Geschichten:Höhere Gerechtigkeit - Teil 1
Ort: Mark Greifenfurt, Baronie Greifenhorst / Gut Breitenhof
Zeit: Ende 35 Hal / Anfang 36 Hal (vor dem Kriegrat und vor dem Kon)
Die Gemeinschaft der Ritter zu Korbronn hatte sich in Breitenhof versammelt, die mysteriösen Ereignisse, die ihnen im Reichsforst widerfahren waren, brannten noch frisch in ihren Köpfen.
Die kleine Halle, die der Junker zu Breitenhof hatte errichten lassen, diente ihnen nun als Versammlungsort. An der großen Tafel war noch reichlich Platz, denn sie hofften, dass sich ihre Zahl bald vergrößern würde.
Rondrigo von Ahrenstedt wirkte nachdenklich und wartete, bis alle Platz genommen hatten, bevor er das Wort ergriff.
„Ein guter Bekannter, Phexian vom silbernen Tann, Baron von Hesindelburg hat mir ein Schreiben zukommen lassen. Er bittet darin um die Aufnahme einer seiner Töchter in unseren Bund, da sie der ritterlichen Tugend zugetan sei. Angesichts der Ermangelung an Knappen, denke ich, dass wir diese Anfrage schnellstens bejahen sollten.“
Der Blick des Junkers streifte durch die Runde und hier und da sah er ein Nicken.
„Khorena, würdest Du bitte später ein Antwortschreiben an den Baron von Hesindelburg aufsetzen? Ich schätze Deine schöne Handschrift und außerdem glaube ich, dass Du es von uns allen in die besten Worte packen kannst.“
Die Schwester des Junkers zeigte sich einverstanden, auch wenn an ihr in diesem Fall die Arbeit hängen blieb.
„Es gibt da allerdings noch einige andere Punkte, die wir besprechen sollten, bevor wir zum Kriegsrat nach Greifenfurt aufbrechen.“
Kaum hörbar hatte sich die Tür der kleinen Halle geöffnet und Alaria Ährenstein, die Geweihte der milden Herrin Peraine, war eingetreten.
„Berichte uns,“ forderte sie ihr Gemahl, Cordovan vom Greifener Land, auf. Ihre Stimme klang leise, als sie an die Tafel der Ritter trat und doch schwang eine unbändige Kraft in ihr.
„Ich hatte letzte Nacht erneut diese… Träume. Ich sah Bilder eines großen Unglücks im Osten, Tod und Zerstörung die aus der Dunkelheit über das Land herein brachen.“
Den Anwesenden stockte kurz der Atem, hatten doch die Visionen der Geweihten die Gemeinschaft immerhin zum lange verschollenen Korbronn geführt.
„Und ich sah ein altes Gemäuer, verborgen von den Bergen und Wäldern des Finsterkamms. Ein altes Kloster oder eine Art Kultstätte würde ich sagen, aber ich weiß es nicht genau. Ich spürte, dass dort etwas Altes ruht; etwas, dass für die Mark und ihr Überleben von großer Bedeutung sein kann.“
„Was könnte das nur sein?“ fragte Cordovan etwas geistesabwesend und sichtlich um den Zustand seiner Gemahlin besorgt.
„Es gibt zahlreiche alte Legenden über geheime Orte im Finsterkamm.“ warf der erfahrene Ritter Wolfward von Schroffenstein ein. „Es könnte alles und nichts bedeuten, ohne dass ich Euch zu nahe treten will.“ Er neigte sein Haupt respektvoll in Richtung der Geweihten.
„Wenn wir in Greifenfurt sind, sollten wir dem Archiv noch einmal einen Besuch abstatten,“ sprach Rondrigo schließlich. „Vielleicht finden wir dort ein paar Informationen.“
„Außerdem kennen wir uns da ja auch schon ganz gut aus,“ raunte Khorena mit einer kleinen Spitze in ihrem Tonfall. Bei ihrem letzten Besuch im Stadtarchiv hatte sie ganze Nächte damit verbracht uralte Karten zu kopieren und Auszüge aus halb zerfallenen Dokumenten zu rekonstruieren und abzuschreiben. Dennoch hatte sich die Quälerei gelohnt, denn der Korbronn war wieder entdeckt worden.
Gar’wain, der Nebachote, hörte sich alles genau an, ohne immer zu verstehen, wovon seine Gefährten überhaupt sprachen. Sicherlich hatte er hier in seiner noch recht kurzen Zeit in Greifenfurt mehr Mysteriöses und Geheimnissvolles erlebt, als er sich je zu hoffen gewagt hatte.
„Ansonsten kann ich berichten, wie aus den Aufzeichnungen meines Bruders Quendan hervor geht,“ Rondrigo deutete kurz auf seinen jüngeren Bruder, der ebenfalls an der Tafel saß, aber kein Ritter war, „dass alles andere wie geplant läuft. Der Schmied, den ich zum Bleiben überreden konnte hat bereits die ersten beiden Schwerter geschmiedet und der Abbau des neu entdeckten Eisenerzes geht zwar in sehr kleinem Rahmen, aber immerhin geht es voran. Bald wird unsere Rüstkammer wenigstens vernünftig aufgestockt sein. Danke Quendan, für deine sehr getreuliche Buchführung und Organisation dieser Dinge von denen ich nur wenig verstehe.“
„Gerne doch, Bruderherz,“ erwiderte der junge Mann und schenkte sich Wasser aus einem Tonkrug in einen hölzernen Becher.
„Ritter Eldwin, sorge dafür, dass der Kelch von Korbronn und das Wasser der Quelle mit auf Reise zum Kriegsrat gehen. Vielleicht können wir es dort gebrauchen.“
Der noch frisch gebackene Rittersmann nickte beflissentlich – schließlich war er der Hüter jener Artefakte, die man bei Korbronn geborgen hatte. „Es wird mir eine Ehre sein und werde es weiterhin beschützen wie mein eigenes Leben.“ Eldwin war sich der Blicke seiner Kameraden bewusst und errötete ein wenig. Eldwin war ein junger Mann, der selten etwas sagte ohne es vorher gründlich zu überdenken. Doch die Worte kamen ohne das er zögern musste über seine Lippen und kamen aus tiefstem Herzen.