Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Leichenschmaus mit Leiche I

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Wehrkloster Sankt Henrica, Baronie Zweiflingen, 3. Rondra 1040 BF:

Nach der Trauerrede von Abtissin Rudjahne von Sturmfels und der Grablegung in der Krypta unterhalb der Tempelhalle wurden die adligen Gäste in den Kapitelsaal des Klosters geleitet um gemeinsam zu speisen. Es wurde deftige waldsteiner Küche aufgetragen, also nicht zu opulent, aber dennoch reichlich – ganz im Sinne des seligen Barons. Für die einfache Bevölkerung wurden im Klosterhof Tische und Bänke aufgebaut und guter waldsteiner Eintopf aufgetischt, sowie Bier ausgeschenkt.

Der durch kleine, schießschartenähnliche Fenster nur mäßig beleuchtete Kapitelsaal wurde zusätzlich durch Fackeln erhellt. An den Wänden zeigten Fresken sehr bildgewaltig die von der Heiligen Henrica bezwungenen fünf Plagen, wie etwa das siebenköpfige Rudel, den Rattenkönig, den Drachen Gryangnamor, die Schwarze Fee und den Güldenmann. Die Große Kupferscheibe der Leunin, die heiligste Reliquie des Kloster, die sonst in der großen Tempelhalle ausgestellt wurde, erhielt einen zentralen Platz im Saal. Wohl als zusätzliche Mahnung stets wachsam zu sein. Was nicht zuletzt die namenlosen Umtriebe der vergangenen Götterläufe in Leihenbutt zeigten.

An der Stirnseite der langen Tafel, etwas erhöht, thronten zwei besonders kunstvoll gearbeitete Stühle. Hier hatten Abtissin Rudjahne und Alt-Baronin Ehrgard von Wetterfels Platz genommen. Die Mienen beider Frauen war versteinert und sie würdigten sich keines Blickes. Wohlmeinende Beobachter würden dies als Zeichen der Trauer werten, schließlich hatten sie mit Debrek Sohn und Neffen verloren. Doch Kenner der Familie wussten vom tiefen Hass, den die beiden Frauen verbindet, zu berichten. So war es vor 18 Götterläufen die machtbewusste Ehrgard, die die gerade zur Witwe gewordene Baronsgemahlin Rudjahne ins hiesige Kloster verbannt hatte.

So saßen die beiden Frauen da, angespannt und verhärmt, die eisige Stimmung war nahezu greifbar. Rechts neben der Abtissin hatte Leumunde Platz genommen und neben ihr wiederum die anderen Rondrianer Riena Rondara von Kobernhain und die körperlich geschundenen Ravena von Hengisford. Neben der Alt-Baronin platzierte sich dessen Tochter Rondriga. Die Hofdame von Prinzessin Lorindya ließ ihren Blick schweifen. Leomar, ihr größter Konkurrent um die Führung der Familie, hatte sich am anderen Ende der Tafel niedergelassen und scharte seine Unterstützer um sich. Darunter waren natürlich sein Lakai Bernhelm, aber auch die Schwestern des kaisermärker Junkers Oldebor. Zumindest dieser war Rondriga wohlgesonnen. Rhodena und Odinai waren hingegen fast genau so verdorben wie Leomar, da wunderte es Rondriga nicht, dass diese sich der Kabinettshure anbiederten. Landrichterin Yalagunde war unterdessen mit mit den beiden Veteranen der Schlacht bei Zwingstein Baron Nimmgalf und Junker Halmbert in einem Gespräch vertieft. Die alternde Schwertritterin der Grafschaft Waldstein hatte es vermieden sich zu positionieren. Ebenso die Osenbrücker, die in ihrer gradlinigen Art nichts von politischen Lavieren hielten und sich aus dem Konflikt um die Führung der Familie raus hielten.

Auch die nordmärker Line unter Kanzleirat Angilbert von Zweifelfels war noch unentschlossen. Der stets freundliche und in der Reichsverwaltung gut vernetzte Bürokrat saß bei seinen Kindern, dem Rechtsgelehrten Thimorn und der kaiserlichen Hofdame Thalea und prostete Rondriga freundlich nickend zu, was diese erwiderte. Dabei fiel ihr auf, dass die etwas spröde wirkende Hofdame keinen Becher Wein hatte. Kurzerhand nahm sich Rondriga den vollen und noch unbenutzten Weinbecher ihrer Mutter – dieser war heute eh nicht nach Wein zu Mute wie sie zu wissen glaubte - und rief einen Pagen heran, der Thalea das Trinkgefäß überbrachte, was diese ebenfalls mit einen kurzen Nicken quittierte.

Der Baron von Aldenried, Felan von Schallenberg, war an seinem Platz vor allem von den Seinigen umgeben und unterhielt sich mit diesen halblaut. Dann erhob sich dieser um seiner Gattin galant aufzuhelfen und Jalga von Schallenberg-Streitzig mit sich zum Kopf der Tafel zu führen vor die dort thronenden Damen. Formvollendet verbeugte sich der Baron und seine Dame machte eine standesgemäße Andeutung, bevor er laut und deutlich sprach.

„Euer Hochwürden…“, grüßte er die Abtissin als erste, denn da die Mutter Debreks nur vorübergehend Vögtin sein würde und Rudjahne vor ihr Baronin gewesen war war sie zuerst zu grüßen. „Euer Hochgeboren…“, wandte er sich an Ehrgard und dann beiden zugleich. „Ich stehe hier um im Namen meiner Familie, die einen tiefen Bund zur Familie Zweifelfels geschlossen hat…“, wobei er zu Wulfger und Raulwine Leodora nickte, „…unsere tiefempfundene Trauer über den Verlust auszudrücken, den der Übergang Debreks in die Hallen RONdras für uns hier auf Dere bedeutet.“ Er sprach mit fester Stimme und seine Worte ließen keinen Zweifel daran erkennen, dass er meinte was er sagte und Debrek als wahrhaft rondrianischer Ritter Einzug halten würde in RONdras besonderen Scharen.“ Kurz hielt er inne um sich umzuschauen und auch die anderen Familienmitglieder der Zweifelfelser in den Blick zu fassen.

„Umso mehr möchte ich ausdrücken, dass ich mich nicht nur verpflichtet fühle, sondern es persönlich als Ausdruck meiner Ehrerbietung für diesen Mann erklären will, dass die Familie Zweifelfels stets auf die Stärke des Hauses Schallenberg zählen kann, wenn sie derer bedarf. Gerade in diesen Momenten ist es wichtig sich seiner Freunde gewahr zu sein und den Bund aufs neue zu winden, damit auch fürderhin den Nachkommen Debreks dereinst eine sichere Herrschaft übergeben werden kann.“ Als er die Kinder erwähnt dreht er sich wieder herum und blickt Ehrgard an.

“Deshalb bitte ich hiermit darum Debreks Kindern persönlich Aufwartung zu machen sowie ihrer Mutter, damit sie wissen, dass mein Schwur Debrek zur Seite zu stehen im Kampf und weiterer Not auch für sie gilt. Meine Gattin ist mit komplizierten Schwangerschaften bekannt und weiß zu helfen. Zudem ist gerade die Zuwendung durch eine Leidensgenossin stets etwas, was den Tag einer doppelt beladenen Frau zu erhellen weiß.“ Dabei nickte Jalga zustimmend und ihr Blick war ohne arg. „Zumal ich mich freuen würde meine künftige Pagin zu begrüßen. Manchmal kann es gerade für Kinder eine Freude sein in Trauerzeiten dem Heim zu entfliehen. So ihre Mutter zustimmt, würden wir sie auch vorzeitig bei uns aufnehmen, da sie auch in meinen Kindern sicherlich gleichgesinnte Spielkameraden und künftig Kampfgefährten fände, was die Verbundenheit unserer Familien nur verstärken würde.“

Ganz augenscheinlich betonte er, dass er die Zustimmung ihrer Mutter als Autorität über die Kinder sähe. Gleichzeitig konnte man sein Angebot aber auch politisch deuten, die Kinder nicht zum Spielball zwischen Fraktionen werden zu lassen, denn dass es diese gäbe, war jedem Besucher innerhalb von kurzer Zeit offensichtlich geworden. Sie wären damit dem Zugriff beider Fraktionen aber auch entzogen und könnte nicht von jeweils anderen missbraucht werden, bis die Verhältnisse klar sind. Daher war Felans Blick gerade zwischen Ehrgard, Leomar und Rondriga hin und her gegangen. Hingegen sein Wunsch Mutter und Kinder zu sehen konnte man mittlerweile nur schwer begründet ablehnen, denn dies würde sicherlich bestimmte Spekulationen fördern. So sah er Ehrgard von Wetterfels an, als würde er eine umgehende Antwort erwarten.

Die Worte des Barons von Aldenried verfehlten ihre Wirkung nicht und sprachen vielen der Anwesenden aus tiefster Seele. In Trauer verbunden, war es doch letztendlich der Blick in die Zukunft, der alle beschäftigte.

„Hochgeboren Felan von Schallenberg, edler Freund der Familie“, erhob die Ehrgard von Wetterfels mit fester, aber ernster Stimme das Wort. „Habt dank für Eure Worte. Es erfreut mein trauerndes und geschundenes Herz, Euch und Eure großmütige Familie an unsere Seite zu wissen. Die Verbrüderung mit seinen Nachbarn war für meinen Sohn von hoher Wichtigkeit, die er mit all seiner Kraft voran zu treiben versuchte. Der Vertrag, besiegelt an den bedeutungsschweren Zwiefelsen und unter den gestrengen Augen unserer Herrin Rondra, wird für die Ewigkeit mit seinem Namen in Verbindung stehen. Sehe ich meine liebe Tochter Raulwine und ihren edlen Gemahl Wulfger, so sehe ich das Vermächtnis unseres geliebten Debrek. Das Blut der Zweifelfelser und Schallenberger vereinend, ist mein Enkel Alrik das Symbol für den Bund von Einhorn und Luchs. So danke ich Euch, Felan, Freund der Familie, für Eure Loyalität in diesen stürmischen Zeiten.“

Lautes Klopfen und Pochen erfüllte den Raum. Wie es schien, war das Bündnis zwischen den beiden Familien hoch angesehen bei den Zweifelfelsern.

„Wie an den Zwiefelsen geschworen, wird Debreks Erstgeborene Gilia, wenn sie das passende Alter erreicht hat, in meine Heimat Hartsteen aufbrechen, um bei Euch die ritterlichen Tugenden zu erlernen. Ich kann mir keinen besseren Schwertvater für meine Enkeltochter wünschen. Ich lade Euch und Eure Familie im Namen der gütigen Travia ein, der hochgeborene Erbin von Zweiflingen und ihrer kleine Schwester bis dieser Tag gekommen ist, jederzeit Eure Aufwartung zu machen. Ihr werdet schon bald Gelegenheit dazu haben, das seid versichert.“

Ein Raunen ging durch den Saal. Denn seit dem Tod von Baron Debrek hatte noch keiner seine Töchter zu Gesicht bekommen. Ehrgard von Wetterfels klatschte in die Hände und die Zofe Ulmara trat in den Saal. Auf dem Arm hielt sie die kleine Thesia, während sie an ihrer Hand die zweijährige Gilia trug. Es folgten vier Gardisten der Zweiflinger Grenzwächter, die am Eingang jedoch stehen blieben.

„Darf ich Euch die Erb-Baroness von Zweiflingen vorstellen, werter Felan, Eure zukünftige Pagin Gilia Ardare von Zweifelfels und ihre Schwester Baroness Thesia Leona.“ Die Vögtin schaute überlegen in die staunende Runde im Saal. Damit hatte keiner gerechnet.

Der großgewachsene Hartsteener trat nach vorne, gefolgt von seiner Gattin. Vor der kleinen Gilia stehend beugte er das Knie, um seine Hand auszustrecken und diese schien nicht vor ihm zurückzuschrecken, da er sie freundlich anlächelte. Mittlerweile hatte er doch einiges Talent mit kleinen Kindern umzugehen und wusste wie er ihnen begegnen musste, ohne sie zu verschrecken. Sanft hielt er seine Hand über ihren Schopf um sie kurz zu berühren, ehe er sich wieder zu den Gästen umwandte. "Heil Gilia Aradare von Zweifelfels, Erbin und wahrhaft Tochter Debrek des Tapferen! Ich erneuere hiermit feierlich den Schwur Dir und den Deinen Treue und Schutz zu bieten, Heimstatt in der Not, Freundschaft im Frieden und Waffenbrüderschaft im Kampfe! Und wenn der Tag kommt, an dem sie an die Stelle ihres Vaters tritt wird sie es tun als wahrhafte Ritterin Garetiens!" Dabei zog er mit der linken seine Frau an seine Seite, um sie an der Hüfte zu umfangen, während er mit der rechten zum Jubel die offene Hand in die Höhe reckte. "Es lebe Gilia!"

Der nicht ohne Pathos vorgetragene Lobgesang auf die junge Erbin begeisterte auch die anderen Anwesenden und so hielt es nur noch wenige auf ihren Stühlen und Bänken. Kronvogt Leomar war einer der ersten, der es lautstark dem Baron von Aldenried gleichtat und mit gen Alveran gestreckter Faust „Es lebe Gilia! Für Waldstein!“ skandierte.

Ehrgard von Wetterfels ließ zufrieden ihren Blick durch den Kapitelsaal schweifen. Sie hatte der Meute gegeben was sie verlangte – und keiner fragte mehr nach Emer.