Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
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= Custōsa=
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
 
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== Gedanken ==
Zurückzublicken und die eigenen Taten zu beurteilen, ist dem Menschen wohl zutiefst zu eigen. Damit einher geht natürlich die Frage, was man mit dem heutigen Wissen als hätte ändern können. Hätte man das damals bereits gewusst, hätte man alles zum Besseren wenden können – die Welt wäre eine ganz andere, eine bessere. Ja, dieser Blick zurück. Wie verlockend er doch ist! Wie verheißungsvoll! Und wie töricht zugleich. Wie die Menschen nur glauben können, eine einzige Entscheidung von ihnen hätte den Lauf der Dinge ändern können? Sind sie doch nicht mehr als ein winziger Wassertropfen im sommerlichen Morgendunst. Kaum sichtbar, wenig mehr als ein hauchdünner Schleier, durch den man in die Welt blickt, der kaum etwas verhüllt und der ebenso schnell und abrupt verschwindet, wie er gekommen ist. Das Ende, unausweichlich und unabdingbar. Und obwohl sie sich ihrer eigenen Bestimmung bewusst sind, nämlich der, dass sie alle sterben werden, verhalten sie sich nicht so. Sie geben nicht acht. Sie riskieren. Angetrieben vom Gefühl, dass sie mehr verdient haben. Mehr als andere. Weitaus mehr. Von Hass und Ehrgeiz, Neid und Eifersucht zerfressen, vergessen sie ihre eigene Sterblichkeit und riskieren, das Einzige, das sie wirklich ihr Eigen nennen können: Ihr Leben. Interessant, nicht wahr?
 
<!--Aus dem Vorwort der »Wege der Wächterinnen«-->
 
== Esenfeld ==
 
=== Fremder ===
ZSF01: Ein Fremder kommt nach Esenfeld
 
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF
 
»Es ist Zeit«, hob der Fremde an und bedachte die Frau ihm gegenüber aus seinen kalten, blauen Augen voller Abscheu. Der Mann saß hoch zu Ross. Er war ein harter Mann von kräftiger und Statur, dabei ungewöhnlich groß, mit noch immer dichtem schwarzem Haar und einer unfassbar tiefen Stimme. Über einem Kettenhemd trug er einen Wappenrock in Schwarz und Gelb. Ein Schwert in einer kunstvollen Scheide hing an seiner linken Seite. Seine Begleiter waren ebenfalls gerüstet und bewaffnet. Grimmig schauten sie drein. Die Pferde schnaubten. Unruhig drehten sie die Ohren. Das des Bannerträgers tänzelte einige Schritte rückwärts. Das Banner, das zwei schwarze Tannen auf zwei schwarzen Hügeln auf goldenem Grund zeigte, hing trostlos herab. Noch lag eine unerträglich schwüle Hitze über dem Land, doch begannen sich bereits dunkle Wolken am Himmel zu sammeln und einen unheilvollen Schatten auf den Innenhof zu werfen.
 
Während sich die Bediensteten des Wehrhofs dicht an die Gebäude gedrängt hatten, stand nur eine einzige Frau im Innenhof unweit der alten Eiche. Ein alter und ehrwürdiger Baum, der auch heute noch reichlich Blätter an seinen knorrigen und verwachsenen Ästen trug und dem man nachsagte, dass er schon immer an diesem Ort gestanden haben – noch weit vor dem Wehrhof. Eine alte Legende besagt, dass die Unschuldigen unter ihm stets Schutz fänden.
 
»Einen weiteren Götterlauf«, bat die Frau unweit des Baumes mit fester Stimme und nickte, wobei ihr eine Strähne ihres dunkelblonden Haares dabei ins Gesicht fiel. Mit einer eleganten Bewegung strich sie es zurück. Ihre tiefbraunen Rehaugen blickten zu dem Reiter empor. Sanft wirkten ihre Züge. Zurückhaltend. Regelrecht verhuscht. »Nur noch einen. Es wird der letzte sein. Ich bitte dich, [[Garetien:Ardo von Schwarztannen|Ardo]], nur noch dieses eine Mal.«
 
»Nein«, erwiderte der Ritter barsch und ließ seine Rechte durch die Luft schnellen. Seine Augen funkelten zornig. Seine Gesichtszüge waren angespannt. »Nichts da.«
 
»Im Namen der Götter«, hob sie nun an und beugte beide Knie, wie man es nur vor den Göttern tat, ihr Haupt hielt sie dabei gesenkt, »Im Namen der Sturmherrin, ich flehe dich an: Lass mir meine Kinder. Es ist ein einziger weiterer Götterlauf, um den ich dich bitte. Nur einen noch. Danach sind sie dein. Ich schwöre es.« Bei den letzten Worten blickte sie auf. Ihre Blicke trafen sich. »Vor dem Gerechten.« Sie hob ihre Hand, als wollte sie einen Schwur ablegen.
 
Er lachte nur: »Vorbei sind die Zeiten, da der Blick eines scheuen Rehes mich milde stimmte.«
 
»Sie sind noch zu jung«, beharrte sie, »Gibt ihnen noch einen weiteren Götterlauf, Ardo.«
 
»Wozu?«, spie er nur hervor, »Was solltest ausgerechnet du, [[Garetien:Algerte Phexlieb von Schwarztannen|Algerte]], ihnen geben können?« Einen Moment herrschte angespannte Stille. »Außer Lügen und Verrat?«
 
»Die Liebe einer Mutter«, kam ihre Antwort prompt, wobei sie ihre Hände einer Umarmung gleich ausbreitete, »Und wenn eine die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern versteht, dann gewiss die Leuin höchst selbst.«
 
»Liebe gewinnt keinen einzigen Kampf, sie macht einen nur...«, er hielt einen Moment inne und blickte sie mit seinen harten Augen an, »... weich.« Er schluckte. »Naive.« Nun nahm er das Kinn ein Stück weiter nach oben. »Dumm.«
 
Erste Regentropfen begannen zu fallen. An der Wange der Hausherrin rann einer herab oder war es doch eine Träne?
 
»Ich habe dich zu lange gewähren lassen. Habe dich beschützt. Habe zu dir gestanden. Aber du...« Er holte Atem. »Die Kinder brauchen endlich ihren Vater!«
 
Nun lachte sie: »Ihren Vater? Ihren VATER?« Ihre Stimme überschlug sich. Leise begann Donner über sie hinwegzugrollen. Er drückte die Lippen fest aufeinander. Hielt die Zügel verkrampft in seinen Händen. »Vor Götterläufen hätten sie dich gebraucht. Vor Götterlaufen, Ardo! Ein jeder hier ist mehr Vater als du es je sei...«
 
Da stieß er seinem Pferd die Haken in die Flanken. Sie erhob sich. Das Tier preschte nach vorne. Zorn funkelte in seinen Augen. Nein, purer Hass. Vielleicht sogar Mordlust. Doch sie blieb stehen. Hielt seinem Blick stand. Reckte ihren Kopf noch ein wenig höher. Sie war stolz auf ihre Kinder. Auf jedes einzelne von ihnen. Niemals würde sie zulassen, dass er sie einfach so ihr wegnahm. Wie lange hatte er sich nicht für seine Kinder interessiert? Sie wich nicht aus. Sie blieb stehen. Und sein Hengst ritt sie einfach nieder. Begrub sie einfach unter sich. Sie hatte noch nicht einmal Zeit zu schreien oder war es das Donnergrollen, dass ihre Schreie übertönte? Reglos blieb sie liegen. Nur ihr Brustkorb hob und senkte sich. Blut quell aus verschiedenen Wunden empor. Der Regen wusch es fort. Und ihre Augen folgten dem Mann, dessen Kinder sie geboren hatte.
 
Er wendete das Pferd. Brachte es zum Stehen. Wieder grollte es. Es begann noch heftiger zu regnen. Er blickt auf die am Boden liegende herab. Sah das Blut. Mächtiger Donner fegte über sie hinweg. Das Banner begann in der aufgekommenen Brise hart zu flackern.
 
»Lasst sie liegen«, befahl er. Und alle gehorchten. Drängten sich noch dichter an die Gebäude. Nicht jedoch etwa aus Angst vor Wind und Wetter. Er war es, vor dem sie sich fürchteten. Und die beiden [[Garetien:Gishelm Rondrawin von Schwarztannen|Kna]][[Garetien:Moribert von Schwarztannen|ben]] begriffen, dass er der gestrenge Herr sein musste, von dem ihnen ihre Mutter immer erzählt, ja vor dem sie eindringlich gewarnt hatte. Er war der Ritter zu Esenfeld. Er war ihr Vater.
 
=== Vater ===
ZSF02: Die beiden Knaben lernen ihren Vater kennen.
 
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF
 
Der [[Garetien:Ardo von Schwarztannen|Ritter zu Esenfeld]] stieg vom Pferd. Seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Knechte kamen herbeigeeilt, kümmerten sich um die Tiere, während Regen und Wind über sie hinwegpeitschten. Donner grollte markerschütternd. Wütende Blitze zuckte vom Himmel herab. Erhellten den inzwischen stockfinster gewordenen Innenhof Esenfelds. Die Männer, der Ritter zu Esenfeld allen voran, drängten in das Gebäude hinein. Die Bediensteten wichen zurück. Die beiden Knaben, die noch immer stocksteif unweit der Tür standen, fassten sich unbewusst an den Händen, der kleinere der Knabe drängte sich an seinen größeren Bruder. Beide hatten sie das pechschwarze Haar ihres Vaters und die weichen, tiefbraunen Augen ihrer Mutter. Hinter ihnen stand eine [[Garetien:Waad|junge Frau]] mit leicht dunklerer Haut, grünen Augen und rotblondem Haar. Gerade eben hatten ihre beiden Hände auf den Schultern der Knaben geruht, nun ließ sie sie herab gleiten und wollte sich gerade ins Innere des Hauses zurückziehen, da trat der Hausherr mit festen Schritten entschieden auf die beiden Knaben zu und fixierte sie mit seinen harten kalten blauen Augen.
 
»Was steht ihr noch hier rum?«, blaffte er sie an, »Sorgt dafür, dass meine Männer etwas Vernünftiges zu Essen und Trinken bekommen, so lange Efferd uns zürnt.«
 
Ungläubig blickten die beiden noch immer dicht aneinander gedrängten Knaben, der eine mehr als einen Kopf kleiner als der andere, zu dem Fremden auf. »Rondra«, wisperte der [[Garetien:Moribert von Schwarztannen|Jüngere]]. Die linke Augenbraue des Ritters zuckte steil nach oben, seine Hand schnellte nach hinten und dann nach vorne auf die Wange des Knaben. Der schrie entsetzt auf, drückte sich in die Arme seines großen Bruders. Tränen schossen ihm in die Augen und Blut tropfte aus seiner Nase.


= (...) =
»Erhebe noch ein einziges Mal das Wort gegen deinen Vater und du liegst da draußen neben deiner ... «, drohte er mit erhobener Hand. Jene Hand, mit der er den Knaben eben gerade geschlagen hatte. »... Mutter.«
[[Garetien:Wehrhof Gerbachsroth|Gerbachsroth]], Firun 1044


[[Garetien:Alderan von Nadoret|Alderan]] stand etwas ratlos am Grab seiner [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Frau]]. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.
»Ja, Hoher Herr«, erwiderte der [[Garetien:Gishelm Rondrawin von Schwarztannen|Ältere]], während er noch immer seinen heftig, schluchzenden Bruder in seinen Armen hielt, »Geht doch schon einmal hinein. Wir werden Euch sogleich bewirten.«


Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.
Wieder lag der harte und kalte Blick des Mannes auf den beiden Knaben. Und ohne seine Söhne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging der Ritter zu Esenfeld an ihnen vorbei und auf die rotblonde Frau zu, die furchterfüllt immer weiter und weiter zurückwich. Ihm folgten seine Männer.


Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für [[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan]], Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner [[Garetien:Ailsa ni Rian|Pagenmutter]] in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.
»Ich werde dich beschützen, Moribert«, wisperte der größere Knabe, dem noch immer weinenden kleineren zu als die Männer außer Hörweite waren, »Bleib einfach immer hinter mir, dann kann er dir nichts tun.« Er fuhr seinem Bruder über das kurze, schwarze Haar. Die beiden trennten sich. Moribert tropfte noch immer Blut aus der Nase. Der Regen wusch es fort. »Gishelm«, wimmerte der jedoch nur erstickt, »Ist das wirklich unser Vater?« Sein Blick glitt zu der noch immer reglos im Regen liegenden Frau. Ihrer [[Garetien:Algerte Phexlieb von Schwarztannen|Mutter]]. Ihre Augen waren noch immer geöffnet. Hatten die beiden Knaben fixiert. Ihre Lippen bewegten sich tonlos. Gishelm senkte den Blick.


Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter [[Garetien:Brinhild von Nadoret|Brinhild]], genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen [[Garetien:Familie Rian|Rians]] an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.
=== Bastard ===
ZSF03a: Ein Bastard verdirbt dem Ritter zu Esenfeld die Laune.  


Am Rande traf er sogar kurz auf [[Garetien:Meara ni Rian|Meara ni Rían]], die Gattin seines gefallenen [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bruders]]. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine [[Garetien:Familie Nadoret|Familie]] nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF


Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner [[Garetien:Nadyana von Nadoret|Mutter]] bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.
[[Garetien:Ardo von Schwarztannen|Ardo von Schwarztannen]] war gerade dabei den Wehrhof wieder in Besitz zu nehmen, da fiel sein Blick auf eine junge Frau. Eine [[Garetien:Waad|junge Frau]], die er noch nie zuvor hier gesehen hatte. Eine sehr hübsche junge Frau mit rotblondem Haar und tiefgrünen Augen und dem verheißungsvollen Hauch von Andersartigkeit. Der Ritter war nicht nur für seine Begierde bekannt, sondern auch dafür, sich zu nehmen, was er glaubte, was ihm zustünde.


Autor: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]]
Mit seinen kalten, blauen Augen fixierte er sie. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab. Sie schluckte schwer und stellte mit zitternden Händen den großen Bierkrug direkt neben ihm ab. Gerade als sie sich zurückziehen wollte, schnellte seine Hand nach vorne und packte sie am Handgelenk. Ein Schrei entrann ihrer Kehle, ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, ihr Atem ging schnell. Sie versuchte ihm ihr Handgelenk zu entwinden, aber er hielt sie nur noch fester. Immer fester.


= [[Weiß wie Schnee — Briefspielreihe|Weiß wie Schnee]] =
»Schenk mir ein«, befahl er mit kalter Stimme und ließ abrupt ihre Hand los. Sie taumelte nach hinten. Umfasste instinktiv mit der unversehrten Hand ihr schmerzendes Gelenk und begann heftig zu schluchzen. »Schenk mir ein«, wiederholte er mit schneidender Stimme, »SOFORT!«
== Schicksal bleibt Schicksal ==
Hexenwald


[...]
Das Schluchzen verstummte abrupt. Mit gebeugten Haupt trat sie erneut zu ihm heran, nahm mit der unversehrten Hand den Krug und goss zitternd und wimmernd Bier in seinen Becher ein. Und gerade als sie den Krug absetzte, da umfasste er seinen Becher, wandte sich zu ihr um und schüttete ihr den Inhalt ins Gesicht, wobei er mit trockener Stimme sage: »Du hast Bier verschüttet.«


= [[Auf Jahr und Tag — Briefspielreihe|Auf Jahr und Tag]] =
Sie schrie auf und zuckte zusammen, taumelte dabei einige Schritte zurück. Inzwischen zitterte sie am ganzen Körper.
== Nachspiel ==
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfeenstein]], am Abend des 19. Rondra 1044 BF'''


„Die [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] hat entschieden“, hob [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] mit lauter Stimme unter dem zustimmenden Jubel der seinen an. Er hatte nicht nur [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]] im Angesicht Rondras besiegt und einen Abzug der [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] erwirkt, nein, er hatte mehr noch unter Beweis gestellt, dass sein Anspruch auf den Baronstitel nicht nur vollkommen legitim, sondern dass er dem auch absolut würdig war. „Sie hat die Plünderer für ihre Plünderungen gestraft und...“ Einen Moment hielt er inne, weil er gegen das zustimmende Geschrei seiner Männer und Frauen ohnehin nicht angekommen wäre. ... uns allen deutlich gezeigt, was sie von so einem niederträchtigen Verhalten hält. Weil aus Unrecht niemals Recht werden kann!
»Du hast Bier verschüttet«, wiederholte er erneut, »Dein ganzes Kleid ist voll davon.« Seine Gefolgsmänner verstummten. »So etwas dulde ich an meiner Tafel nicht.« Da rappelte sie sich mühsam auf. Den Kopf hielt sie noch immer gesenkt. Das Bier tropfte an ihr herab. Alle Blicke lagen auf ihr. Sie ging rückwärts Richtung Tür. Nur noch wenige Schritte. Bald würde sie diesem Scheusal entkommen sein. Doch dann richtete er erneut das Wort an sie:  »Zieh es aus!«


Wieder pflichteten ihm die seinen jubelnd und grölend bei.
Die Rotblonde versuchte zu entkommen, doch die beiden Getreuen des Ritters unweit der Tür, packten sie einfach. Mit roher Gewalt zerrten sie die Frau zu ihrem Herren. Sie wehrte sich, schlug und trat um sich, doch die Männer waren einfach stärker und nachdem sie sie bei ihrem rotblondem Schopf gepackt hatten, ließ ihre Gegenwehr nach. Vor dem Herrn zu Esenfeld wurde sie bäuchlings zu Boden geworfen.


„[[Garetien:Yolande von Pranteln|Frau von Raukenfels]]“, kündete er mit lauter Stimme, „Euch berufe ich zur Vögtin von [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] und Dich [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur]], mein guter und treuer Freund, berufe ich zum Vogt von [[Garetien:Freiherrlich Scharfenstein|Scharfenstein]] und...“ Baron Drego verteilte noch weitere Ämter und Posten. Und auf jedes Mal musste man auf das neue Mitglied am [[Garetien:Hof des Barons von Schwarztannen|Hofe]] den Becher erheben und trinken. So kam es, dass ich so viel trank, wie noch nie in meinem Leben.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, meinte der Hausherr, erhob sich und trat auf die am Boden liegende zu. Ihr tränennasses Gesicht wandte sie von ihm ab. Sie wusste, was ihr drohte. Und auf Milde zu hoffen, war vergeblich. Ebenso auf Hilfe. »Entweder du tust es selbst oder...«, damit ließ er seinen Blick demonstrativ über seine Begleiter gehen, »... sie werden es tun.« Er hielt einen Moment inne. Und beugte sich zu ihr hinab. »Und nur damit wir uns nicht falsch verstehen«, raunte er ihr zu, »Damit werden sie nicht aufhören.« Sie wimmerte. »Nun? Wie entscheidest du dich?«


„[[Garetien:Blasius von Gerbachsroth|Blasius]]“, rief der Baron dann irgendwann, „Komm zu mir.
Wimmernd und zitternd und bibbernd erhob sie sich. Ihr Gesicht von Tränen bedeckt. Und langsam, unter erstickten Schluchzen begann sie ihre Kleidung abzulegen. Und er begutachtete sie eindringlich. Musterte jedes Stück ihres Körpers, bis sein Blick an dem Brandmal an ihrer linken Brust hängen blieb. Eine Hand mit fünf abgespreizten Fingern – das Wappen der Familie Schwarztannen.


Und der Page kam zu seinem Pagenvater. Einen Moment lang schaute er ihn aus großen Augen an und Drego erwiderte seinen Blick. Dann fiel er vor dem Baron auf die Knie.
»Verschwinde!«, angewidert wandte er sich ab, »Verkommener Bastard.«


„Du hast Dich Deiner Aufgabe würdig erwiesen. Du hast unter Beweis gestellt, dass Du würdig bist, den nächsten Schritt zu tun. Daher werde ich dich nun mit einem Tritt in deinen neuen Stand befördern.
=== Brüder ===
ZSF03b: Der Vater hasst die Mutter der Knaben, doch das war nicht immer so.


Der Knabe ließ das Prozedere geduldig über sich ergehen, sogar ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Erst gab es Gelächter, dann Jubel. Wieder tranken wir.
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF


„Fortan wirst Du mir als Knappe dienen, Blasius“, schloss der Baron und ließ den Knaben ziehen.
Der [[Garetien:Ardo von Schwarztannen|Herr zu Esenfeld]] blieb über Nacht, denn der Zorn Efferds – viele eher Rondras, wenn man dem leisen Wispern der Bediensteten hinter vorgehaltener Hand glaubte – verzog sich nicht so schnell. Lange grollte es bedrohlich. Der Himmel in ein giftiges dunkles Grün getaucht. Und Blitz um Blitz zuckte herab. Einer setzte sogar die große, mächtige Eiche im Innenhof Esenfels in Brand. Erst da erlaubte der Herr, die [[Garetien:Algerte Phexlieb von Schwarztannen|Hausherrin]] endlich fortzuschaffen und das auch nur, weil sie im Weg lag, nicht etwa aus ... Mitleid, wie er wiederholt betonte.


Anschließend rief Drego seine Knappin zu sich: [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]], tritt vor.
Und erst als die Herrschaft schlief, hatte die rotblonde Zofe der Hausherrin es gewagt, nach einem Diener der Herrin Peraine aus Salzungen zu schicken. Indes saß die [[Garetien:Waad|Zofe]] der Verletzten an deren Bett, hielt ihre reglose und kalte Hand in der eigenen und musterte ihr ausdrucksloses, blasses Gesicht. [[Garetien:Moribert von Schwarztannen|Moribert]] krabbelte der Frau mit dem rotblondem Haar und den grünen Augen auf den Schoß und schmiegte sich dicht an sie. Den noch freien Arm legte sie um den Knaben und hauchte ihm anschließend einen Kuss aufs Haar. Gishelm indes trat neben sie an das Bett seiner Mutter.


Die Knappin trat vor ihren Schwertvater und sank auf die Knie, „Du hast mir in der kurzen Zeit stets treu als Knappin gedient. Empfange nun den letzten Schlag, den Du unerwidert hinnehmen werden musst.
»Ist das wirklich unser Vater?«, hob [[Garetien:Gishelm Rondrawin von Schwarztannen|Gishelm]] hoffnungsvoll an, »Sag, dass er es nicht ist, Waad. Sag es! Bitte!«


Er schlug ihr mit seinem Schwert auf die linke Schulter. Es war kein richtiger Schlag, es war eine Geste. Wieder jubelte die Menge. Dieses Mal zu Ehren der frisch den Ritterschlag erhaltenen Erlenfallerin. Wieder trank man.
Sie schluckte schwer und schüttelte traurig ihren Kopf. »Er ist euer Vater.« Ihr Stimme war ganz warm und weich. Gänsehaut jagte Gishelm Rücken hinab. »Ardo von Schwarztannen-Scharfenstein ist euer Vater. Und du, Gishelm , bist sein Erbe.«


„Und nun, Hohe Dame von Erlenfall, erhebt Euch. Fortan werdet Ihr Euch gegen jeden Schlag gefälligst zur Wehr setzten.“ Sie erhob sich sichtlich stolz. „Und weil Ihr mir in der Vergangenheit bereits treue Dienst erwiesen habe, so wünsche ich, dass Ihr dies auch weiter an meinem Hof tun werdet.
»Ich will nicht, dass er mein Vater ist!«, entfuhr es dem Knaben da, »Ich will nicht sein Sohn sein. Erst recht nicht sein ...« Ihm fröstelte. »Erbe.«


„Das will ich gerne tun, Hochgeboren“, erwiderte die Ritterin und trat zur Seite.
Verständnisvoll nickte Waad.


Die Ansammlung war gerade im Begriff sich aufzulösen, da erhob der Baron erneut seine Stimme und alle verharrten.
»Kann nicht jemand anders unser Vater ein?«


„Und Ihr, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Sternguckerin]]?“, wandte er sich da nun an mich, „Euch berufe ich zu meiner Hofkaplanin.
»Nein«, erneut schüttelte sie den Kopf, »Das geht nicht. Ihr seid seine Kinder. Es gibt keine Zweifel. Ihr seid sein Fleisch und Blut. Und das ist es, was zählt.«


==Folgen==
Einige Tränen liefen dem Knaben über das Gesicht und trotzig erwiderte er: »Ich will das aber nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich will das nicht.«
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfeenstein]], 20. Rondra 1044 BF'''


„Ich fürchte, dass mehrere Rippen gebrochene sind“, meinte ich etwas erschöpft als ich mir den Baron am Tag nach seinem Sieg genauer ansah. Ich war müde und fühlte mich nicht sonderlich wohl, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. „Auch wenn die Klinge Eurer [[Garetien:Hermine von Alka|Gegnerin]] es nicht durch Euer Kettenhemd geschafft hat, so kann so ein Stich dennoch Rippen brechen.“ Ich hielt einen Moment inne und betastete mit zunehmenden Unwohlsein anschließend eine der Rippen etwas genauer. „Ja“, schloss ich, „die ist eindeutig gebrochen.“ [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] stöhnte schmerzerfüllt auf. „Habt Ihr Schmerzen beim Atmen?“
»Ich weiß, Gishelm, und ich verstehe dich. Sehr gut sogar.«


„Ja“, erwiderte er mir lediglich kurz und knapp.
Seit der Geburt der Knaben des jüngeren der beiden Knaben war Waad immerzu um Algerte gewesen. Abends hatte sie mitgeholfen, die Knaben in den Schlaf zu wiegen, ihnen tulamidische Schlaflieder vorgesungen, Geschichten aus ihrer Heimat erzählt, war bei ihren ersten Schritten, ja bei ihren ersten Worten dabei gewesen. Sie hatte gemeinsam mit ihnen Esenfeld entdeckt. War in Bäume geklettert und hatten im Mühlbach geplantscht und im Wald getobt. Und wenn die Beine der Kinder zu schwer waren von den vielen Abenteuern, dann hatten sie sie nach Hause getragen. Abwechselnd natürlich. Sie war immerzu für die Knaben da gewesen. Immer. Jederzeit. Ja, sie war weitaus mehr als eine Zofe. Sie war eine Vertraute. Für die Hausherrin und ihre Kinder.


„Dagegen werde ich Euch etwas geben“, schloss ich schwerfällig, „Ansonsten hilft nur viel Ruhe, Hochgeboren, viel Ruhe.
»Hasst er uns?«, riss Gishelm die Rotblonde aus ihren Gedanken. Unruhig verlagerte der Knabe das Gewicht von einem auf das andere Bein. Einen Moment blickte sie auf den Knaben in ihren Armen. Der ruhige und regelmäßige Atem verriet, dass er eingeschlafen war. »Hasst er uns?«, wiederholte der ältere der Knaben.


„[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]“, hob er protestierend an, „Da draußen tobt noch immer die Fehde...
»Nein«, versicherte sie sanftmütig, »Nein, er hasst euch nicht. Nicht seine Söhne. Seine Erben. Nein, gewiss nicht. Ich denke sogar...« Sie hielt einen Moment inne. Wirkte angespannt.
»... dass er euch liebt. Auf seine... hm... eigene Art.« Waad zog ihre Augenbrauen nach oben. »Sicherlich. Er liebt euch. Da bin ich sicher.«


„Mag sein“, fiel ich ihm da ins Wort und fühlte wie mir langsam schlecht wurde, „Aber die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] stellen auf Jahr und Tag – jetzt noch auf ein Jahr – keine Bedrohung mehr für [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] da...
Doch Gishelm beruhigte das nicht: »Hasst er ... hasst er Mutter?«


„Aber für [[Garetien:Gräflich Luring|Gräflich Luring]]!“, erwiderte er mir da energisch, „Die Waldsteiner sind nach Gräflich Luring gezogen!“
Waad konnte nicht anders, sie konnte nur nicken. Und dann, nach einem erschreckend langen Augenblick, in dem sie schwieg und die Hausherrin ernst betrachtete, hauchte sie so leise, dass es gerade so zu verstehen war: »Es war nicht immer so, Gishelm. Er war nicht immer so. Sie waren einander sehr zugetan. Ungleich, doch irgendwie glücklich. Doch dann ist Algerte etwas Schreckliches passiert. Etwas Entsetzliches.«


Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich zunehmend unwohler: „Das ist nicht mehr Euer Problem, sondern das des [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]]. Soll er sich doch darum kümmern, wie er die Waldsteiner aus seinen Landen vertreibt, er hat sich doch auch nicht darum geschert wie Ihr sie aus Schwarztannen herausbekommt, oder irre ich mich da etwa?“
Gänsehaut erfasste den gesamten Körper des Knaben. So hatte er Waad noch nie sprechen hören. So voller Grauen. Und weil sie nicht mehr sagte, wusste der Knabe, dass es etwas wirklich Schreckliches gewesen sein muss.


Baron Drego blickte mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Mir war das Antwort genug. Er wusste, dass ich recht hatte.
=== Geweihte ===
ZSF04: Eine Geweihte der Peraine kommt (unerwartet) nach Esenfeld.


„Ich weiß, dass Ihr viel von Eurem Freund, dem Grafen, haltet, vor allem da er Euch den Baronsreif aufgesetzt hat, dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nie unterstützt. So wie ich [[Garetien:Yolande von Pranteln|Frau von Raukenfels]] verstanden habe, habt Ihr ihn mehrfach und eindringlich um Unterstützung gebeten, regelrecht gefleht, aber nie welche erhalten, mehr noch, so hat er Euch nicht einmal geantwortet. Bei all den Verpflichtungen, die Ihr ihm gegenüber habt, so hat er Euch gegenüber auch welche...“
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF


Wieder schwieg er. Wieder wusste er, dass ich die Wahrheit sprach.
Wenig nach dem Morgengrauen traf eine [[Garetien:Peralina Tempeltreu|Geweihte der Herrin Peraine]] aus Salzungen ein. Zwar missfiel ihr Erscheinen dem Hausherren zutiefst, aber er wusste sehr wohl, dass man einen Diener der Zwölfe nicht ohne weiteres abwies. Und so tat er das, was von ihm erwartet wurde.


„Gönnt Euch viel Ruhe, dann ist Eure Verletzung in einem Mond sehr wahrscheinlich verheilt“, schloss ich und deutete dem [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappen]], seinen Schwertvater wieder anzukleiden, „Schont Ihr Euch nicht, wird es dementsprechend länger dauern...
»Peraine mit Euch, Euer Hochwürden« grüßte er sie demütig und beugte ganz leicht sein Haupt. Mit einer einladenden Geste bat er sie in das Gebäude hinein. »Habt Dank für Euer Kommen, auch wenn es nicht notwendig gewesen wäre, dass ihr persönlich erscheint.«


„Ihr seid doch eine Dienerin der Herrin [[Peraine-Kirche|Peraine]]. Könnte Ihr nicht...?“
Die ältere Geweihte nickte sanftmütig. Eine Strähne ihres kurzen, grauen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es sich wieder zurück. »Sorgte Euch nicht, Hochgeboren. Wie ein jeder von uns, bin auch ich nur eine Dienerin und deswegen diene ich«, erwiderte sie und fügte unnötigerweise noch hinzu: »So wie auch Ihr nur ein Diener unter dem Angesicht der Götter seid.«


„Ja, ich könnte“, ich seufzte schwer, „Doch ich werde nicht. Ich werde die Kraft meine Herrin nicht verschwenden und verschwendet wäre sie in diesem Fall, weil diese Verletzung auch so heilen wird, ganz ohne Zutun der Götter. Es bedarf Zeit und Ruhe, aber das ist auch schon alles.“ Dann wandte ich mich ab, wusch mir die Hände und trocknete sie ab. Ohnehin bezweifelte ich, dass ich in diesem Zustand ihre Kraft hätte nutzen können. „Wenn Ihr schnelle Hilfe wollte, dann fürchte ich müsste ihr einen Magier an euren Hof holen...
Ardo von Schwarztannen blickte die Geweihte schweigend und nahezu reglos an. In seinen Augen funkelte Zorn. Unangenehme Stille breitete sich aus.


Der Ritter sog hörbar die Luft ein.
»Seid doch so gut«, ergriff die Geweihte nun wieder das Wort, »und bringt mich zu Eurer werten Gattin, damit ich sie mir ansehen kann.«


„Ich kann auch nach [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] in den [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel]] zurückkehren“, schlug ich nun vor und ließ mich auf einen Stuhl fallen, „Ihr habt mich an Euren Hof gebeten und ich bin gefolgt. Wenn Ihr mich hier nicht wollt, weil ich Euch nicht von nutzen sein kann, dann könnt Ihr mich jederzeit wieder in den Tempel schicken...“
Der Hausherr nickte nur mürrisch, bot der Hochgeweihten seinen Arm an und schritt mit ihr voran. Und während sie miteinander gingen, wollte sie von ihm wissen: »Ist meine gute Freundin Algerte wieder einmal gestürzt, Hochgeboren?«


„Nein“, der Baron schüttelte nachdenklich den Kopf, „Das wird nicht nötig sein. Wenn Ihr sagt, dass es heilen wird und weitere Hilfe nicht nötig sein wird, dann werdet Ihr gewiss die Wahrheit sprechen. Ich vertraue Euch. Ich habe Euch nicht nur an meinen Hof geholt, weil Ihr eine Dienerin der Herrin Peraine seid und weil ich mir wünsche, dass Ihr bei der Geburt meines Kindes zugegen seid, sondern auch weil ihr jung und unverdorben seid. Wer wäre eine bessere und treuere Ratgeberin als eine, die mit alledem bisher nicht in Berührung gekommen ist?“
»Ein bedauerlicher Unfall«, erwiderte er ihr trocken und vermied es sie anzusehen, »Wieder einmal, Hochwürden.«


Ich blickte ihn etwas verwundert an.
»Hm«, machte die Geweihte da nur und legte die Finger ihrer freien Hand an ihr Kinn, »Meine gute Freundin ist seit damals einfach nicht mehr sie selbst.« Sie seufzte schwer und schaute betrübt drein. »Armes Kind.« Sie hielt einen Moment inne. »Phex sei Dank hat sie Eure beiden Söhne an ihrer Seite. Sie liebt sie sehr. Vor allem, da...« Sie verstummte.


„Das habt Ihr mir wohl nicht zugetraut“, schloss er sogar etwas stolz, aber aus seinen Worten hatte ich ganz deutlich die von [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] herausgehört, „Ihr werdet jedoch nicht alleine sein. Ich habe Euer Gnaden Rían gebeten Euch zu unterstützen. Die hat zwar nicht zugesagt, das Amt auch offiziell auszuüben, aber sehr wohl so oft es ihr Dienst im Tempel erlaubt Euch – und damit auch mir – beizustehen.“
Der Hausherr schwieg.


„Das ist gut“, entgegnete ich ihm nickend, „Denn... Ich will ehrlich zu Euch sein, ich bin mir nicht sicher, ob dass hier das richtige für mich ist. Ich bin mein ganzes Leben im Tempel aufgewachsen und so ein Leben bei... Hofe... bin ich nicht gewohnt. Es kann sein, dass ich mich nie daran gewöhnen kann…“
»Vermutlich werdet Ihr nicht lange bleiben, Hochgeboren?«, fuhr sie fort.


„Sobald mein Kind geboren wurde, könnte Ihr wieder in Euren Tempel zurückkehren, wenn Ihr dies wünscht, bis dahin möchte ich Euch jedoch darum bitten zu bleiben.“ Und im Gehen fügte er hinzu: „Ihr scheint nun auch erst einmal ein bisschen Ruhe zu benötigen. Die Feierlichkeiten gestern haben Euch wohl recht zugesetzt...
»Ich bedauere, aber Ihr habt recht«, erwiderte er ihr, »Ich bin nur gekommen, um meine Söhne zu holen.«


Ich nickte schwerfällig.
Die Geweihte blieb abrupt stehen und schaute ihn lange, ohne ein einziges Wort zu sagen, an. Stoisch hielt er ihren Blick.


==Getrennt==
»Hochwürden«, ergriff er nun das Wort, »Ich muss mich jetzt nun wirklich empfehlen. Mein Bruder erwartet mich dringend auf Burg Scharfenstein.«
'''[[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], 21. Rondra 1044 BF'''


„Du musst den [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron]] ganz schön beeindruckt haben“, stellte [[Garetien:Baldur von Immenhort|Baldur von Immenhort]] anerkennend fest, als ich ihn am nächsten Tag einen Besuch abstattete, „Immerhin hat er dich zu seiner Hofkaplanin gemacht.“
»Ich verstehe«, damit löste sie sich aus seinem Arm, »Werdet Ihr beide Knaben mit Euch nehmen?«


„Nun“, hob ich da an, noch immer hingen mir die Feierlichkeiten nach, noch immer fühlte ich mich nicht ganz wohl, „Ich denke, es war viel eher der Umstand, dass seine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Liebste]] von Tsa gesegnet ist.
»Sicherlich. Es ist Zeit, dass sie das Leben am Hofe kennenlernen.«


„Ach“, er winkte ab und reichte mir eine Tasse Tee, „Das mag wohl sein. Ausschlaggebend wird jedoch gewiss deine Begabung für die Heilkunde gewesen sein, denn eine begabte Heilkundige bist du ganz ohne Zweifel.“
»Auch Moribert? Er scheint mir noch recht jung.«


„Hochwürden, danke für Eure netten Worte“, ich nickte, trank einen Schluck Tee und hoffe, dass er meine Übelkeit vertrieb, „Sagt mal, wisst Ihr... wisst Ihr wann Schwester [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] zurückkehrt? Ich habe Schwester Theria gesehen...
»Beide«, entgegnete er ihr nur mit unnachgiebigem Blick, »Tut, was Eure Herrin von Euch verlangt. Ich muss tun, was mein Herr von mir verlangt. Peraine mit Euch, Hochwürden.« Damit wollte er sich verabschiedete, wandte sich jedoch noch einmal um: »Sag, wer genau hat denn nach Euch geschickt?« Ein grausames Lächeln legte sich über seine Lippen. Sie zog die Augenbrauen belehrend nach oben und entgegnete lediglich: »Meine Herrin.«


Da blickte er mich lang an, ehe er sagte: „[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegeard]], sie wird nicht mehr zurückkehren.
=== Gefehlte ===
ZF05: Die Geweihte der Herrin Peraine sieht einen Ausweg.


„Was soll das heißen?“, fragte ich ungläubig, „Ihr ist doch nichts zugestoßen, nicht wahr?“
[[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Wehrhof Esenfeld]], Rahja 904 BF


Nun schüttelte er den Kopf: „Nein, Lindegard, du brauchst dich nicht zu sorgen.“ Er trank etwas Tee. „Sie ist wohlauf. Ihr geht es gut. Sie wird allerdings in [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]] bleiben.
»Was ist genau vorgefallen?«, wollte die Geweihte von der rotblonde Zofe wissen, als sie am Bett der Verletzten stand und auf den blutigen Verband um deren Kopf blickte.


„In Rallingen?“, wiederholte ich tonlos, „Was... was will sie denn in Rallingen? Sie gehört doch nach Schwarztannen.“ Fassungslos blickte ich ihn an. „So wie auch ich. Wir sind doch... doch Schwestern.
Die junge Frau schauten betreten drein und blickten zu Boden. Kein Wort verließ ihre zitternden Lippen. Sie wusste, dass ein jedes Wort ihr das Leben nur noch schwerer machte. Der Hausherr, nachdem er ihre wahre Herkunft erfahren hatte, war sicher nicht gut auf sie zu sprechen. Bisher hatte sie jede Begegnung mit ihm vermeiden können. Dafür hatte ihre Herrin gesorgt. Und sie war froh darüber gewesen, aber nun? Nun würde sie seinen Demütigungen und Grausamkeiten schutzlos ausgeliefert sein. Sie hatte genug Geschichten gehört. Waad wusste sehr gut, zu was er fähig war, selbst wenn nur ein Bruchteil der Gerüchte stimmte. Jede noch so kleine Verfehlung würde der Hausherr hart bestrafen. Und jede ihrer Verfehlungen war auch eine Verfehlung der Hausherrin, seiner Frau.


„Ich weiß, Lindegard, ich weiß“, versuchte er mich zu trösten und schenkte mir einen mitfühlenden Blick, „Unsere [[Peraine-Kirche|Herrin]] verlangt viel von uns, von jenem von uns, doch von dir und Perainidane verlangt sie derzeit alles.“ Er hielt einen Moment inne. „Sie wird nicht mehr in diesen Tempel zurückkehren. Sie wird in Rallingen bleiben. Sie wird dort Prätorin werden.“
Die Geweihte seufzte.  


„Prätorin?, wisperte ich ungläubig, „Aber... aber... aber warum?
»War er es?«, wollte sie nach Abreise des Hausherren mit strengem Blick wissen, »Hat er sie so zugerichtet? Mal wieder?«


„Weil es schon immer so vorhergesehen war“, erwiderte er schlicht, „Und zwar schon an jenem Tag, da Perainidane ins Noviziat eintrat. Dass es nun schon so bald geschah, das habe ich nicht erwartet, aber manche von uns holt Boron früher als andere. Die Prätorin zu Rallingen hat er früher geholt. Und nun wird Perainidane an ihre Stelle treten.
Die Zofe schauten auf die Füße der Geweihten. Kein einziges Wort kam über ihre Lippen.


Starr und steif saß ich da.
»Bei Peraine!«, seufzte sie. »Schon gut«, sie winkte ab, »Ich habe schon verstanden. Es ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal hier.« Nachdenklich begann sie ihre Schläfe zu massieren. »Warum nur, Algerte? Warum nur?« Sie prüfte ihre Atmung. Ihre Reflexe. Zog die Augenlider nach oben. Da begann sie mit gekonnten Fingergriffen den Verband um den Kopf der Hausherrin zu lösen, die Wunde in Augenschein zu nehmen, sie zu säubern, zu nähen und neu zu verbinden. So kümmerte sie sich um alle Wunden. Die Zofe ging ihr dabei zur Hand. »War sie die ganze Zeit über bewusstlos?«


„Ach, Lindegard“, seufzte der Prätor da mitfühlend, „Nimm es doch nicht so schwer! Du kannst Perainidane ganz gewiss besuchen so oft du magst. Sie ist doch nur in Rallingen.“ Aufmunternd legte er mir die Hand auf die Schulter. „Trink noch ein bisschen Tee, Lindegard. Du bist ja ganz blass, mein Kind. Ganz blass.“
Waad nickte stumm.


Wortlos trank ich meine Tasse Tee.
»Das ist vielleicht kein gutes Zeichen«, erklärte sie. Die Rotblonde blickten zu ihr. Die Geweihte wusch sich die Hände. Trocknete sie an einem Tuch. »Wir werden abwarten müssen. Ich werde bleiben. Den Beistand der Herrin Peraine erbitten. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Ich .... « Sie schluckte. »Ich habe Angst, dass...«


==Prätorin==
»Was solle ich denn tun, Peralina?«, wandte sich Waad sichtlich verzweifelt an die Geweihte.
Gegeben im Efferd 1044 auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


{{Brief
»Du?«, sie schüttelte den Kopf, »Du tust alles, was in deiner Macht steht. Dies jedoch...« Sie deutet mit einer Geste um sich herum. »... steht nicht in deiner Macht.« Energisch nickte sie. »Es ist an der Zeit, dass sie endlich Schutz bei den Zwölfen sucht.« Mit ernster Miene betrachtete sie die Zofe. »Unter ihrem Schutz wird er es nicht wagen, Hand an sie zu legen, ganz gleich, wie viel Schuld sie zuvor auf sich geladen hat. Die Götter werden schützend ihre Hand über sie halten. In jedem Kloster, in jedem ihrer Tempel wäre sie sicher.«
|Adressat=An Ihre Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane von Erlenfall]], Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
Liebste Schwester,


|Text=mit großer Freude habe ich vernommen, dass du nun dem Peraine-Tempel zu Rallingen vorstehst! Ein wenig stolz bin auch ich, schließlich haben wir zusammen unser Noviziat bestritten und sind über die Zeit Schwester geworden und das nicht nur im Glauben! Gerne denke ich an unsere gemeinsame Zeit im [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]] zu [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] zurück und deswegen bin ich auch ein wenig betrübt, dass wir uns nun nicht mehr so oft sehen werden können, weil du nun in Rallingen weilst und ich auf Scharfenstein.
»Eingesperrt wäre sie«, meldete sich Waad zu Wort, »Könnte diesen Ort nie wieder verlassen, ohne seinen Zorn zu spüren zu bekommen. Und das schlimmer als jemals zuvor. Nie wieder ihre Söhne sehen.«


Gewiss hast du es bereits gehört und wie könntest du auch nicht? [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] hat mich zu seiner Hofkaplanin gemacht. Das kam so unerwartet für mich, dass ich gar nichts zu sagen gewusst hatte. So bin ich also nun bei Hofe. Es ist mir alles noch recht fremd, aber aus der gemeinsamen Zeit der Fehde kenne ich schon einige, auch wenn ich mich an den Verlauf des Lebens hier erst noch gewöhnen werden muss.
»Leben muss bewahrt werden. Um jeden Preis. So lehrt es meine Herrin. Und genau das gilt auch für Algerte.« Sie hielt einen Moment inne. »Ihr Tod nutzt nur einem.«


Obgleich ich dich gerne besuchen kommen möchte, so weiß ich noch nicht, wann dies möglich sein wird, denn die [[Garetien:Ailsa ni Rian|Verlobte]] des Barons wurde von Tsa gesegnet. Neu ist dir das freilich nicht, so warst du ja mit ihr und einigen anderen Getreuen in [[Garetien:Junkertum Erlenfall|Erlenfall]] und ihre Umstände werden dir kaum entgangen sein. Und der Baron wünscht, dass ich bis zu ihre Niederkunft, die ich im tiefen Winter erwarte, stets in ihrer Nähe bleibe. Natürlich ist Rallingen nicht weit, aber dennoch ziehe ich es vor erst einmal hier auf Scharfenstein und in der näheren Umgebung zu bleiben. Nicht zuletzt bin ich die Ratgeberin des Barons und gerade in dieser Zeit, da es an Unterstützung aus Luring durch [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] mangelt und die Gefahr durch die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] nur verschoben, aber nicht aufgehoben wurde, braucht er Rat dringender denn je, auch wenn ich einfach nicht weiß, was ich ihm raten soll.
Die junge Frau nickten betrübt.


Möge die Herrin [[Peraine-Kirche|Peraine]] stets gut auf dich Acht geben!
»Aber welcher Tempel würde ihr Schutz gewähren?«, warf Waad ein, »Ganz Schwarztannen weiß was damals geschehen ist. Die Menschen haben sich die Mäuler über sie zerrissen. Noch heute...« Ihre zitternde Stimme brach.


|Absender=Deine Schwester
Peralina zuckte mit den Schultern: »Bis heute kann ich nicht sagen, wem ich wirklich glauben schenken kann.« Sie leckte über ihre Lippen. »Das Urteil war jedoch eindeutig.« Nun nickte sie. »Es gibt nur eine Kirche, die hier in der Baronie einen Tempel ihr eigen nennt und wenig auf die Ereignisse auf Dere gibt. Nur eine.«


[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]
== Weißer Rabe ==
}}


==Hofkaplanin==
=== Dunkelheit ===
Gegeben im Efferd 1044, Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
ZFS: Langsam kommt Algerte wieder zu Bewusstsein, doch noch umfängt sie Dunkelheit.


{{Brief
[[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel des Weißen Raben]] zu Hexenmühle, Rahja 904 BF
|Adressat=An Ihre Gnaden [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
Liebste Schwester,


|Text=auch ich habe mit großer Freude von deinem neuen Amt erfahren! Überall spricht man darüber, Lindegard. Eine Peraine-Geweihte als Hofkaplanin, wer hätte das gedacht? Wohl keiner, werte Schwerter, keiner. Natürlich mag der Umstand, dass [[Garetien:Ailsa ni Rian|Baron Dregos Liebst]] von Tsa gesegnete worden ist eine Rolle bei deiner Ernennung gespielt haben, entscheidend wird allerdings deine Rolle an der Seite des [[Garetien:Drego von Altjachtern|Barons]] in der Fehde gewesen sein. Du musst einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen haben! Mich verwundert das nicht, denn du bist eben nicht nur eine kundige Geburtshelferin, sondern auch eine begabte Heilkundige!
Als [[Garetien:Algerte Phexlieb von Schwarztannen|sie]] erwachte war es still um sie herum. Still und dunkel. Die Luft war von Weihrauch erfüllt. Sie versuchte sich zu orientieren. Zu begreifen wo sie war. Aber sie wusste es nicht. Es war zu dunkel. Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Glieder waren so unendlich schwer. So versuchte sie ihren Kopf zu heben, doch auch das schaffte sie nicht. Schmerzerfüllt sank sie zurück in das weiche Kissen und atmete angestrengt ein und aus. Ihr Kopf schmerzte. Sie biss die Zähne zusammen. Und erst da bemerkte sie: Sie war nicht allein.


Leider fürchte auch ich, dass ich so bald nicht Rallingen verlassen werden kann. Ganz wie auch du muss ich mich zuerst einmal an mein neues Amt und die damit einhergehenden Verpflichtungen gewöhnen. Es war wohl ausgemacht, dass ich der Prätorin hier eines Tages folgen würde, doch das es sobald geschah war nicht geplant. So fehlt mir viel Erfahrung, Zeit und Wissen und dennoch muss ich diesem Tempel vorstehen. Es verlangt mir gerade viel ab. Ich denke, dass es dir auch nicht anders ergeht. Erst die Fehde und dann eine Aufgabe, der wir noch nicht richtig gewachsen zu sein scheinen. Ob unsere Herrin uns wieder einmal prüft?
Sie lag in einem Bett, das begriff sie jetzt. Und an ihrem Bett, da saß jemand. Auf der Bettkante saß jemand. Eine Gestalt. Dunkel zeichneten sich ihre Umrisse gegen die sie umgebende Finsternis ab. Ein Schatten. Mehr nicht. Ohne Gesicht. Bestehend aus Dunkelheit. Aus Finsternis. Doch sie hatte keine Angst. Keine Furcht.


Als Ratgeberin des Barons liegt eine schwere Aufgabe auf dir und dennoch bin ich sicher, dass du auch diese meistern wirst. Leider kann auch ich dir nicht sagen, was für einen Rat du ihm geben sollst. Vertraue auf unsere [[Peraine-Kirche|Herrin]], Sternguckerin, sie steht uns immer bei und wird dir ganz gewiss auch jetzt beistehen.
Der Schatten beugte sich über sie. Eine Hand oder vielleicht doch eher ein Flügel streifte über ihre Stirn. Ganz weich und anschmiegsam. Da wurden ihre Lieder so schwer, dass sie einfach zufielen. Der Schmerz wich zurück. Und ihr Bewusstsein auch.


Ich sehne jenen Moment unseres Wiedersehens bereits jetzt herbei. Bis dahin gib gut auf dich Acht!
»Dem Raben gebührt, was des Raben ist«, raunte eine leise, leicht krächzende Stimme, »Und noch bist du noch nicht ganz sein.«


|Absender=Deine Schwester
=== Vergessen ===
ZFS: Der Herr des Vergessens hat Algerte ein ganz besonderes Geschenkt gemacht.


[[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]]
[[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel des Weißen Raben]] zu Hexenmühle, Rahja 904 BF
}}


==Traviabund==
Immer wieder erwachte sie. Und immer wieder sank sie in die Bewusstlosigkeit zurück. Aber mehr und mehr nahm sie die Welt um sich herum wahr. Geweihte des Schweigsamen kamen, wuschen ihren kraftlosen Körper, wechselten die Verbände, flößten ihr Brühe ein. Sie sprachen kaum, beantworteten ihre Fragen nur spärlich, beteten aber für sie und mit ihr, meist schweigend. Und so seltsam sie das auch zu Beginn fand, so erfüllten sie die Gebete mehr und mehr.
Gegeben im Travia 1044 auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


{{Brief
Irgendwann jedoch kam eine Geweihte der Herrin Peraine. Eine ältere Frau mit grauem Haar. Ein leichter Geruch nach Knoblauch lag in der Luft. Vermischte sich mit dem Weihrauch. Die Geweihte setzte sich an ihr Bett, nahm ihre Hand und blickte sie lange an.
|Adressat=An Ihre Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane von Erlenfall]], Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
Liebste Schwester,


|Text=das Fest der eingebrachten Früchte liegt hinter mir, genauso wie der [[Travia-Kirche|Travia]]bund des [[Garetien:Drego von Altjachtern|Barons]] mit seiner [[Garetien:Ailsa ni Rian|Verlobten]]. Die Zahl der Gäste war überschaubar gewesen, der Baron hatte nur einige wenige, darunter seine Familie und Freunde dazu eingeladen. Eigentlich hätte er wohl gerne eine große Feier dazu abgehalten, doch die Zeit drängte ihn diesen Schritt zu tun: Die Niederkunft seiner Gattin erwarte ich im Winter und ihm war es wichtig den Bund vor der Herrin Travia noch davor zu schließen. Es ging ihm wohl um die Legitimität seines Nachwuchses und die Sicherung der Erbfolge. Natürlich muss ich nicht erwähnen, dass Baron Drego seinen Namensvetter [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] zum Traviabund eingeladen hat. Erschienen ist er jedoch, wie wir es uns gedacht hatten, nicht. Ein wenig betrübt über diesen Umstand wirkte Baron Drego dann schon. Mir scheint, dass er sich dem Grafen sehr verpflichtet fühlt, vielleicht sogar etwas zu sehr. Die Geburt seines Erben oder seiner Erbin will er jedoch groß Feiern.
»Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du noch am Leben bist«, eine einzelne Träne rollte der Geweihten die Wange hinab. Sie wischte sie nicht fort. Sie tropfte auf ihre Robe und hinterließ einen kleinen nassen Fleck. »Nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der so etwas überlebt hat! Nie hätte ich gedacht, dass du das überlebst. Nie! Vermutlich ist es einzig und allein der guten Pflege von...«


Besonders enttäuscht war Baron Drego jedoch über das Fortbleiben eines Großteils seiner [[Garetien:Familie Altjachtern|Familie]]. Seine [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] kam nicht, weil sie nichts von der Braut hält. Man erzählt sich, sie habe ihrem Sohn als Erwiderung auf die Einladung geantwortet, dass sie es nicht für gut heißen können, wenn sich so eine dahergelaufene diebische Elster sich über ein Kind den Baronstitel sicherer. Das ärgerte Drego wirklich zutiefst, zumal nichts davon den Tatsachen entspricht: Das Wappen der Familie Rían zeigt eine Krähe und keine Elster. Die Reichsritterin war schon vor Dregos Belehnung von Tsa gesegnet und darüber hinaus bleibt der Baronstitel in der Familie Altjachtern, obgleich der Ehevertrag vorsieht, dass die Kinder wechselseitig den Familienamen Altjachtern und [[Garetien:Familie Rian|Rían]] tragen. Abgesehen davon, dass Drego ohne die Familie seiner Gattin und deren Verbündete Schwarztannen niemals hätte erringen oder gar die Waldsteiner so lange hätte beschäftigen können.
»Wo bin ich?«, hob die Verwundete an.


Neben der Mutter ich auch der [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Bruder]] des Barons nicht erschienen. Er stünde zu sehr im Einfluss seiner Mutter, heißt es. Gekommen sind jedoch seine [[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Schwester]], die Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] in der [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Stadt Überdiebreite]] in [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldstein]] ist und zu der Drego nicht viel Kontakt hat und sein [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]], der seine Gattin einfach nicht ausstehen kann und schon alleine gekommen ist, um ihr eins aufzuwischen. Trotz all dieser Umstände, war es eine schöne, kleine Feier.
»Im Schoß des Ewigen«, erklärte die Geweihte und blickte gütig auf die Frau hinab. In ihren alten Augen lag Wärme und Zuversicht. »In einem seiner Tempel.«


Unser Wiedersehen rückt mit jedem vergangenen Tag stetig näher!
»Boron«, langsam nickte sie, »Was ... was ist passiert?«


|Absender=Deine Schwester
»Du warst dem Tod sehr nahe«, erklärte die Geweihte, »Sehr nahe. Aber Golgari, so sagten uns seine Diener, fand deine Zeit noch nicht gekommen. Und so kämpften wir um dein Leben. Und sie halfen dabei.«


[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]
»Hm«, machte die Verletzte nachdenklich und versuchte sich aufzusetzen. Die Geweihte half ihr. Schob ihr ein Kissen in den Rücken. Und setzte sich dann wieder. »Und was ... was ist passiert?«
}}


==Zwillinge==
»Ein Unglück«, erklärte sie schlicht und so als würde das einfach alles erklären und irgendwie tat es das auch.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 16. Hesinde 1044 BF


„Er sieht Euch wirklich sehr ähnlich!“, versicherte ich dem stolzen Vater, der mit seinem Sohn im Arm auf der Bettkante saß.
»Dann bin ich wohl beim Klettern gestürzt«, schloss sie, »Sollte wohl besser aufpassen.« Sie nickte. »Warum nicht ein Tempel des Herrn Phex? Warum ... Boron?«


„Meint Ihr...“, er schaute mich mit Freudenträne in den Augen an, „... meint Ihr wirklich, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?“
Verwundert blickte die Geweihte sie da nun an: »Ich ... ich glaube, ich verstehe nicht.«


Ich bestätigte lächelnd und nickte: „Ja, ganz der Vater.
»Es ist mein Zweitname. Mein Vater gab ihn mir, weil ich im Phex und dann auch noch am Tag des Glücks geboren wurde. Meine Mutter hielt das erst für einen Scherz.« Sie lachte kurz auf, wobei sie schmerzerfüllt das Gesicht verzerrte. »Wie ... wie geht es ihr?«


Verzückt blickte er auf den gerade eben erst geborenen Knaben in seinen Armen herab: „Er soll [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]] heißen. So wie ich.
»Das... das... ist mir nicht bekannt«, erwiderte die Geweihte kopfschüttelnd, »Aber warum Phex?«


„Und wie Euer Freund, der [[Garetien:Drego von Luring|Graf]]“, fügte ich nickend hinzu, „Ein guter und sehr passender Name. Gewiss wird der Graf sich geehrt fühlen.“
»Weil ich dort im Noviziat bin.«


[[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] nickte versonnen: „Gewiss wird er das. Sein zweiter Name wird [[Garetien:Danos von Luring|Danos]] lauten. Nach Danos, dem Ritterlichen.
Die Peraine-Geweihte riss ungläubig die Augen auf. »Noviziat?«, entfuhr es ihr wenig darauf und gerade in jenem Moment, dass gesprochen hatte, setzte eine Art Erkenntnis ein. »Kennst du ... deinen Namen?«


Wieder nickte ich.
Die Versehrte lachte: »Algerte Phexlieb von Waldfang. Und wer seid Ihr?«


„Als dritten Namen wird er einen Albernischen tragen. Das hat sich Orknäschen gewünscht und... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]?“, er wandte sich zu seiner Gattin um und fand sie schlafend vor. Neben ihr lag das Zweitgeborene, ein [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Mädchen]], und schlummerte friedlich in den Armen ihrer Mutter. Zärtlich strich Baron Drego das noch feuchte Haar aus der Stirn seiner Liebsten.
»Erinnerst du dich denn nicht an mich?«


„Lasst sie schlafen, Euer Hochgeboren“, riet ich dem frischgebackenen Vater, „Für den dritten Namen Eures Sohnes ist auch später noch Zeit.
Sie zog die Stirn kraus. Musterte die Geweihte kritisch: »Kennen wir uns?«


Er nickte, dabei fiel sein Blick auf das Mädchen und er erklärte: „Sie sieht aus wie ihre Mutter.“ Er seufzte. „Und sie ist genauso hübsch. So hübsch wie Orknäschen.“ Erneut nickte er. „Sie wird den Namen von [[Garetien:Lechmin von Luring|Lechmin von Luring]] tragen. Und den von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].“
»Ich bin Peralina Tempeltreu«, stellte sie sich vor, aber Algerte schüttelte nur Kopf. Peralina nickte noch nachdenklicher. »Kannst du mir sagen, wer der Kaiser des Mittelreiches ist?«


„Wahrlich große Namen habt Ihr da für Eure Kinder gewählt“, schloss ich.
»[[Valpo|Valpo von Almada]] natürlich.«


„Ja“, bestätigte der Baron nickend, „Sie sind etwas besonderes, Schwester Lindegard. Vermutlich werden das viele über ihre Kinder sagen, aber… aber ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass die Götter auch mir dieses Glück zuteil werden lassen. Und nun?“ Er wandte seinen Blick zu mir. „Nun habe ich eine Frau, die ich aus tiefsten Herzen liebe und zwei gesunde und wunderschöne Kinder. Was kann ich mehr wollen?“
=== Schutz ===
ZFS: Obwohl sie keine Gefangene ist, wird ihr dringend davon abgeraten, den Tempel zu verlassen. Schutz kann Algerte nur hier gewährt werden.


Ja, was konnte er mehr wollen? Mehr als eine Frau, die er liebte, und zwei gesunde Kinder?
[[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel des Weißen Raben]] zu Hexenmühle, Rahja 904 BF


==Belehnung==
»Wer ist der Kaiser?«, wollte Algerte von der Geweihten wissen, nachdem diese sich um ihre Wunde gekümmert und auf die Kante ihres Bettes gesetzt hatte um zu beten.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 16. Hesinde 1044 BF


Noch am selben Abend stellte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] seine Kinder beim gemeinsamen Abendmahl seinem [[Garetien:Hof des Barons von Schwarztannen|Hof]] vor. Während er den Knaben im Arm hielt, hatte er mir das Mädchen anvertraut.
Die Geweihte hob langsam ihren Kopf, schob mit einer eleganten Bewegung die Kapuze ihrer schwarzen Robe zurück und offenbarte ihr rotes Haar. Sie hob ihren Blick. Jung wirkte ihr Gesicht. Doch ihre blau-grünen Augen offenbarten, dass sie nicht mehr so jung sein konnte. Andächtig faltete sie ihre Hände und legte diese in ihren Schoß.  


„Die ist mein Sohn“, verkündete er stolz, „Mein Erstgeborener. Mein Erbe. Eines Tages wird er den Baronsreif tragen und mir nachfolgen. Wir gaben ihm den Namen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego Danos Ruairi von Altjachtern]].“
»Hm«, machte Algerte, »Was ist aus [[Valpo|Valpo von Almada]] geworden?«


„So lasst uns trinken“, forderte die Heroldin [[Garetien:Valaria von Wiesenthal|Valaria von Wiesenthal]] die Anwesenden auf, „Auf den kleinen Drego!“
»Seine Zeit war gekommen.«


„Auf Drego!“, prosteten sich die Anwesenden zu und tranken.
»Wie du das sagst«, stutzte die Adelige und schüttelte den Kopf.


„Und jenes Kind“, fuhr der Baron anschließend vor, „in den Armen [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegards]] ist meine Tochter. Ein Mädchen so schön wie ihre [[Garetien:Ailsa ni Rian|Mutter]]. Sie trägt den Namen [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Luned Lechmin Hermine ni Rían]].“
»Vor Boron sind alle gleich.«


„Dann lasst uns wieder trinken“, erklang erneut die Stimme der Heroldin, „Auf die liebreizende Luned!“
»Aber dann muss es doch jemanden geben, der ihm nachfolgt?«


„Auf Luned!“ Wieder wurde getrunken.
»Es gibt viele«, erwiderte die Geweihte ruhig, »und doch keinen einzigen.«


„Und weil dieser Tag ein ganz besonderer Tag ist, will ich meine beiden Kinder gleich auch mit eigenen Gütern ausstatten. Meinen Sohn Drego mache ich zum [[Garetien:Herrschaft Windau|Edlen über Windau]]. Als seinen Vogt bestalle ich [[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]]. Nehmt Ihr dieses Amt an?“ Der Baron wandte sich dem Ritter. Der Angesprochene erhob sich und erklärte: „Eine große Ehre, die Ihr mir da zuteil werden lässt, Euer Hochgeboren. Gerne nehme ich an.“ Nach einer förmlichen Verbeugung setzte er sich wieder.
»Dann wäre das Reich doch ohne Herren! Aber du sagt das so, als würde es dich nicht ... nicht im geringsten kümmern?«


„Und meine Tochter Luned wird [[Garetien:Herrschaft Alden|Edle von Alden]]. Ihre Vögtin soll [[Garetien:Eilein ni Rian|Eilein ni Rían]] sein. Wollt auch Ihr dieses Amt annehmen?“
»Es kümmert den Ewigen nicht«, erklärte sie langsam nickend, »Und damit kümmert es auch mich nicht. Dem Ewigen schert vieles nicht. Ihm ist gleich, was für Titel wir uns geben, welche Länder wir beanspruchen oder auch nur was wir besitzen. Vor ihm sind wir alle gleich. Ein jeder von uns.« Sie hielt einen Moment inne. »Eines Tages werden wir ihm alle gegenüber treten. Uns alle ereilt dasselbe Schicksal.«


Auch Eilein erhob sich: „Habt Dank für diese Ehre. Gerne werde ich Eurer Bitte nachkommen.“
Algerte schwieg einen Moment, ehe sie wissen wollte: »Und wie lange war ich ohne Bewusstsein, dass ich den Tod eines Kaisers und seine fehlende Nachfolge nicht mitbekommen habe?«


== Aussichtslos ==
Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: »Nur wenige Tage, doch hat mein Herr dir seine Gnade des Vergessens zu teil werden lassen. Oder...« Und ein Lächeln legte sich über ihre Lippen.  »... war es vielleicht sein ihm sehr verbundener Bruder?«
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 17. Hesinde 1044 BF


„Die Geburt meiner [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Kin]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|der]]“, eröffnete [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] ungewöhnlich ernst seinen engsten Beratern, „Sie hat etwas in mir verändert. Ich bin für diese beiden unschuldigen Wesen verantwortlich. Ich bin es, der dafür sorge tragen muss, dass ihnen kein Leid widerfährt, dass sie behütet und beschützt aufwachsen. Doch, wie kann ich das?“ Er hielt einen Augenblick inne und blickte in die Runde. „Da draußen warten die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] nur darauf, dass die Frist abläuft und sie wieder in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] einfallen können. Und das werden sie, ohne jeden Zweifel. Und der [[Garetien:Irberod von Leustein|Leusteiner]]?“ Er schaut mich einen Augenblick fragend an, „Er wird dafür Sorge tragen, dass es dieses Mal noch schlimmer werden wird. Dieses Mal wird nichts mehr von Schwarztannen übrig bleiben, sie werden alles besetzten und Scharfenstein verwundbar. Die Burg wird fallen.“ Nun schluckte er schwer. „Und ich mit ihr. Und ihr alle mit ihr.“ Wieder hielt er einen Moment inne und schenkte den Anwesenden einen vielsagenden Blick. „Doch noch schlimmer ist, dass es alle treffen wird. Wirklich alle. Und das Schlimmste ist: Es wird auch meine beiden Kinder und meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Liebste]] treffen. Und was dann?“ Der Baron, der am Kopf der Tafel saß, straffte sich.
Einen winzigen Augenblick nur lag Erstaunen im Blick der Adeligen, dann jedoch kam der schmerzerfüllte Gesichtsausdruck zurück. Die Geweihte lächelte immer noch. Dieses Mal noch etwas vielsagender und freundlicher als Algerte das eine Dienerin des Schweigsamen zugetraut hätte. Und wenn sie es recht bedachte, war die Geweihte auch viel zu hübsch für den Dienst an solch einem Herrn. Außerdem hatte sie rotes Haar.


„Eure Gattin und Eure Kinder könnte ihr immer noch in den [[Fürstentum Kosch|Kosch]] zu deren Familie bringen. Dort werden sie gewiss sicher sein. Es ist nicht zu erwarten, dass das Fürstentum sich in die Fehde einbringt“, meinte die Rondra-Geweihte [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rían]], „Somit sind auch keine Angriffe von [[kos:Gräflich Zwischenwasser|Zwischenwasser]] zu erwarten. Allerdings löst dieses Vorgehen das grundsätzliche Problem nicht...“
»Du bist nicht die einzige, die es meinen Dienst hier unpassend findet«, kommentierte sie und zog eine Augenbraue nach oben, »Aber alles hat einen Grund. Doch nicht immer ist er für uns Menschen ersichtlich.«


„So ist es“, Drego zuckt etwas hilflos mit den Schultern, „Im Fall des Falles, würde ich es natürlich vorziehen meine Liebst und unsere Kinder in den Kosch in Sicherheit zu bringen, aber... Ich würde meine Kinder nicht sehen. Sie würden ohne mich aufwachsen und die Waldsteiner, sie würden mich wahrscheinlich festsetzten. Ich würde noch immer Baron sein, doch... hätte ich keine Macht mehr, sondern die hätten sie, die Waldsteiner.“ Er seufzte schwer. „So sehr ich auch versuche meinem Hirn eine Lösung für dieses Problem abzuringen, es gelingt einfach nicht. Ich bräuchte dringend Unterstützung dem [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] und... und ich kann es nicht verstehen, warum er mir niemanden schickt. Ja, der [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforst]] ist nahezu an allen Grenzen in Bedrängnis, aber...“
»Wie lange wird es dauern, bis ich in den Tempel meines Herren zurückkehren kann


„Ihr werdet keine Unterstützung vom Grafen erhalten“, erklärte [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]], „Er zieht es vor alles gegen die [[Garetien:Kaisermark Gareth|Kaisermärker]] aufzubieten. Es scheint mir, dass ihm jener Kampf wichtiger ist oder... oder dass ihm jene, die sich dafür einsetzten wichtiger sind. Um es ganz klar zu sagen: Euer Namensvetter und Lehensherr lässt Euch im Stich!“
Ihre Gegenüber holte angestrengt Atem: »Verlasse den Tempel des Ewigen nicht, Algerte. Niemals!« Plötzlich wirkte sie sehr ernst. »Der Ewige schützt dich. Er gibt auf dich acht. Aber er kann das nur in seinem Schoß tun. Du musst wissen, die Welt dort draußen ist gefährlich. Auch wir gehen nur hinaus, wenn uns sein Ruf ereilt. Und meist vermeide ich auch das. Hier drinnen...« Sie deutete im viel zu kleinen Zimmer herum. Es gab lediglich ein schmales Bett mit einer Kleidertruhe an dessen Fußende, ein kleines Nachtkäschen und einen dreibeinigen Hocker. »... sind wir sicher. Dort draußen nicht.«


Einen Moment herrschte Schweigen.
»Dann ... dann bin ich eine Geisel? Ihr haltet mich hier fest?«


„Vielleicht können wir Söldner anheuern?“, schlug [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]] vor und fügte sogleich noch hinzu: „Wobei ich fürchte, dass das aussichtslos sein wird. Ich nehme an, dass alle zur Verfügung stehenden Kräfte bereits irgendwo gebunden sind und um sie abzuwerben fehlen uns vermutlich die Mittel. Die [[Garetien:Grafschaft Schlund|Schlunder]] und Kaisermärker werden in dieser Hinsicht besser aufgestellt sein…“
Die Geweihte schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Du kannst den Tempel jederzeit verlassen. Aber dort draußen, bist du auf dich alleine gestellt. Dies sei dir bewusst.« Damit erhob sie sich und wollte bereits das Zimmer verlassen als Algerte noch einmal das Wort ergriff: »Wie ist dein Name?«


[[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]] nickte: „Aussichtslos. Es gibt keinerlei Kämpfer mehr, die wir anwerben könnten oder die wir gut genug bezahlen könnten als dass sie sich auf unserer Seite stellen. Doch bin ich nicht bereit den Waldsteinern einfach so Schwarztannen zu überlassen, auch wenn sie uns ohne Verstärkung wieder vor sich hertreiben werden. Die Situation scheint recht aussichtslos...“
»[[Gareiten:Etilinae Tempeltreu|Etilinae]]«, sie wandte sich zu der anderen um, »Er machte ihn mir zum Geschenk. Wirst auch du sein Geschenk annehmen?«


„Vielleicht sollten wir mit den Waldsteinern verhandeln?“, schlug ich etwas naiv vor, „Vielleicht lassen sie mit sich sprechen? Wenn wir Ihnen ein Angebot machen, dass sie nicht ablehnen können?“
=== Geheimnis ===
ZFS:


„Und was für ein Angebot sollte das sein, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?“, wollte Fael ui Rían wissen, „Sie haben bereits geplündert was sie haben plündern können. Einzig in [[Garetien:Junkertum Erlenfall|Erlenfall]] und [[Garetien:Edlenherrschaft Weißenhain|Weißenstein]] gibt es noch etwas zu holen.“ Er zuckte mit den Schulter. „Außerdem sind sie uns zahlenmäßig weit überlegen, konkret bedeutet das für uns, dass es für sie keinen Sinn macht uns in irgendeiner Weise entgegen zu kommen. Es sei denn...“ Einen Moment hielt er inne und fixierte mich. „... wir schlagen ihnen etwas vor, was sie nicht ablehnen können und ich rede nicht von so etwas wie von dem Umstand, dass wir wegsehen, wenn sie durch Schwarztannen mit ihren Truppen nach [[Garetien:Gräflich Luring|Gräflich Luring]] ziehen...
Im Praios war Algerte wieder so weit genesen, dass sie aufstehen und umhergehen konnte. Unter den wachsamen Augen von Geweihten und Novizen, Mägden und Knechten erkundete sie den Tempel. Bald jedoch war er ihr zu klein. Vor allem jedoch zu ruhig. Selbst die Schritte der Geweihten waren kaum zu vernehmen. Sehnsuchtsvoll dachte sie an ihr Noviziat im Phex-Tempel zurück. Dort war es niemals so leise gewesen. Es hatte ein stetes Kommen und Gehen gegeben, ständiges Gemurmel und immerzu hatte ihr Lehrmeister eine Aufgabe für sie gehabt. Manchmal hatte sie nur gelauscht, andere Male hatte sie Informationen und später Dinge ausgetauscht oder beschafft. Lächelnd dachte sie zurück.


„Ganz abgesehen davon, dass es gewiss nicht im Sinne des Grafen ist, wenn wir mit ihnen verhandeln“, meldete sich Baron Drego zu Wort.
So zog es sie in den Garten. Seltsam. Noch nie hatte sie einen Boron-Tempel mit einem Garten gesehen. Zumindest nicht mit so einem. Die Bäume waren alt und ehrwürdig und spendeten mit ihren niedrigen, aber stark belaubten Kronen bestehend aus verkrüppelten und gewundenen Ästen reichlich Schatten. Darunter gab es Büsche und Sträucher. Blumen fanden sich nicht. Dafür jedoch Kräuter. Manche rochen gar nicht, andere rochen sehr stark und intensiv. Dazwischen schlängelte sich ein kleineres, leise plätscherndes Bächlein umher, über das eine viel zu massive Brücke aus Bruchstein führte. Woher der Strom kam, war ebenso unklar, wie wohin er ging. Dazwischen fanden sich immer mehr oder weniger verwitterte und mit Moos bewachsene Darstellungen von Raben. Mal hingen sie von Bäumen herab. Andere standen auf hohen, schmalen Sockeln oder versteckten sich in den Gebüschen. Einer lugte gar aus dem kleinen Bächlein heraus, die Schwingen zum Flug erhoben. Doch eines hatten sie alle gemein: Sie waren allesamt weiß. Nun, sie befand sich auch im Tempel des weißen Raben. Und alle Tier, von es so einige hier gab, waren ebenso weiß. Weiße Mäuschen, die durch das Gebüsch huschten. Weißen Vögel, die leise in den Bäumen sangen. Ein weißes Eichhörnchen, dass seinen Kobel in einer der Kronen hatte und blitzschnell über die Grasflächen huschte. Natürlich war auch immer wieder ein weißer Rabe zu sehen. Das Tier schien gut mit der Tempelvorsteherin bekannt zu sein. Algerte sah sie oftmals in stiller Zwiesprache vereint. Ein Anblick, der ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut verschaffte.


„Woher sollen wir wissen, was in seinem Sinne ist?“, wollte ich da wissen, „Ich habe nichts von ihm gehört. Ihr etwa, Hochgeboren?“ Der Baron schüttelte lediglich seinen Kopf. „Und ja, Ihr verdankt Graf Drego viel und dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nicht unterstützt und er wird euch auch nicht unterstützen.
Es gab noch etwas, das ihr ins Auge fiel. Viel eher jemand. Ein Knabe mit feuerrotem Haar. Er trug die Tracht eines Novizen, musste also im passenden Alter sein und kümmerte sich um die Tiere im Garten. Manchmal spielte er auch mit ihnen, als gäbe es keine anderen Kinder hier. Dabei gab es andere. Eines Tages setzte er sich neben sie auf die Bank unter einen der Bäume und schwieg. Er saß eine ganze Zeit so da und schwieg. Doch irgendwann wurde er unruhig.


== Entscheidung ==
"Bleibst du noch lange hier sitzen, Algerte?", wollte der Knabe wissen und vermied es sie anzusehen.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 17. Hesinde 1044 BF


„Ich habe befürchtet, dass Ihr das sagt“, murrte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], „Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?
Die Adelige lächelte sanft: "Warum fragst du?"


„Eine Entscheidung fällen, denn Ihr könnt Eure Familie nicht schützen, wenn Ihr ständig versucht es dem [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] recht zu machen. Was ist Euch also wichtiger? Der Graf oder Eure Familie?“
"Du weist doch, ich kümmere mich um die Tiere hier im Garten", nun nickt er so, als würde das einfach alles erklären und blickte sie aus seinen tiefblauen Augen an. Algerte schüttelte sich. An irgendjemand erinnerte sie der Knabe, doch sie konnte sich nicht erinnern, an wen.


„Meine Familie“, erwiderte er prompt, „Sie ist mir wichtig. Wichtiger als...“ Er brach ab. „[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] gibt mir Halt. Sie ist...“ Erneut hielt er inne. „Ich liebe sie sehr. Ich will sie nicht verlieren. Ich habe das für sie und unsere [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Kin]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|der]] getan. Ich...“ Er schluckte. „Ich habe der [[Garetien:Hermine von Alka|Alka]] in die Augen geschaut, als sie starb und es.. es verfolgt mich. Ich.. ich weiß nicht, ob es richtig war, aber.. aber was hätte ich denn tun sollen?“ Nun zuckte er hilflos mit den Schultern und blickte [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rían]] an: „Glaubt Ihr, es war richtig?“
"Wie heißt du?"


„Hermine von Alka hätte nicht darauf eingehen müssen“, erwiderte sie mit fester Stimme, „Es war ihre freie Entscheidung sich darauf einzulassen. Ja, vermutlich hat sie gedacht, dass ihr ein einfacher Gegner seid, aber nun... die [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] hat sie für ihre Hybris bestraft, so wie es eben ihre Art ist. Die [[Peraine-Kirche|Herrin Peraine]]...“ Sie schenkte mir einen vielsagenden Blick. „... oder eine ihrer anderen göttlichen Geschwister hätte das gewiss anders getan, aber... ein Duell auf‘s Dritte Blut endet nun mal mit dem Tod eines der Kombattanten. Also kann ich Euch auf die Frage, ob es richtig war oder nicht ganz klar sagen: Ja, es war richtig.“
"Bayrin"


„Ich bin mir nicht sicher, was Eure Herrin uns damit sagen wollte. Auf welcher Seite steht sie denn jetzt?“, warf der Baron die Frage auf, „Auf der der [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] oder auf der der [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]]?
"Und deine Mutter ist Etilinae, nicht wahr?"


„Sie steht auf Eurer Seite“, erwiderte die Geweihte, „Meine Herrin war doch diesbezüglich recht eindeutig oder der Schiedsspruch war es in diesem Punkt vielmehr: Sie steht weder auf der Seite des [[Garetien:Haus Luring|Hauses Luring]], noch auf der Seite des [[Garetien:Haus Hartsteen|Hauses Hartsteen]]. Somit steht sie auch nicht auf der Seite der Reichsforster. Weiter hat sie im Duell zwischen Euch und Hermine von Alka nicht nur deutlich genug gezeigt, dass sie das Verhalten der Waldsteiner nicht gut heißt, sondern auch dass sie nicht auf ihrer Seite steht. Warum sonst hättet Ihr gewinnen sollen? Ihr wart offensichtlich – und Ihr wisst das ich die Wahrheit sprechen – der Alka einfach nicht gewachsen.
Nun lachte der Knabe, fuhr sich durch seinen roten Schopf und frotzelte: "Scharfsinnige Algerte."


„Und was für einen Rat habt Ihr oder viel mehr hat Eure Herrin jetzt für mich?
Da musste auch Algerte lachen. "Keine Sorge, ich werde dich nicht stören", beteuerte sie, "Oder habe ich das jemals zuvor?"


„Tut einfach das richtige“, erwiderte sie schlicht, „Tut, was getan werden muss. Meine Herrin steht auf Eurer Seite.“ Mit festem Blick schaute sie den Baron an. „Und hört auf das zu tun, was Ihr glaubt was Graf Drego von Euch erwartet. Zum einen wisst Ihr nicht, was er von Euch erwartet, zum anderen gibt es Verpflichtung zwischen Lehensherrn und Vasall denen auch er nachzukommen hat.
"Nein, aber...", hob er an und verstummte sofort wieder. Algerte sah, dass er etwas zu verbergen hatte. Angestrengt dachte der Knabe nach und biss sich dabei auf die Unterlippe. Seine Unruhe nahm zu. Algerte beobachtete aufmerksam. So wie sie es gelernt hatte. Dann seufzte er plötzlich schwer.


„Was er nicht tut“, schloss [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]], „Und da er seinen Verpflichtungen Dir gegenüber nicht nachkommt gibt es für Dich keinen Grund Deinen nachzukommen. Ja, Du magst Dich ihm verpflichtet fühlen und Deine Ehre gebietet es Dir gewiss auch, aber – wie Schwester Lindegard es bereits sagte – musst Du Dich eben entscheiden: Entweder für den Grafen, wobei Du alles verlieren wirst, wirklich alles, oder aber Du entscheidest Dich dazu mit den Waldsteinern zu verhandeln...
"Algerte", flötete der Knabe nun, "Du weist doch sicher, warum der Schweigsame so heißt, nicht wahr? Und was das für seine Diener bedeutet, oder?" Er blickte sie aus seinen tiefblauen Augen an. Ganz klar waren sie. Beinahe so klar, wie der Himmel über ihr. "Und auch für seine Gäste?"


„Ihr solltet aber nicht selber gehen“, mischte sich [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] ein, „Ihr solltet jemanden schicken dem Ihr nicht nur bedingungslos vertraut, sondern der auch unauffällig genug ist. Jemanden, den niemand kennt und dessen Namen niemandem etwas sagt. Jemanden wie...“ Sie wandte ihren Blick zu mir. „... [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]].
"Ich kann eine Geheimnis bewahren", erwiderte sie ihm, "wenn du auch eines bewahren kannst." Damit hielt sie ihm ihre Hand hin.


== Angebot ==
Mit großen Augen musterte er zuerst ihre dargebotene Hand an und schaute ihr dann in die Augen. "Gut", erklärte er und schlug ein. "Gut", stimmte sie zu.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1044 BF


„Ihr werdet nach [[Garetien:Reichsstadt Hirschfurt|Hirschfurt]] reisen“, eröffnete mir [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] einige Tage später. Sie überreichten mir einen gesiegelten Brief und erklärte: „Dies wird Euch als [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Dregos]] Gesandte ausweisen.
Der Knabe zog seine Hand zurück, steckte sie seine Novizenrobe, holte etwas heraus, ließ sich auf die Knie sinken und säuselte: "Schneepfötchen. Schneepfötchen."


Ich nahm ihn an mich, betrachtete das Siegel einen Moment aufmerksam und steckte ihn in mein Vademecum: „Und was werde ich dort, in Hirschfurt, tun?“
Und dann schälte sich etwas aus einem in der nähe befindlichen Gebüsch heraus. Weiß war es. Hatte eine schlanke, spitze Schnauze, aufrechte, dreieckige Ohren und eisblaue Augen.


„Im Auftrag des Barons mit dem [[Garetien:Coswin von Streitzig|Seneschall]], als direkter Vertreter der [[Garetien:Allechandriel Quellentanz|Gräfin]], verhandeln“, erwiderte sie mir prompt, „Allerdings nun... nicht offiziell versteht sich.“ Sie hielt einen Moment inne, ehe sie sich auf einen der Stühle an dem runden Tisch setzte und mich auffordernd anschaut. „Gewiss versteht Ihr doch die Notwendigkeit diese ganze Angelegenheit erst einmal... hm... vertraulich zu behandeln?“
Algerte stockte der Atem.


„Sicher“, erwiderte ich ihr und setzte mich ihr gegenüber.
=== Schneepfötchen ===
ZFS:


„Gut“, meinte sie da und fügte hinzu: „Denn sonst hätte auch der Baron selbst gehen können. So lange wir kein endgültiges Ergebnis haben, darf nichts von diesem ganzen Vorhaben nach außen dringen. Aus diesem Grund werdet Ihr auch einen anderen Grund nennen, der Euch nach Hirschfurt führt.
Auf leisen Pfoten tapste der weiße Fuchs eilig auf den Knaben zu und fraß aus seiner geöffneten Hand. Er war dabei so ruhig und zutraulich. Algerte stand der Mund offen. Eine Gänsehaut lief ihren Rücken hinab. Sie schüttelte sich.


„Hm“, machte ich da, „Und welcher Grund wäre das?“
Nachdem der Fuchs sein Mahl beendet hatte, setzte er sich vor den Knaben und wirkte dabei wie ein zutraulicher Hund. Die Adelige ließ sich neben den Rothaarigen auf den Boden sinken.


„Ein Besuch oder viel mehr Aufenthalt im [[Garetien:Peraine-Kloster Sankt Grelmond|Peraine-Kloster Sankt Grelmond]]“, einen Moment betrachtete sie mich nachdenklich, „Ich denke, dass niemand an dieser Erklärung zweifeln wird, wobei... Es liegt natürlich auch an Euch keinen Zweifel daran zu lassen. Schlüssig erscheint es jedoch: Das Kloster bietet nicht nur die Ruhe, die Ihr nach der ganzen letzten Zeit gewiss suchen könntet, sondern es ist eben auch eines Eurer [[Peraine-Kirche|Herrin]], eines in dem Ihr nicht schon seit Eurer Geburt bekannt seid.
"Schneepfötchen", raunte sie atemlos und glaubte, dieses Namen nicht zum ersten Mal gehört zu haben. "Und Schneepfötchen ist dein ... Geheimnis?"


„Ich nehme an, dass ich alleine gehen werde?
"Ja", hauchte der Knabe ganz leise, "Er ist mein Geheimnis." Nun schluckte er schwer. "Er könnte den weißen Raben fangen. Und das... das darf nicht passieren!" Mit vor Schreck geweiteten Augen schaute er sie an. "Niemals! Verstehst du?"


„So ist es. Eine Begleitung wäre zu auffällig. Zudem – und das wisst Ihr gewiss besser als ich – sind Adelige im Kloster Sankt Grelmond unerwünscht“, gab sie zu bedenken, „Ihr werdet das gewiss auch alleine schaffen.“
Sie nickte stumm.


Ihre Worte entlockten mir ein Schmunzeln: „Sagt, da Ihr nicht beim Seneschall vorstellig geworden sein könnt, weil auch Ihr zu bekannt seid, wie seid Ihr dann an dieses Treffen gekommen?“
"Hochwürden darf es nicht wissen", fuhr er fort, "Sie würde ihn hier nicht dulden. Keinen einzigen Tag. Deswegen muss es geheim bleiben. Unser Geheimnis."


„Ich stehe schon geraume Zeit mit einer [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteinerin]] in Kontakt“, erwiderte sie mir, „Sie hat dieses Treffen vereinbart.“
"Unser Geheimnis", bestätigte sie nickend, "Wie lange ist er schon hier?"


„Und sie ist... hm... vertrauenswürdig?
"Noch nicht lange", meinte der Knabe, "Und ich füttere ihn immer. Damit er nicht hungrig ist. Damit er keinen Grund hat den weißen Raben zu fangen. Verstehst du?"


„So vertrauenswürdig wie eine [[Garetien:Phexiane von Hohentann|Geweihte des Listigen]] wohl sein kann“, meinte die Ritterin da und musste ihrerseits schmunzeln, „Lasst es mich so ausdrücken: Sie ist vertrauenswürdig genug.
"Klug von dir", kommentierte sie, "Weiß du, ich glaube nicht, dass er den weißen Raben fangen wird. Füchse sind überaus klug. Ein ausgewachsener Rabe ist eine schwer zu fangende Beute, da ist es wesentlich einfacher, dir aus der Hand zu fressen."


„Dann soll es so sei“, schloss ich, „Ich werde mein bestes geben, obgleich ich nicht einschätzen kann wie gut ich mich in einer Verhandlung mit einem Seneschall schlagen werde.
Er blicke sie an, seine Augen noch größer als zuvor: "Ich weiß, dass Schneepfötchen den weißen Raben nicht fangen wird, Algerte."


„Verhandeln müsst Ihr nicht“, winkte die Raukenfelserin ab, „Ihr müsst ihm lediglich eine Botschaft überbringen. Ein Angebot.
Ein kalter Schauer jagte ihr den Rücken hinab: "Du weist ... ?"


„Eines das er nicht ausschlagen können wird?“
Der Knabe nickte: "Schneepfötchen ist auf der Suche nach seiner Freundin Mondäuglein."


„Das...“, ein Lächeln legte sich über ihre Lippen, „... werden wir sehen.“
<!--
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
-->
<!--
= Fische im Netz =
== Bedenkzeit ==
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


„Und welches Angebot ist so brisant, dass Ihr es nicht niederschreiben wollt?“
[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
-->
<!--
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
== Einhornfrau ==
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''


„Eines, das alles ändert“, erwiderte die mir geheimnisvoll, „Also, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]], hört mir nun gut zu...
(...)


= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
Zeile 403: Zeile 453:


Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Mutter|Mutter]] ==
'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
„Wie geht es...“, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner [[Greifenfurt:Korgunde von Korbronn|Mutter]]?“
Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“
„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im [[Greifenfurt:Kloster Rabenhorst|Kloster]]?“
„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“
„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“
„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|meinem Vater]] zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Daria]] konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“
„Ach, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“
„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
Tessia schaute zu Marbodane auf. Die [[Boron-Kirche|Boron]]-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“
= Das dritte Kind =
== Albträume ==
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''
''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''
''„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''
''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „[[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''
''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“''
''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
{{Trenner Garetien}}
... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“
„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.
„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.“
„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“
„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“
Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“
„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.
„Welche?“
Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].“
„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?“
„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“
== Bitte ==
Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld
{{Brief
|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
Liebster Drego,
|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
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=Weitere Ideen=
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*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
*Hühnerbeinchen für Drego
*Hühnerbeinchen für Drego
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Aktuelle Version vom 28. Dezember 2025, 13:04 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Custōsa

Gedanken

Zurückzublicken und die eigenen Taten zu beurteilen, ist dem Menschen wohl zutiefst zu eigen. Damit einher geht natürlich die Frage, was man mit dem heutigen Wissen als hätte ändern können. Hätte man das damals bereits gewusst, hätte man alles zum Besseren wenden können – die Welt wäre eine ganz andere, eine bessere. Ja, dieser Blick zurück. Wie verlockend er doch ist! Wie verheißungsvoll! Und wie töricht zugleich. Wie die Menschen nur glauben können, eine einzige Entscheidung von ihnen hätte den Lauf der Dinge ändern können? Sind sie doch nicht mehr als ein winziger Wassertropfen im sommerlichen Morgendunst. Kaum sichtbar, wenig mehr als ein hauchdünner Schleier, durch den man in die Welt blickt, der kaum etwas verhüllt und der ebenso schnell und abrupt verschwindet, wie er gekommen ist. Das Ende, unausweichlich und unabdingbar. Und obwohl sie sich ihrer eigenen Bestimmung bewusst sind, nämlich der, dass sie alle sterben werden, verhalten sie sich nicht so. Sie geben nicht acht. Sie riskieren. Angetrieben vom Gefühl, dass sie mehr verdient haben. Mehr als andere. Weitaus mehr. Von Hass und Ehrgeiz, Neid und Eifersucht zerfressen, vergessen sie ihre eigene Sterblichkeit und riskieren, das Einzige, das sie wirklich ihr Eigen nennen können: Ihr Leben. Interessant, nicht wahr?


Esenfeld

Fremder

ZSF01: Ein Fremder kommt nach Esenfeld

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

»Es ist Zeit«, hob der Fremde an und bedachte die Frau ihm gegenüber aus seinen kalten, blauen Augen voller Abscheu. Der Mann saß hoch zu Ross. Er war ein harter Mann von kräftiger und Statur, dabei ungewöhnlich groß, mit noch immer dichtem schwarzem Haar und einer unfassbar tiefen Stimme. Über einem Kettenhemd trug er einen Wappenrock in Schwarz und Gelb. Ein Schwert in einer kunstvollen Scheide hing an seiner linken Seite. Seine Begleiter waren ebenfalls gerüstet und bewaffnet. Grimmig schauten sie drein. Die Pferde schnaubten. Unruhig drehten sie die Ohren. Das des Bannerträgers tänzelte einige Schritte rückwärts. Das Banner, das zwei schwarze Tannen auf zwei schwarzen Hügeln auf goldenem Grund zeigte, hing trostlos herab. Noch lag eine unerträglich schwüle Hitze über dem Land, doch begannen sich bereits dunkle Wolken am Himmel zu sammeln und einen unheilvollen Schatten auf den Innenhof zu werfen.

Während sich die Bediensteten des Wehrhofs dicht an die Gebäude gedrängt hatten, stand nur eine einzige Frau im Innenhof unweit der alten Eiche. Ein alter und ehrwürdiger Baum, der auch heute noch reichlich Blätter an seinen knorrigen und verwachsenen Ästen trug und dem man nachsagte, dass er schon immer an diesem Ort gestanden haben – noch weit vor dem Wehrhof. Eine alte Legende besagt, dass die Unschuldigen unter ihm stets Schutz fänden.

»Einen weiteren Götterlauf«, bat die Frau unweit des Baumes mit fester Stimme und nickte, wobei ihr eine Strähne ihres dunkelblonden Haares dabei ins Gesicht fiel. Mit einer eleganten Bewegung strich sie es zurück. Ihre tiefbraunen Rehaugen blickten zu dem Reiter empor. Sanft wirkten ihre Züge. Zurückhaltend. Regelrecht verhuscht. »Nur noch einen. Es wird der letzte sein. Ich bitte dich, Ardo, nur noch dieses eine Mal.«

»Nein«, erwiderte der Ritter barsch und ließ seine Rechte durch die Luft schnellen. Seine Augen funkelten zornig. Seine Gesichtszüge waren angespannt. »Nichts da.«

»Im Namen der Götter«, hob sie nun an und beugte beide Knie, wie man es nur vor den Göttern tat, ihr Haupt hielt sie dabei gesenkt, »Im Namen der Sturmherrin, ich flehe dich an: Lass mir meine Kinder. Es ist ein einziger weiterer Götterlauf, um den ich dich bitte. Nur einen noch. Danach sind sie dein. Ich schwöre es.« Bei den letzten Worten blickte sie auf. Ihre Blicke trafen sich. »Vor dem Gerechten.« Sie hob ihre Hand, als wollte sie einen Schwur ablegen.

Er lachte nur: »Vorbei sind die Zeiten, da der Blick eines scheuen Rehes mich milde stimmte.«

»Sie sind noch zu jung«, beharrte sie, »Gibt ihnen noch einen weiteren Götterlauf, Ardo.«

»Wozu?«, spie er nur hervor, »Was solltest ausgerechnet du, Algerte, ihnen geben können?« Einen Moment herrschte angespannte Stille. »Außer Lügen und Verrat?«

»Die Liebe einer Mutter«, kam ihre Antwort prompt, wobei sie ihre Hände einer Umarmung gleich ausbreitete, »Und wenn eine die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern versteht, dann gewiss die Leuin höchst selbst.«

»Liebe gewinnt keinen einzigen Kampf, sie macht einen nur...«, er hielt einen Moment inne und blickte sie mit seinen harten Augen an, »... weich.« Er schluckte. »Naive.« Nun nahm er das Kinn ein Stück weiter nach oben. »Dumm.«

Erste Regentropfen begannen zu fallen. An der Wange der Hausherrin rann einer herab oder war es doch eine Träne?

»Ich habe dich zu lange gewähren lassen. Habe dich beschützt. Habe zu dir gestanden. Aber du...« Er holte Atem. »Die Kinder brauchen endlich ihren Vater!«

Nun lachte sie: »Ihren Vater? Ihren VATER?« Ihre Stimme überschlug sich. Leise begann Donner über sie hinwegzugrollen. Er drückte die Lippen fest aufeinander. Hielt die Zügel verkrampft in seinen Händen. »Vor Götterläufen hätten sie dich gebraucht. Vor Götterlaufen, Ardo! Ein jeder hier ist mehr Vater als du es je sei...«

Da stieß er seinem Pferd die Haken in die Flanken. Sie erhob sich. Das Tier preschte nach vorne. Zorn funkelte in seinen Augen. Nein, purer Hass. Vielleicht sogar Mordlust. Doch sie blieb stehen. Hielt seinem Blick stand. Reckte ihren Kopf noch ein wenig höher. Sie war stolz auf ihre Kinder. Auf jedes einzelne von ihnen. Niemals würde sie zulassen, dass er sie einfach so ihr wegnahm. Wie lange hatte er sich nicht für seine Kinder interessiert? Sie wich nicht aus. Sie blieb stehen. Und sein Hengst ritt sie einfach nieder. Begrub sie einfach unter sich. Sie hatte noch nicht einmal Zeit zu schreien oder war es das Donnergrollen, dass ihre Schreie übertönte? Reglos blieb sie liegen. Nur ihr Brustkorb hob und senkte sich. Blut quell aus verschiedenen Wunden empor. Der Regen wusch es fort. Und ihre Augen folgten dem Mann, dessen Kinder sie geboren hatte.

Er wendete das Pferd. Brachte es zum Stehen. Wieder grollte es. Es begann noch heftiger zu regnen. Er blickt auf die am Boden liegende herab. Sah das Blut. Mächtiger Donner fegte über sie hinweg. Das Banner begann in der aufgekommenen Brise hart zu flackern.

»Lasst sie liegen«, befahl er. Und alle gehorchten. Drängten sich noch dichter an die Gebäude. Nicht jedoch etwa aus Angst vor Wind und Wetter. Er war es, vor dem sie sich fürchteten. Und die beiden Knaben begriffen, dass er der gestrenge Herr sein musste, von dem ihnen ihre Mutter immer erzählt, ja vor dem sie eindringlich gewarnt hatte. Er war der Ritter zu Esenfeld. Er war ihr Vater.

Vater

ZSF02: Die beiden Knaben lernen ihren Vater kennen.

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

Der Ritter zu Esenfeld stieg vom Pferd. Seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Knechte kamen herbeigeeilt, kümmerten sich um die Tiere, während Regen und Wind über sie hinwegpeitschten. Donner grollte markerschütternd. Wütende Blitze zuckte vom Himmel herab. Erhellten den inzwischen stockfinster gewordenen Innenhof Esenfelds. Die Männer, der Ritter zu Esenfeld allen voran, drängten in das Gebäude hinein. Die Bediensteten wichen zurück. Die beiden Knaben, die noch immer stocksteif unweit der Tür standen, fassten sich unbewusst an den Händen, der kleinere der Knabe drängte sich an seinen größeren Bruder. Beide hatten sie das pechschwarze Haar ihres Vaters und die weichen, tiefbraunen Augen ihrer Mutter. Hinter ihnen stand eine junge Frau mit leicht dunklerer Haut, grünen Augen und rotblondem Haar. Gerade eben hatten ihre beiden Hände auf den Schultern der Knaben geruht, nun ließ sie sie herab gleiten und wollte sich gerade ins Innere des Hauses zurückziehen, da trat der Hausherr mit festen Schritten entschieden auf die beiden Knaben zu und fixierte sie mit seinen harten kalten blauen Augen.

»Was steht ihr noch hier rum?«, blaffte er sie an, »Sorgt dafür, dass meine Männer etwas Vernünftiges zu Essen und Trinken bekommen, so lange Efferd uns zürnt.« 

Ungläubig blickten die beiden noch immer dicht aneinander gedrängten Knaben, der eine mehr als einen Kopf kleiner als der andere, zu dem Fremden auf. »Rondra«, wisperte der Jüngere. Die linke Augenbraue des Ritters zuckte steil nach oben, seine Hand schnellte nach hinten und dann nach vorne auf die Wange des Knaben. Der schrie entsetzt auf, drückte sich in die Arme seines großen Bruders. Tränen schossen ihm in die Augen und Blut tropfte aus seiner Nase.

»Erhebe noch ein einziges Mal das Wort gegen deinen Vater und du liegst da draußen neben deiner ... «, drohte er mit erhobener Hand. Jene Hand, mit der er den Knaben eben gerade geschlagen hatte. »... Mutter.« 

»Ja, Hoher Herr«, erwiderte der Ältere, während er noch immer seinen heftig, schluchzenden Bruder in seinen Armen hielt, »Geht doch schon einmal hinein. Wir werden Euch sogleich bewirten.«

Wieder lag der harte und kalte Blick des Mannes auf den beiden Knaben. Und ohne seine Söhne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging der Ritter zu Esenfeld an ihnen vorbei und auf die rotblonde Frau zu, die furchterfüllt immer weiter und weiter zurückwich. Ihm folgten seine Männer.

»Ich werde dich beschützen, Moribert«, wisperte der größere Knabe, dem noch immer weinenden kleineren zu als die Männer außer Hörweite waren, »Bleib einfach immer hinter mir, dann kann er dir nichts tun.« Er fuhr seinem Bruder über das kurze, schwarze Haar. Die beiden trennten sich. Moribert tropfte noch immer Blut aus der Nase. Der Regen wusch es fort. »Gishelm«, wimmerte der jedoch nur erstickt, »Ist das wirklich unser Vater?« Sein Blick glitt zu der noch immer reglos im Regen liegenden Frau. Ihrer Mutter. Ihre Augen waren noch immer geöffnet. Hatten die beiden Knaben fixiert. Ihre Lippen bewegten sich tonlos. Gishelm senkte den Blick.

Bastard

ZSF03a: Ein Bastard verdirbt dem Ritter zu Esenfeld die Laune.

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

Ardo von Schwarztannen war gerade dabei den Wehrhof wieder in Besitz zu nehmen, da fiel sein Blick auf eine junge Frau. Eine junge Frau, die er noch nie zuvor hier gesehen hatte. Eine sehr hübsche junge Frau mit rotblondem Haar und tiefgrünen Augen und dem verheißungsvollen Hauch von Andersartigkeit. Der Ritter war nicht nur für seine Begierde bekannt, sondern auch dafür, sich zu nehmen, was er glaubte, was ihm zustünde.

Mit seinen kalten, blauen Augen fixierte er sie. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab. Sie schluckte schwer und stellte mit zitternden Händen den großen Bierkrug direkt neben ihm ab. Gerade als sie sich zurückziehen wollte, schnellte seine Hand nach vorne und packte sie am Handgelenk. Ein Schrei entrann ihrer Kehle, ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, ihr Atem ging schnell. Sie versuchte ihm ihr Handgelenk zu entwinden, aber er hielt sie nur noch fester. Immer fester.

»Schenk mir ein«, befahl er mit kalter Stimme und ließ abrupt ihre Hand los. Sie taumelte nach hinten. Umfasste instinktiv mit der unversehrten Hand ihr schmerzendes Gelenk und begann heftig zu schluchzen. »Schenk mir ein«, wiederholte er mit schneidender Stimme, »SOFORT!«

Das Schluchzen verstummte abrupt. Mit gebeugten Haupt trat sie erneut zu ihm heran, nahm mit der unversehrten Hand den Krug und goss zitternd und wimmernd Bier in seinen Becher ein. Und gerade als sie den Krug absetzte, da umfasste er seinen Becher, wandte sich zu ihr um und schüttete ihr den Inhalt ins Gesicht, wobei er mit trockener Stimme sage: »Du hast Bier verschüttet.«

Sie schrie auf und zuckte zusammen, taumelte dabei einige Schritte zurück. Inzwischen zitterte sie am ganzen Körper.

»Du hast Bier verschüttet«, wiederholte er erneut, »Dein ganzes Kleid ist voll davon.« Seine Gefolgsmänner verstummten. »So etwas dulde ich an meiner Tafel nicht.« Da rappelte sie sich mühsam auf. Den Kopf hielt sie noch immer gesenkt. Das Bier tropfte an ihr herab. Alle Blicke lagen auf ihr. Sie ging rückwärts Richtung Tür. Nur noch wenige Schritte. Bald würde sie diesem Scheusal entkommen sein. Doch dann richtete er erneut das Wort an sie: »Zieh es aus!« 

Die Rotblonde versuchte zu entkommen, doch die beiden Getreuen des Ritters unweit der Tür, packten sie einfach. Mit roher Gewalt zerrten sie die Frau zu ihrem Herren. Sie wehrte sich, schlug und trat um sich, doch die Männer waren einfach stärker und nachdem sie sie bei ihrem rotblondem Schopf gepackt hatten, ließ ihre Gegenwehr nach. Vor dem Herrn zu Esenfeld wurde sie bäuchlings zu Boden geworfen.

»Es gibt zwei Möglichkeiten«, meinte der Hausherr, erhob sich und trat auf die am Boden liegende zu. Ihr tränennasses Gesicht wandte sie von ihm ab. Sie wusste, was ihr drohte. Und auf Milde zu hoffen, war vergeblich. Ebenso auf Hilfe. »Entweder du tust es selbst oder...«, damit ließ er seinen Blick demonstrativ über seine Begleiter gehen, »... sie werden es tun.« Er hielt einen Moment inne. Und beugte sich zu ihr hinab. »Und nur damit wir uns nicht falsch verstehen«, raunte er ihr zu, »Damit werden sie nicht aufhören.« Sie wimmerte. »Nun? Wie entscheidest du dich?«

Wimmernd und zitternd und bibbernd erhob sie sich. Ihr Gesicht von Tränen bedeckt. Und langsam, unter erstickten Schluchzen begann sie ihre Kleidung abzulegen. Und er begutachtete sie eindringlich. Musterte jedes Stück ihres Körpers, bis sein Blick an dem Brandmal an ihrer linken Brust hängen blieb. Eine Hand mit fünf abgespreizten Fingern – das Wappen der Familie Schwarztannen.

»Verschwinde!«, angewidert wandte er sich ab, »Verkommener Bastard.«

Brüder

ZSF03b: Der Vater hasst die Mutter der Knaben, doch das war nicht immer so.

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

Der Herr zu Esenfeld blieb über Nacht, denn der Zorn Efferds – viele eher Rondras, wenn man dem leisen Wispern der Bediensteten hinter vorgehaltener Hand glaubte – verzog sich nicht so schnell. Lange grollte es bedrohlich. Der Himmel in ein giftiges dunkles Grün getaucht. Und Blitz um Blitz zuckte herab. Einer setzte sogar die große, mächtige Eiche im Innenhof Esenfels in Brand. Erst da erlaubte der Herr, die Hausherrin endlich fortzuschaffen und das auch nur, weil sie im Weg lag, nicht etwa aus ... Mitleid, wie er wiederholt betonte.

Und erst als die Herrschaft schlief, hatte die rotblonde Zofe der Hausherrin es gewagt, nach einem Diener der Herrin Peraine aus Salzungen zu schicken. Indes saß die Zofe der Verletzten an deren Bett, hielt ihre reglose und kalte Hand in der eigenen und musterte ihr ausdrucksloses, blasses Gesicht. Moribert krabbelte der Frau mit dem rotblondem Haar und den grünen Augen auf den Schoß und schmiegte sich dicht an sie. Den noch freien Arm legte sie um den Knaben und hauchte ihm anschließend einen Kuss aufs Haar. Gishelm indes trat neben sie an das Bett seiner Mutter.

»Ist das wirklich unser Vater?«, hob Gishelm hoffnungsvoll an, »Sag, dass er es nicht ist, Waad. Sag es! Bitte!«

Sie schluckte schwer und schüttelte traurig ihren Kopf. »Er ist euer Vater.« Ihr Stimme war ganz warm und weich. Gänsehaut jagte Gishelm Rücken hinab. »Ardo von Schwarztannen-Scharfenstein ist euer Vater. Und du, Gishelm , bist sein Erbe.«

»Ich will nicht, dass er mein Vater ist!«, entfuhr es dem Knaben da, »Ich will nicht sein Sohn sein. Erst recht nicht sein ...« Ihm fröstelte. »Erbe.«

Verständnisvoll nickte Waad.

»Kann nicht jemand anders unser Vater ein?«

»Nein«, erneut schüttelte sie den Kopf, »Das geht nicht. Ihr seid seine Kinder. Es gibt keine Zweifel. Ihr seid sein Fleisch und Blut. Und das ist es, was zählt.«

Einige Tränen liefen dem Knaben über das Gesicht und trotzig erwiderte er: »Ich will das aber nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich will das nicht.«

»Ich weiß, Gishelm, und ich verstehe dich. Sehr gut sogar.« 

Seit der Geburt der Knaben des jüngeren der beiden Knaben war Waad immerzu um Algerte gewesen. Abends hatte sie mitgeholfen, die Knaben in den Schlaf zu wiegen, ihnen tulamidische Schlaflieder vorgesungen, Geschichten aus ihrer Heimat erzählt, war bei ihren ersten Schritten, ja bei ihren ersten Worten dabei gewesen. Sie hatte gemeinsam mit ihnen Esenfeld entdeckt. War in Bäume geklettert und hatten im Mühlbach geplantscht und im Wald getobt. Und wenn die Beine der Kinder zu schwer waren von den vielen Abenteuern, dann hatten sie sie nach Hause getragen. Abwechselnd natürlich. Sie war immerzu für die Knaben da gewesen. Immer. Jederzeit. Ja, sie war weitaus mehr als eine Zofe. Sie war eine Vertraute. Für die Hausherrin und ihre Kinder.

»Hasst er uns?«, riss Gishelm die Rotblonde aus ihren Gedanken. Unruhig verlagerte der Knabe das Gewicht von einem auf das andere Bein. Einen Moment blickte sie auf den Knaben in ihren Armen. Der ruhige und regelmäßige Atem verriet, dass er eingeschlafen war. »Hasst er uns?«, wiederholte der ältere der Knaben.

»Nein«, versicherte sie sanftmütig, »Nein, er hasst euch nicht. Nicht seine Söhne. Seine Erben. Nein, gewiss nicht. Ich denke sogar...« Sie hielt einen Moment inne. Wirkte angespannt. »... dass er euch liebt. Auf seine... hm... eigene Art.« Waad zog ihre Augenbrauen nach oben. »Sicherlich. Er liebt euch. Da bin ich sicher.«

Doch Gishelm beruhigte das nicht: »Hasst er ... hasst er Mutter?«

Waad konnte nicht anders, sie konnte nur nicken. Und dann, nach einem erschreckend langen Augenblick, in dem sie schwieg und die Hausherrin ernst betrachtete, hauchte sie so leise, dass es gerade so zu verstehen war: »Es war nicht immer so, Gishelm. Er war nicht immer so. Sie waren einander sehr zugetan. Ungleich, doch irgendwie glücklich. Doch dann ist Algerte etwas Schreckliches passiert. Etwas Entsetzliches.«

Gänsehaut erfasste den gesamten Körper des Knaben. So hatte er Waad noch nie sprechen hören. So voller Grauen. Und weil sie nicht mehr sagte, wusste der Knabe, dass es etwas wirklich Schreckliches gewesen sein muss.

Geweihte

ZSF04: Eine Geweihte der Peraine kommt (unerwartet) nach Esenfeld.

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

Wenig nach dem Morgengrauen traf eine Geweihte der Herrin Peraine aus Salzungen ein. Zwar missfiel ihr Erscheinen dem Hausherren zutiefst, aber er wusste sehr wohl, dass man einen Diener der Zwölfe nicht ohne weiteres abwies. Und so tat er das, was von ihm erwartet wurde.

»Peraine mit Euch, Euer Hochwürden« grüßte er sie demütig und beugte ganz leicht sein Haupt. Mit einer einladenden Geste bat er sie in das Gebäude hinein. »Habt Dank für Euer Kommen, auch wenn es nicht notwendig gewesen wäre, dass ihr persönlich erscheint.« 

Die ältere Geweihte nickte sanftmütig. Eine Strähne ihres kurzen, grauen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es sich wieder zurück. »Sorgte Euch nicht, Hochgeboren. Wie ein jeder von uns, bin auch ich nur eine Dienerin und deswegen diene ich«, erwiderte sie und fügte unnötigerweise noch hinzu: »So wie auch Ihr nur ein Diener unter dem Angesicht der Götter seid.« 

Ardo von Schwarztannen blickte die Geweihte schweigend und nahezu reglos an. In seinen Augen funkelte Zorn. Unangenehme Stille breitete sich aus.

»Seid doch so gut«, ergriff die Geweihte nun wieder das Wort, »und bringt mich zu Eurer werten Gattin, damit ich sie mir ansehen kann.«

Der Hausherr nickte nur mürrisch, bot der Hochgeweihten seinen Arm an und schritt mit ihr voran. Und während sie miteinander gingen, wollte sie von ihm wissen: »Ist meine gute Freundin Algerte wieder einmal gestürzt, Hochgeboren?«

»Ein bedauerlicher Unfall«, erwiderte er ihr trocken und vermied es sie anzusehen, »Wieder einmal, Hochwürden.«

»Hm«, machte die Geweihte da nur und legte die Finger ihrer freien Hand an ihr Kinn, »Meine gute Freundin ist seit damals einfach nicht mehr sie selbst.« Sie seufzte schwer und schaute betrübt drein. »Armes Kind.« Sie hielt einen Moment inne. »Phex sei Dank hat sie Eure beiden Söhne an ihrer Seite. Sie liebt sie sehr. Vor allem, da...« Sie verstummte.

Der Hausherr schwieg.

»Vermutlich werdet Ihr nicht lange bleiben, Hochgeboren?«, fuhr sie fort.

»Ich bedauere, aber Ihr habt recht«, erwiderte er ihr, »Ich bin nur gekommen, um meine Söhne zu holen.«

Die Geweihte blieb abrupt stehen und schaute ihn lange, ohne ein einziges Wort zu sagen, an. Stoisch hielt er ihren Blick.

»Hochwürden«, ergriff er nun das Wort, »Ich muss mich jetzt nun wirklich empfehlen. Mein Bruder erwartet mich dringend auf Burg Scharfenstein.«

»Ich verstehe«, damit löste sie sich aus seinem Arm, »Werdet Ihr beide Knaben mit Euch nehmen?«

»Sicherlich. Es ist Zeit, dass sie das Leben am Hofe kennenlernen.«

»Auch Moribert? Er scheint mir noch recht jung.«

»Beide«, entgegnete er ihr nur mit unnachgiebigem Blick, »Tut, was Eure Herrin von Euch verlangt. Ich muss tun, was mein Herr von mir verlangt. Peraine mit Euch, Hochwürden.« Damit wollte er sich verabschiedete, wandte sich jedoch noch einmal um: »Sag, wer genau hat denn nach Euch geschickt?« Ein grausames Lächeln legte sich über seine Lippen. Sie zog die Augenbrauen belehrend nach oben und entgegnete lediglich: »Meine Herrin.«

Gefehlte

ZF05: Die Geweihte der Herrin Peraine sieht einen Ausweg.

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

»Was ist genau vorgefallen?«, wollte die Geweihte von der rotblonde Zofe wissen, als sie am Bett der Verletzten stand und auf den blutigen Verband um deren Kopf blickte.

Die junge Frau schauten betreten drein und blickten zu Boden. Kein Wort verließ ihre zitternden Lippen. Sie wusste, dass ein jedes Wort ihr das Leben nur noch schwerer machte. Der Hausherr, nachdem er ihre wahre Herkunft erfahren hatte, war sicher nicht gut auf sie zu sprechen. Bisher hatte sie jede Begegnung mit ihm vermeiden können. Dafür hatte ihre Herrin gesorgt. Und sie war froh darüber gewesen, aber nun? Nun würde sie seinen Demütigungen und Grausamkeiten schutzlos ausgeliefert sein. Sie hatte genug Geschichten gehört. Waad wusste sehr gut, zu was er fähig war, selbst wenn nur ein Bruchteil der Gerüchte stimmte. Jede noch so kleine Verfehlung würde der Hausherr hart bestrafen. Und jede ihrer Verfehlungen war auch eine Verfehlung der Hausherrin, seiner Frau.

Die Geweihte seufzte.

»War er es?«, wollte sie nach Abreise des Hausherren mit strengem Blick wissen, »Hat er sie so zugerichtet? Mal wieder?«

Die Zofe schauten auf die Füße der Geweihten. Kein einziges Wort kam über ihre Lippen.

»Bei Peraine!«, seufzte sie. »Schon gut«, sie winkte ab, »Ich habe schon verstanden. Es ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal hier.« Nachdenklich begann sie ihre Schläfe zu massieren. »Warum nur, Algerte? Warum nur?« Sie prüfte ihre Atmung. Ihre Reflexe. Zog die Augenlider nach oben. Da begann sie mit gekonnten Fingergriffen den Verband um den Kopf der Hausherrin zu lösen, die Wunde in Augenschein zu nehmen, sie zu säubern, zu nähen und neu zu verbinden. So kümmerte sie sich um alle Wunden. Die Zofe ging ihr dabei zur Hand. »War sie die ganze Zeit über bewusstlos?«

Waad nickte stumm.

»Das ist vielleicht kein gutes Zeichen«, erklärte sie. Die Rotblonde blickten zu ihr. Die Geweihte wusch sich die Hände. Trocknete sie an einem Tuch. »Wir werden abwarten müssen. Ich werde bleiben. Den Beistand der Herrin Peraine erbitten. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Ich .... « Sie schluckte. »Ich habe Angst, dass...«

»Was solle ich denn tun, Peralina?«, wandte sich Waad sichtlich verzweifelt an die Geweihte.

»Du?«, sie schüttelte den Kopf, »Du tust alles, was in deiner Macht steht. Dies jedoch...« Sie deutet mit einer Geste um sich herum. »... steht nicht in deiner Macht.« Energisch nickte sie. »Es ist an der Zeit, dass sie endlich Schutz bei den Zwölfen sucht.« Mit ernster Miene betrachtete sie die Zofe. »Unter ihrem Schutz wird er es nicht wagen, Hand an sie zu legen, ganz gleich, wie viel Schuld sie zuvor auf sich geladen hat. Die Götter werden schützend ihre Hand über sie halten. In jedem Kloster, in jedem ihrer Tempel wäre sie sicher.«

»Eingesperrt wäre sie«, meldete sich Waad zu Wort, »Könnte diesen Ort nie wieder verlassen, ohne seinen Zorn zu spüren zu bekommen. Und das schlimmer als jemals zuvor. Nie wieder ihre Söhne sehen.«

»Leben muss bewahrt werden. Um jeden Preis. So lehrt es meine Herrin. Und genau das gilt auch für Algerte.« Sie hielt einen Moment inne. »Ihr Tod nutzt nur einem.«

Die junge Frau nickten betrübt.

»Aber welcher Tempel würde ihr Schutz gewähren?«, warf Waad ein, »Ganz Schwarztannen weiß was damals geschehen ist. Die Menschen haben sich die Mäuler über sie zerrissen. Noch heute...« Ihre zitternde Stimme brach.

Peralina zuckte mit den Schultern: »Bis heute kann ich nicht sagen, wem ich wirklich glauben schenken kann.« Sie leckte über ihre Lippen. »Das Urteil war jedoch eindeutig.« Nun nickte sie. »Es gibt nur eine Kirche, die hier in der Baronie einen Tempel ihr eigen nennt und wenig auf die Ereignisse auf Dere gibt. Nur eine.«

Weißer Rabe

Dunkelheit

ZFS: Langsam kommt Algerte wieder zu Bewusstsein, doch noch umfängt sie Dunkelheit.

Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle, Rahja 904 BF

Als sie erwachte war es still um sie herum. Still und dunkel. Die Luft war von Weihrauch erfüllt. Sie versuchte sich zu orientieren. Zu begreifen wo sie war. Aber sie wusste es nicht. Es war zu dunkel. Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Glieder waren so unendlich schwer. So versuchte sie ihren Kopf zu heben, doch auch das schaffte sie nicht. Schmerzerfüllt sank sie zurück in das weiche Kissen und atmete angestrengt ein und aus. Ihr Kopf schmerzte. Sie biss die Zähne zusammen. Und erst da bemerkte sie: Sie war nicht allein.

Sie lag in einem Bett, das begriff sie jetzt. Und an ihrem Bett, da saß jemand. Auf der Bettkante saß jemand. Eine Gestalt. Dunkel zeichneten sich ihre Umrisse gegen die sie umgebende Finsternis ab. Ein Schatten. Mehr nicht. Ohne Gesicht. Bestehend aus Dunkelheit. Aus Finsternis. Doch sie hatte keine Angst. Keine Furcht.

Der Schatten beugte sich über sie. Eine Hand oder vielleicht doch eher ein Flügel streifte über ihre Stirn. Ganz weich und anschmiegsam. Da wurden ihre Lieder so schwer, dass sie einfach zufielen. Der Schmerz wich zurück. Und ihr Bewusstsein auch.

»Dem Raben gebührt, was des Raben ist«, raunte eine leise, leicht krächzende Stimme, »Und noch bist du noch nicht ganz sein.«

Vergessen

ZFS: Der Herr des Vergessens hat Algerte ein ganz besonderes Geschenkt gemacht.

Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle, Rahja 904 BF

Immer wieder erwachte sie. Und immer wieder sank sie in die Bewusstlosigkeit zurück. Aber mehr und mehr nahm sie die Welt um sich herum wahr. Geweihte des Schweigsamen kamen, wuschen ihren kraftlosen Körper, wechselten die Verbände, flößten ihr Brühe ein. Sie sprachen kaum, beantworteten ihre Fragen nur spärlich, beteten aber für sie und mit ihr, meist schweigend. Und so seltsam sie das auch zu Beginn fand, so erfüllten sie die Gebete mehr und mehr.

Irgendwann jedoch kam eine Geweihte der Herrin Peraine. Eine ältere Frau mit grauem Haar. Ein leichter Geruch nach Knoblauch lag in der Luft. Vermischte sich mit dem Weihrauch. Die Geweihte setzte sich an ihr Bett, nahm ihre Hand und blickte sie lange an.

»Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du noch am Leben bist«, eine einzelne Träne rollte der Geweihten die Wange hinab. Sie wischte sie nicht fort. Sie tropfte auf ihre Robe und hinterließ einen kleinen nassen Fleck. »Nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der so etwas überlebt hat! Nie hätte ich gedacht, dass du das überlebst. Nie! Vermutlich ist es einzig und allein der guten Pflege von...«

»Wo bin ich?«, hob die Verwundete an.

»Im Schoß des Ewigen«, erklärte die Geweihte und blickte gütig auf die Frau hinab. In ihren alten Augen lag Wärme und Zuversicht. »In einem seiner Tempel.«

»Boron«, langsam nickte sie, »Was ... was ist passiert?«

»Du warst dem Tod sehr nahe«, erklärte die Geweihte, »Sehr nahe. Aber Golgari, so sagten uns seine Diener, fand deine Zeit noch nicht gekommen. Und so kämpften wir um dein Leben. Und sie halfen dabei.«

»Hm«, machte die Verletzte nachdenklich und versuchte sich aufzusetzen. Die Geweihte half ihr. Schob ihr ein Kissen in den Rücken. Und setzte sich dann wieder. »Und was ... was ist passiert?« 

»Ein Unglück«, erklärte sie schlicht und so als würde das einfach alles erklären und irgendwie tat es das auch.

»Dann bin ich wohl beim Klettern gestürzt«, schloss sie, »Sollte wohl besser aufpassen.« Sie nickte. »Warum nicht ein Tempel des Herrn Phex? Warum ... Boron?«

Verwundert blickte die Geweihte sie da nun an: »Ich ... ich glaube, ich verstehe nicht.«

»Es ist mein Zweitname. Mein Vater gab ihn mir, weil ich im Phex und dann auch noch am Tag des Glücks geboren wurde. Meine Mutter hielt das erst für einen Scherz.« Sie lachte kurz auf, wobei sie schmerzerfüllt das Gesicht verzerrte. »Wie ... wie geht es ihr?«

»Das... das... ist mir nicht bekannt«, erwiderte die Geweihte kopfschüttelnd, »Aber warum Phex?«

»Weil ich dort im Noviziat bin.«

Die Peraine-Geweihte riss ungläubig die Augen auf. »Noviziat?«, entfuhr es ihr wenig darauf und gerade in jenem Moment, dass gesprochen hatte, setzte eine Art Erkenntnis ein. »Kennst du ... deinen Namen?«

Die Versehrte lachte: »Algerte Phexlieb von Waldfang. Und wer seid Ihr?«

»Erinnerst du dich denn nicht an mich?«

Sie zog die Stirn kraus. Musterte die Geweihte kritisch: »Kennen wir uns?«

»Ich bin Peralina Tempeltreu«, stellte sie sich vor, aber Algerte schüttelte nur Kopf. Peralina nickte noch nachdenklicher. »Kannst du mir sagen, wer der Kaiser des Mittelreiches ist?«

»Valpo von Almada natürlich.«

Schutz

ZFS: Obwohl sie keine Gefangene ist, wird ihr dringend davon abgeraten, den Tempel zu verlassen. Schutz kann Algerte nur hier gewährt werden.

Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle, Rahja 904 BF

»Wer ist der Kaiser?«, wollte Algerte von der Geweihten wissen, nachdem diese sich um ihre Wunde gekümmert und auf die Kante ihres Bettes gesetzt hatte um zu beten.

Die Geweihte hob langsam ihren Kopf, schob mit einer eleganten Bewegung die Kapuze ihrer schwarzen Robe zurück und offenbarte ihr rotes Haar. Sie hob ihren Blick. Jung wirkte ihr Gesicht. Doch ihre blau-grünen Augen offenbarten, dass sie nicht mehr so jung sein konnte. Andächtig faltete sie ihre Hände und legte diese in ihren Schoß.

»Hm«, machte Algerte, »Was ist aus Valpo von Almada geworden?«

»Seine Zeit war gekommen.«

»Wie du das sagst«, stutzte die Adelige und schüttelte den Kopf.

»Vor Boron sind alle gleich.«

»Aber dann muss es doch jemanden geben, der ihm nachfolgt?«

»Es gibt viele«, erwiderte die Geweihte ruhig, »und doch keinen einzigen.«

»Dann wäre das Reich doch ohne Herren! Aber du sagt das so, als würde es dich nicht ... nicht im geringsten kümmern?«

»Es kümmert den Ewigen nicht«, erklärte sie langsam nickend, »Und damit kümmert es auch mich nicht. Dem Ewigen schert vieles nicht. Ihm ist gleich, was für Titel wir uns geben, welche Länder wir beanspruchen oder auch nur was wir besitzen. Vor ihm sind wir alle gleich. Ein jeder von uns.« Sie hielt einen Moment inne. »Eines Tages werden wir ihm alle gegenüber treten. Uns alle ereilt dasselbe Schicksal.«

Algerte schwieg einen Moment, ehe sie wissen wollte: »Und wie lange war ich ohne Bewusstsein, dass ich den Tod eines Kaisers und seine fehlende Nachfolge nicht mitbekommen habe?«

Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: »Nur wenige Tage, doch hat mein Herr dir seine Gnade des Vergessens zu teil werden lassen. Oder...« Und ein Lächeln legte sich über ihre Lippen.  »... war es vielleicht sein ihm sehr verbundener Bruder?«

Einen winzigen Augenblick nur lag Erstaunen im Blick der Adeligen, dann jedoch kam der schmerzerfüllte Gesichtsausdruck zurück. Die Geweihte lächelte immer noch. Dieses Mal noch etwas vielsagender und freundlicher als Algerte das eine Dienerin des Schweigsamen zugetraut hätte. Und wenn sie es recht bedachte, war die Geweihte auch viel zu hübsch für den Dienst an solch einem Herrn. Außerdem hatte sie rotes Haar.

»Du bist nicht die einzige, die es meinen Dienst hier unpassend findet«, kommentierte sie und zog eine Augenbraue nach oben, »Aber alles hat einen Grund. Doch nicht immer ist er für uns Menschen ersichtlich.«

»Wie lange wird es dauern, bis ich in den Tempel meines Herren zurückkehren kann?«

Ihre Gegenüber holte angestrengt Atem: »Verlasse den Tempel des Ewigen nicht, Algerte. Niemals!« Plötzlich wirkte sie sehr ernst. »Der Ewige schützt dich. Er gibt auf dich acht. Aber er kann das nur in seinem Schoß tun. Du musst wissen, die Welt dort draußen ist gefährlich. Auch wir gehen nur hinaus, wenn uns sein Ruf ereilt. Und meist vermeide ich auch das. Hier drinnen...« Sie deutete im viel zu kleinen Zimmer herum. Es gab lediglich ein schmales Bett mit einer Kleidertruhe an dessen Fußende, ein kleines Nachtkäschen und einen dreibeinigen Hocker. »... sind wir sicher. Dort draußen nicht.«

»Dann ... dann bin ich eine Geisel? Ihr haltet mich hier fest?«

Die Geweihte schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Du kannst den Tempel jederzeit verlassen. Aber dort draußen, bist du auf dich alleine gestellt. Dies sei dir bewusst.« Damit erhob sie sich und wollte bereits das Zimmer verlassen als Algerte noch einmal das Wort ergriff: »Wie ist dein Name?«

»Etilinae«, sie wandte sich zu der anderen um, »Er machte ihn mir zum Geschenk. Wirst auch du sein Geschenk annehmen?«

Geheimnis

ZFS:

Im Praios war Algerte wieder so weit genesen, dass sie aufstehen und umhergehen konnte. Unter den wachsamen Augen von Geweihten und Novizen, Mägden und Knechten erkundete sie den Tempel. Bald jedoch war er ihr zu klein. Vor allem jedoch zu ruhig. Selbst die Schritte der Geweihten waren kaum zu vernehmen. Sehnsuchtsvoll dachte sie an ihr Noviziat im Phex-Tempel zurück. Dort war es niemals so leise gewesen. Es hatte ein stetes Kommen und Gehen gegeben, ständiges Gemurmel und immerzu hatte ihr Lehrmeister eine Aufgabe für sie gehabt. Manchmal hatte sie nur gelauscht, andere Male hatte sie Informationen und später Dinge ausgetauscht oder beschafft. Lächelnd dachte sie zurück.

So zog es sie in den Garten. Seltsam. Noch nie hatte sie einen Boron-Tempel mit einem Garten gesehen. Zumindest nicht mit so einem. Die Bäume waren alt und ehrwürdig und spendeten mit ihren niedrigen, aber stark belaubten Kronen bestehend aus verkrüppelten und gewundenen Ästen reichlich Schatten. Darunter gab es Büsche und Sträucher. Blumen fanden sich nicht. Dafür jedoch Kräuter. Manche rochen gar nicht, andere rochen sehr stark und intensiv. Dazwischen schlängelte sich ein kleineres, leise plätscherndes Bächlein umher, über das eine viel zu massive Brücke aus Bruchstein führte. Woher der Strom kam, war ebenso unklar, wie wohin er ging. Dazwischen fanden sich immer mehr oder weniger verwitterte und mit Moos bewachsene Darstellungen von Raben. Mal hingen sie von Bäumen herab. Andere standen auf hohen, schmalen Sockeln oder versteckten sich in den Gebüschen. Einer lugte gar aus dem kleinen Bächlein heraus, die Schwingen zum Flug erhoben. Doch eines hatten sie alle gemein: Sie waren allesamt weiß. Nun, sie befand sich auch im Tempel des weißen Raben. Und alle Tier, von es so einige hier gab, waren ebenso weiß. Weiße Mäuschen, die durch das Gebüsch huschten. Weißen Vögel, die leise in den Bäumen sangen. Ein weißes Eichhörnchen, dass seinen Kobel in einer der Kronen hatte und blitzschnell über die Grasflächen huschte. Natürlich war auch immer wieder ein weißer Rabe zu sehen. Das Tier schien gut mit der Tempelvorsteherin bekannt zu sein. Algerte sah sie oftmals in stiller Zwiesprache vereint. Ein Anblick, der ihr am ganzen Körper eine Gänsehaut verschaffte.

Es gab noch etwas, das ihr ins Auge fiel. Viel eher jemand. Ein Knabe mit feuerrotem Haar. Er trug die Tracht eines Novizen, musste also im passenden Alter sein und kümmerte sich um die Tiere im Garten. Manchmal spielte er auch mit ihnen, als gäbe es keine anderen Kinder hier. Dabei gab es andere. Eines Tages setzte er sich neben sie auf die Bank unter einen der Bäume und schwieg. Er saß eine ganze Zeit so da und schwieg. Doch irgendwann wurde er unruhig.

"Bleibst du noch lange hier sitzen, Algerte?", wollte der Knabe wissen und vermied es sie anzusehen.

Die Adelige lächelte sanft: "Warum fragst du?"

"Du weist doch, ich kümmere mich um die Tiere hier im Garten", nun nickt er so, als würde das einfach alles erklären und blickte sie aus seinen tiefblauen Augen an. Algerte schüttelte sich. An irgendjemand erinnerte sie der Knabe, doch sie konnte sich nicht erinnern, an wen.

"Wie heißt du?"

"Bayrin"

"Und deine Mutter ist Etilinae, nicht wahr?"

Nun lachte der Knabe, fuhr sich durch seinen roten Schopf und frotzelte: "Scharfsinnige Algerte."

Da musste auch Algerte lachen. "Keine Sorge, ich werde dich nicht stören", beteuerte sie, "Oder habe ich das jemals zuvor?"

"Nein, aber...", hob er an und verstummte sofort wieder. Algerte sah, dass er etwas zu verbergen hatte. Angestrengt dachte der Knabe nach und biss sich dabei auf die Unterlippe. Seine Unruhe nahm zu. Algerte beobachtete aufmerksam. So wie sie es gelernt hatte. Dann seufzte er plötzlich schwer.

"Algerte", flötete der Knabe nun, "Du weist doch sicher, warum der Schweigsame so heißt, nicht wahr? Und was das für seine Diener bedeutet, oder?" Er blickte sie aus seinen tiefblauen Augen an. Ganz klar waren sie. Beinahe so klar, wie der Himmel über ihr. "Und auch für seine Gäste?"

"Ich kann eine Geheimnis bewahren", erwiderte sie ihm, "wenn du auch eines bewahren kannst." Damit hielt sie ihm ihre Hand hin.

Mit großen Augen musterte er zuerst ihre dargebotene Hand an und schaute ihr dann in die Augen. "Gut", erklärte er und schlug ein. "Gut", stimmte sie zu.

Der Knabe zog seine Hand zurück, steckte sie seine Novizenrobe, holte etwas heraus, ließ sich auf die Knie sinken und säuselte: "Schneepfötchen. Schneepfötchen."

Und dann schälte sich etwas aus einem in der nähe befindlichen Gebüsch heraus. Weiß war es. Hatte eine schlanke, spitze Schnauze, aufrechte, dreieckige Ohren und eisblaue Augen.

Algerte stockte der Atem.

Schneepfötchen

ZFS:

Auf leisen Pfoten tapste der weiße Fuchs eilig auf den Knaben zu und fraß aus seiner geöffneten Hand. Er war dabei so ruhig und zutraulich. Algerte stand der Mund offen. Eine Gänsehaut lief ihren Rücken hinab. Sie schüttelte sich.

Nachdem der Fuchs sein Mahl beendet hatte, setzte er sich vor den Knaben und wirkte dabei wie ein zutraulicher Hund. Die Adelige ließ sich neben den Rothaarigen auf den Boden sinken.

"Schneepfötchen", raunte sie atemlos und glaubte, dieses Namen nicht zum ersten Mal gehört zu haben. "Und Schneepfötchen ist dein ... Geheimnis?"

"Ja", hauchte der Knabe ganz leise, "Er ist mein Geheimnis." Nun schluckte er schwer. "Er könnte den weißen Raben fangen. Und das... das darf nicht passieren!" Mit vor Schreck geweiteten Augen schaute er sie an. "Niemals! Verstehst du?"

Sie nickte stumm.

"Hochwürden darf es nicht wissen", fuhr er fort, "Sie würde ihn hier nicht dulden. Keinen einzigen Tag. Deswegen muss es geheim bleiben. Unser Geheimnis."

"Unser Geheimnis", bestätigte sie nickend, "Wie lange ist er schon hier?"

"Noch nicht lange", meinte der Knabe, "Und ich füttere ihn immer. Damit er nicht hungrig ist. Damit er keinen Grund hat den weißen Raben zu fangen. Verstehst du?"

"Klug von dir", kommentierte sie, "Weiß du, ich glaube nicht, dass er den weißen Raben fangen wird. Füchse sind überaus klug. Ein ausgewachsener Rabe ist eine schwer zu fangende Beute, da ist es wesentlich einfacher, dir aus der Hand zu fressen."

Er blicke sie an, seine Augen noch größer als zuvor: "Ich weiß, dass Schneepfötchen den weißen Raben nicht fangen wird, Algerte."

Ein kalter Schauer jagte ihr den Rücken hinab: "Du weist ... ?"

Der Knabe nickte: "Schneepfötchen ist auf der Suche nach seiner Freundin Mondäuglein."