sucht. In zwei Tagen erwartet er an diesem Höhenweg, wo er der den Klirrebach überquert, die Waffenlieferung aus Perricum.“
„Warum hier oben und nicht im Tal? Das erscheint mir sehr beschwerlich“, war Wallbrord ein.
„Außerdem hätte eine Waffenlieferung auffallen können“, sagten Geshla und Lyn fast geleichzeitig.
„Besser die Waffenlieferung fliegt auf als Terrebors Bande, war seine Bedingung“, erklärte der Unsichtbare und schloss eine längliche Ausführung über Terrebors schwierigen Umgang an. Dabei merkte er offenbar nicht, dass der Diener Boron, Bishdaryan von Tikalen, dessen Sinne zwar den Unsichtbaren nicht erkennen, wohl aber deutlicher lokalisieren konnten, Selo, Ahrenstedt und Arishia von Lanzenruh mit vorsichtigen Gesten dirigierte. Die drei – und alle anderen – hatten sich gut auf diesen Moment vorbereitet und ihre Decken bereit. Als sie alle gleichzeitig geworfen wurden, legte sich mindestens eine um eine unsichtbare Gestalt, die wie eine Säule aus Schurwolle im flackernden Schein der Feuer kurz sichtbar war, ehe sie wie von Zauberhand … unsichtbar wurde. Doch da hatten sich die drei Nächsten schon auf den schrill schreienden Unsichtbaren gestürzt, ihn gepackt, umklammert und gebunden. Der Unsichtbare war sehr wohl stofflich! Kein Geist, sondern ein Unsichtbarer! Ein eigentümlicher Mensch, dem man jetzt dennoch die vom Magus empfohlenen eisernen Handschellen und Ketten anlegen konnte, um ihn festzuhalten. Die eisernen Schellen schimmerten leicht durchsichtig, als könnten sie nicht ganz verschwinden und unsichtbar werden wie die Decke zuvor.
Ein unheimliches Phänomen. „Pfui, Magie!“, spuckten einige aus.
◅ | Weder Leib noch Seele |
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Das Ende eines Verräters | ▻ |