Geschichten:Der Konvent zu Natzungen - Nächtlicher Appell

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Ihre Hochgeboren war nun nicht länger willens, dem verfluchten Eindringling, augenscheinlich ein verderbter Anwender der schwarzen Künste, auch nur noch einen ruhigen Augenblick zu gewähren, zumal dieser sich innerhalb der Schlossmauern seiner Sache ziemlich sicher zu sein schien und sich außerdem weitgehend unbemerkt bewegen konnte. Sie hatte angeordnet, dass sofort drei große Scheiterhaufen errichtet werden sollten. Auf zwei davon wären die Überreste der wiederbelebten Leichname zu legen, im Feuer des dritten aber würde bald der warme Leib eines seelenlosen Zauberers vergehen. Weiter ließ sie die gesamte Schlossbesatzung in voller Bewaffnung antreten und veranlasste, dass das Gelände hermetisch abgeriegelt wurde. Durch dieses Netz würde hoffentlich keine Maus, geschweige denn ein Mensch schlüpfen können. Ihre Gäste, die zu dieser Zeit fast ausnahmslos fest schliefen (und sich auch in so manchem Quarticr weit rahjagefälligere Dinge abspielten), ließ sie mit der Bitte wecken, sich in einer Stunde mitsamt ihrer Leibwache und sonstigen Begleitung im großen Ballsaal zu versammeln.

So erwarteten etwa eine Stunde nach Mitternacht etliche missvergnügte und ungehaltene Mienen die Baronin, die in voller Rüstung und in Begleitung des Staatsrates und dessen Gefolge hinzutrat. Sofort wurden Stimmen laut, die energisch um Aufklärung verlangten, allgemeiner Tumult war die Folge. Der Uslenrieder Baron rief seiner Gastgeberin gar zu, die Nächte in Natzungen seien weit unruhiger als im verheerten Tobrien. Des Staatsrats kräftige Stimme gebot diesem Schauspiel Einhalt: »Ruhe! Bei diesem Geschwätz verstehe ich ja mein eigen Wort nicht mehr!«, rief er unüberhörbar in die Menge. Sofort ebbte der Lärm ab und die Gastgebesin ergriff das Wort.

Nachdem sie von den Vorfällen im Keller beichtet und ihren Verdacht geäußert hatte, begann eine lebhafte Diskussion, wie diesem Schwarzkünstler, so es sich denn wirklich auf dem Gelände befände, beizukommen sei. Wieder bat die Baronin um Ruhe. Ihr Plan sähe vor, mit Hilfe der sechs Hofmagier den gefährlichen Übeltäter aufzuspüren und zu vernichten! Diese Vorgehensweise fand in diesem einen Falle ausnahmsweise auch die widerwillige Zustimmung des, wie wir alle wissen der Magie ›eher abgeneigten‹ Staatsrates, dessen Sorgenfalten auf der Stirn seine immensen Vorbehalte zwar offenbarten, der jedoch in dieser Situation dem Wunsche seiner Gastgeberin nachgab.

So wurde denn der Plan von allen gutgeheißen und die Herrschaften verschwanden in ihren Quartieren, um sich, für alle Fälle, zu rüsten. Kurze Zeit später befanden sich gut zwei Dutzend gewappnete Barone, Vögte, Edle und Ritter in der Halle, sowie die Hofzauberer Andara von Perricum aus Natzungen, Aldoberion Toppeller aus Uslenried, Agimon von Felsingoer aus Bärenau, Hurius aus Kaiserlich Alriksmark, Baltus Wehry aus Falkenstein und Cormac ui Dunvallo aus Syrrenholt. Ihnen zur Seite stellte die Baronin je sechs Gardisten. Diese so gebildeten Trupps erhielten weitere Unterstützung durch einige der versammelten Adligen, welche sich paarweise auf die Suchkommandos verteilten. In der Halle selbst blieben der Staatsrat mitsamt seiner Leibgarde, sowie der Gaugraf und die Gräfin von Hartsteen, geschützt durch die Elitesoldaten des Gaugrafen.

Die restlichen Soldaten patrouillierten jeweils zu zweit über das weiträumige Gelände und sicherten die Tore. Das Dunkel der Nacht sollte noch so manche Überraschung bereithalten ...

Die Jagd beginnt

Zur zweiten Stunde nach Mitternacht wurde es hektisch auf Nacia. Nachdem die Magier anhand der Leichen des Ritters Kilian und des Leibgardisten Brandstetter die Art und Weise, wie der gesuchte Magier seine Kraft zu wirkungsvollen Zaubern formte, studiert hatten, sprachen oder flüsterten sie ihrerseits Worte der Macht und machten sich so empfänglich für jede Art von Magie, die in ihrer Nähe wirkte. Sodann wurde damit begonnen, die Umgebung des Schlosses bis zu den Zäunen zu durchkämmen. Ein Meer von Fackeln bewegte sich da durch die Gartenanlagen, das so manches Getier aufgeschreckt flüchten ließ. Doch so lange auch gesucht wurde, es fand sich nicht der kleinste Hinweis. Bereits mehrmals waren die Spürhunde durch die Gärten geführt worden, hatten die Zauberer ihre Möglichkeit der magischen Wahrnehmung eingesetzt, so dass es selbst für einen Unsichtbaren annähernd unmöglich gewesen wäre, hier unerkannt davonzukommen. Darum befahl schließlich die Baronin, nunmehr das Schloss selbst genauer in Augenschein zu nehmen.

Dämonen!

Gerade hatte die Gruppe um den Falkensteiner Magus das Signal zum Einkreisen des Schlosses vernommen, als der Baron zu Sturmfels, der ebenfalls dieser Gruppe angehörte, seinen Nebenmann, den Baron Grotjan von Ebelried-Streitzig, auf einen Schatten aufmerksam machte, der mit sonderbaren Bewegungen direkt auf ihren Trupp zusteuerte. Kaum etwas an ihm war zu erkennen, denn es lagen noch gewiss zweihundert Schritt zwischen ihnen und der schemenhaften Gestalt. Auch der Magus hatte inzwischen den Näher- kommenden bemerkt, vermochte jedoch ebenso wenig zu sagen, um wen es sich handle. Vorsichtshalber zogen die beiden Adligen ihre Waffen, als plötzlich ein kurzer, eisig kalter Luftzug an ihren Haaren zerrte.

Der Falkensteiner Magier hob angespannt die Augenbrauen und öffnete langsam den Mund, geradewegs als ahne er, was da auf sie zukäme, denn je weiter jene nachtschwarze Gestalt die Distanz verkürzte, desto kühler schien es zu werden. Da plötzlich war sie mit einem Male da, eben noch kaum sichtbar in etwa einhundert Schritt Entfernung, hatte sie den Weg in einem einzigen Augenblick zurückgelegt! Zu Tode erschrocken taten der Magus und seine Begleiter einen Schritt zurück und blickten entsetzt zu dem auf, was da über ihnen schwebte. Schwarzes Nichts, von einer Kutte umhüllt, unter deren Kapuze zwei glutrote Punkte auf die Gruppe herabstarrten und unbändigen Hass verhießen, in der einen gelblich schimmernden Kralle einen breiten Säbel führend, mit der anderen eine lange schwarze Peitsche zum Schlag erhebend. Kalter Odem legte sich lähmend über diesen Ort, als die Peitsche hernieder sauste ... Die übrigen Suchtrupps hatten nur einen kurzen Aufschrei vernommen, der eindeutig aus Richtung der Stallungen zu kommen schien. Sofort setzten sich alle außer dem Trupp um den Bärenauer Hofmagus Agamon von Felsingoer dorthin in Bewegung. Bald war Kampfgetümmel zu hören, der eine oder andere Schmerzenslaut verhallte in der Luft. Als man die letzte Biegung genommen hatte, offenbarte sich ein schreckliches Schauspiel:

Die beiden Barone verteidigten sich gegen die Hiebe und Schläge einer Wesenheit, die der gemeinen Frau nur als große körperlose Gestalt mit Schwert und Peitsche erscheinen musste, dem geübten Blick und wissenden Geist eines Gildenmagiers jedoch den Namen dieser niederhöllischen Entität ins Gedächtnis rief: Daimonicus Heshthotim!

Jene Gelehrten wussten, dass die Waffen der beiden Barone und Soldaten diesem Wesen nicht den geringsten Schaden zufügen konnten, daher mussten sie schnell handeln. Der Falkensteiner Magus lag bereits leblos am Boden, als das Schwert des Barons Sturmfels bei der Berührung mit dem Säbel des Dämons genau in der Mitte zerbrach. Ein zischender Peitschenhieb traf den ohnehin schon äußerst erschöpft wirkenden Grotjan von Ebelried-Streitzig und riß ihn von den Beinen. Die Soldaten, die sich bis jetzt tapfer diesem Berserker entgegengestellt hatten, wichen nun Stück für Stück vor Schwert und Peitsche zurück Die Nacht wurde zum Tage, als ein gleißender Strahl magischen Feuers, vom Uslenrieder Magus gewirkt, durch die Luft schoss. Für einen kurzen Augenblick war alles in weißes Licht getaucht, bis das Feuer auf den Dämon eindrang und die Wesenheit in einem knisternden Funkenregen zurückließ. Wild bäumte die Gestalt sich da auf, um sich ihrem neuen Gegner zuzuwenden, da verließ auch schon eine weitere Feuerlanze die Hand der Magistra Andara und fraß sich in die Finsternis unter der Kutte, um das Wesen gänzlich zu verzehren. Nichts als Kälte und Schwefelgestank war von dem Dämon übriggeblieben! Sofort wurde sich um die Verletzten gekümmert, der Baron von Sturmfels und der Ebelrieder waren, abgesehen von ihrer totalen Erschöpfung, glimpflich davongekommen, der Falkensteiner Magus war gestürzt und mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen, so dass ihn ein wenig kühles Wasser schnell wieder zu sich kommen ließ. Derweil hatte sich am großen Tore etwas Anderes zugetragen.

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