Heroldartikel:Auf der Flucht - Jagd auf den Verräter

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Bogenschützen lauern im Wald

Edelgrafschaft Perricum. Der schändliche Verrat an Reich und Recht durch Baron Jellinor Tremal von Kollberg (der HEROLD berichtete in seiner letzten Ausgabe) hat in den Perricumer Landen allerorten zu Bestürzung und fassungsloser Wut geführt. Nicht wenigen der Perricumer Adligen war der Baron von Kollberg ein Vedrauter, wenn nicht gar ein Freund gewesen, und umso herber ist nun die Enttäuschung. dass gerade jener Hochverrat am Reiche beging, den so viele Adelleute für einen der loyalsten gehalten hatten.

Umso größer war natürlich der Eifer, mit dem sich die meisten Perricumer Adligen auf die Jagd nach dem Verräter machten. Allerorten waren die Büttel angewiesen worden, nach dem Flüchtigen Ausschau zu halten und besonders wachsam zu sein, gleich so, als ob sie den Kollberger herbeispähen könnten. Viele Adlige, Edle wie Junker und Barone ritten selbst tagein, tagaus durch ihre Lande in der Hoffnung, des Verräters habhaft zu werden. Aller Bemühungen zum Trotz verlor sich die Spur Jellinors doch immer wieder, so dass Ruffina von Darben-Dürsten und Baron Seraminor Wolfszahn von Gnitzenkuhl, die ihm nach wie vor auf der Spur waren, öfter, als ihnen lieb war, die Mithilfe der Büttel und anderer Adelsleute annehmen mussten, was ihnen die Hatz nach eigenem Bekunden eher erschwerte denn erleichterte, denn nur zu oft erwiesen sich Fährten als falsch, und auch die wohlgemeinten Hinweise und Unterstützungsversuche der jeweiligen Barone vermochten den beiden keine Hilfe zu ein.

Allen Warnungen zum Trotz setzten Baronin Ruffina und Baron Seraminor die Jagd auch während der Namenlosen Tage – was den sie begleitenden Jägern und Bütteln ganz offensichtlich nicht behagte – fort, denn zu groß war die Gefahr, dass Jellinor diese dunklen Stunden zu nutzen wusste, um sich in Richtung der schwarzen Lande zu wenden und dorten unter dem zweifelhaften Schutz der Heptarchen den Rest seines in den Augen der Zwölfe erbärmlichen Lebens zu fristen. Die Mühe sollte sich gelohnt haben, denn am Morgen des 3. Namenlosen Tages fand sich erneut eine Spur Jellinors, und frohgemut folgte man der Richtung, in welche er geritten war. Alsbald erspähte man in der Ferne ein kleines Wäldchen, und in den Schatten der Bäume wurde man am Waldrande einer Gruppe von Bogenschützen gewahr, die sich suchend umblickten.

Anscheinend hatten sich auch hier einige Mutige gefunden, die die Macht des Namenlosen nicht fürchteten und sich auf die Jagd nach dem Kollberger gemacht hatte, auf dessen Kopf zwischenzeitlich eine nicht unbeträchtliche Summe ausgesetzt worden war. Erfreut über diese Entwicklung hieß Baron Seraminor seine Begleiter, den Pferden die Sporen zu geben, um alsbald zu den Schützen aufzuschließen und vielleicht neue Erkenntnisse über den Verbleib Jellinors zu gewinnen. Als man jedoch auf eine gute Schussweite an die Bogenschützen herangekommen war, kam plötzlich Unruhe in den Haufen. Aufgeregt deutete einer der Unbekannten auf den Baron, der den Jägern voranritt, und wenig später rissen alle Schützen ihre Bögen von der Schulter, legten Pfeile auf und schickten diese den wackeren Streitern entgegen. Noch ehe die Häscher begriffen, wie Ihnen geschah, prasselte ein wahrer Pfeilregen auf sie herein, und eines dieser Geschosse – mögen die Götter wissen, ob es ein gut gezielter Schuss oder auch nur ein Glückstreffer gewesen sein mag – durchschlug den Brustpanzer des Barons von Gnitzenkuhl und bohrte sich in sein Herz. Mit einem erschrockenen Schmerzensschrei stürzte der Baron von seinem Pferd und blieb reglos auf dem vom gerade einsetzenden Regen nassen Grasboden liegen. Die Häscher rissen hastig ihre Pferde herum, um außer Schussweite zu gelangen, mussten aber etliche Treffer hinnehmen. Einer der Büttel, der von mehreren Pfeilen getroffen worden war, stürzte gar so unglücklich von seinem Reittier, dass er sich das Genick brach, ein weiterer erlag wenig später seinen schweren Verletzungen.

Baron Seraminor von Gnitzenkuhl erschossen

Die unbekannten Schützen schickten den Häschern noch einige weitere Salven entgegen und verschwanden schließlich im dichten Unterholz des Wäldchens. Kaum dass die Schützen sich anschickten, im Walde zu verschwinden, sprengte Baronin Ruffina hinterher, doch die Spuren der Fremden verloren sich schnell auf dem vom Regen immer matschiger werdenden Waldboden. Niedergeschlagen brach sie ihre Suche schließlich ab und kehrte zu ihren Begleitern zurück. Dort angekommen erwartete sie die nächste schmerzliche Überraschung, denn nun erst wurde sie gewahr, wie schwer Baron Seraminor getroffen worden war. Bestürzt beugte sie sich zu ihm hernieder und ergriff seine Hände, denn mehr vermochte sie nicht für ihn zu tun. Wenige Augenblicke später hörte das durchbohrte Herz seiner Hochgeboren für immer zu schlagen auf. und Baronin Ruffina brach ob des Verlustes in Tränen aus. Schweren Herzen ließ sie die Beute schließlich entkommen fgür diesen unglückseligen Tag.

Über den Nachmittag fertigte man denn aus einigen Stämmen eine Bahre an, auf die man den Leichnam Seraminor Wolfzahns von Gnitzenkuhl bettete. Baronin Ruffina wies die Häscher aus Gnitzenkuhl sodann an, ihren gemeuchelten Herrn in dessen Heimatlande zu geleiten und dafür Sorge zu tragen, dass er ein ihm gebührendes Begräbnis gemäß den Riten der Boron-Kirche erfahren möge. Sie selbst bedauerte zutiefst, den verstorbenen Freund nicht persönlich zu seiner letzten Ruhestätte auf Deren geleiten zu können, denn nach wie vor galt es, den Verräter Jellinor zu stellen und der Gerichtsbarkeit des Reiches und der zwölfgöttlichen Kirchen zu übergeben.

Noch in der Abenddämmerung durchkämmten die Häscher das Wäldchen nach Spuren und fanden schließlich auf der anderen Seite auch, wonach sie suchten. Solange das Licht ausreichte, folgte man der Spur im größtmöglichen Tempo, doch der alsbald wieder einsetzende Regen verhinderte alsbald den Erfolg. Es schien förmlich, als habe sich das Wetter an diesen finsteren Tagen auf die Seite der Schwarzen Horden und derer Getreuen geschlagen. Zerknirscht ließ Baronin Ruffina die Hatz am nächsten Morgen – es regnete noch immer in Strömen – abbrechen; zu nutzlos waren die Bemühungen ohne Spuren. Stattdessen sandte sie die Häscher in alle Richtungen aus in der Hoffnung, doch noch etwas zu finden oder zumindest Hinweise aus der Bevölkerung zu erlangen, doch auch dieses war nicht vergönnt. Jellinor Tremal von Kollberg hingegen dürfte seine Flucht – so vermutet man übereinstimmend – in Richtung der alten Rondrastadt Perricum fortgesetzt haben, um von dort aus über den Arvepass in die Schwarzen Lande zu gelangen. Trotz aller Bemühungen gelang es jedoch nicht, seiner habhaft zu werden. Es muss nunmehr wohl davon ausgegangen werden, dass es ihn gelungen ist, sich seiner drohenden gerechten Strafe für den Verrat zu entziehen.

Zu Gareth hingegen wurde zwischenzeitlich bereits verlautet. dass auch Terrebor von Kollberg, einziger Sohn der Verräters, unauffindbar sei. Eine Entscheidung über die Neubelehnung der Lande Weißbarûn sei jedoch noch nicht getroffen worden: Solange Terrebors Mitschuld nicht erwiesen werden könne, wolle man von zu voreiligen Schlüssen absehen. Gegebenfalls, so wurde verlautet, könne ihm auch etwas anderes zugestoßen sein, denn eine Unauffindbarkeit sei nun einmal keine Flucht. Es verdichten sich jedoch die Gerüchte, wonach auch bei einem Auffinden Terrebors die Geschicke in die Hände einer anderen Adelsfamilie gelegt werden sollen, »denn«, so Staatsrat Praiodan von Luring, »der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«.



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4. Nam 1022 BF
Auf der Flucht - Jagd auf den Verräter
Auf der Flucht - Jagd auf den Verräter


Kapitel 1

Autor: CD