Geschichten:Zersplitterter Fels - Trollmörder

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Perricum, markgräfliche Residenz, Ende Firun 1037 BF

Zordan von Rabicum nahm die Berichte entgegen, die aus allen Teilen der Markgrafschaft an den Hof geschickt worden waren. Der Markgraf war in Gareth, die Altgräfin auf dem Marschenhof. Also war es an ihm, sich die Berichte anzuhören. Bote für Bote wurde vorgelassen, Bittsteller für Bittsteller. Der Seneschall hatte sich hierfür in den Rösserhof begeben, ein luftiger Anbau an die Residenz, der von den Bürgern und Untertanen leicht aufgesucht werden konnte, so dass sich viele getrauten, sich den Mächtigen hier zu nähern. Rosenranken an den filigranen Schnitzwerken in den schlanken Bögen gaben dem Bauwerk etwas Laubenhaftes. Das war gewollt – manch tulamidischer Herrscher hatte ebenfalls einen solchen Hof, um Audienzen zu geben und zu Gericht zu sitzen.

Der Seneschall saß auf einem hochlehnigen Stuhl hinter einer langen Tafel, neben ihm einige Schreiber. Von den Hofämtern war der junge Herold anwesend, der erst jüngst seinen Dienst angetreten hatte, sowie einer der Hausritter, der für die Ordnung sorgen und die Büttel kommandieren musste. Zordan war immer wieder unnötig streng zu Ritter Rukus – vornehmlich, weil es sein ältester lebender Sohn war.

Geduldig nahm Zordan die Anliegen und Berichte entgegen, versprach Abhilfe, beschwichtigte, vertagte oder ließ Anweisungen anfertigen. Größere Fälle mussten warten, bis Seiner Erlaucht wieder im Lande war.

Plötzlich kam Unruhe in die wartende Menge vor dem Hof. Staunende Rufe wurden laut, überraschte Klagelaute, neugieriges Raunen und aufgewühltes Getuschel. Das Geräusch nahm seinen Weg durch die Wartenden und kam nur wenig vor seiner Ursache im Rösserhof an. Ritter Rukus hatte die Hand ans Schwert gelegt, die Büttel die Hellebarden fester gepackt, als ein großer Schatten die hohe Wölbung des Tores ausfüllte. Gebückt verschaffte sich ein Riese Einlass in den Rösserhof. Mit Fellen behängt, Haare und Bart lang und verfilzt, wirkte der Troll wie ein Zeuge einer fernen Zivilisation, der in das Hier und Jetzt gefallen war. Und irgendwie war er das auch!

Der Troll baute sich vor dem Seneschall auf und hob sein Haupt in eine Höhe, die über der Traufkante der inneren Arkaden reichte.

»Grumping, Sohn der Gromperatsch, grüßen dich, Glatzenalter!«, grollte es aus der Kehle des Trolls, der sich an Zordan von Rabicum wendete und ihn als das anredete, was er von oben sah: einen Alten mit Glatze. Zordan verkniff es sich, kurz pikiert zu sein, sondern erhob sich.

»Ich grüße dich, Grumping, Sohn des Stammes der Gromperatsch, und heiße dich in der Höhle des Markgrafen Rondrigan, Sohn des Timshal, aus der Sippe der Paligan willkommen. Ich bin Zordan aus der Sippe der Rabicum, und werde dich anhören.« Dem, jungen Herold Edelbrecht von Gaulsfurt war mittlerweile die Kinnlade auf die Brust gesunken. Seine ganze Ausbildung zum Herold hatte ihn lehren verabsäumt, wie man mit Trollen redet.

»Komme von Heimat, sprechen mit Alten. Sprechen mit Wanderern. Sprechen mit Strutzz. Alle sagen Grumping: Gehen in die Tausendhöhlen der Wimmelkrieger am Fluss. Sagen Wimmelkriegern: Feuer und Blitz töten Trolle. Töten Krieger, töten Kinder. Töten Frauen. Töten alle. Gehen zu Glatzenalter und sagen: Kommen zu Strutzz. Sehen Bruder tot. Mutter tot. Vater tot. Getötet von bösem Riesen mit Blitz!«

Zordan von Rabicum lauschte den Worten des Trolls, die mit unendlicher Langsamkeit aus den tiefen eines mächtigen Brustkorbs gegrollt wurden. Die wartende Menge war verstummt und bestaunte den Troll. Die wenigsten hatten die Worte verstanden, die der Troll gesprochen hatte, obschon alle sie vernommen hatten.

Zordan legte den Kopf schief: »Du willst mir sagen, dass ein böser Riese in den Trollzacken Trolle ermordet?«

Grumping nickte langsam und seufzte so tief, dass Jahrhunderte an Trauer darin Platz finden konnten.