Geschichten:Wissensdurst - Bücherverbrennung

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Rhys ap Rhiapp sah sich in dem Gelass des Klosters des Praios und der Peraine um. Dies also entsprach dem, was andernorts die Bibliothek sein sollte. Ein leichtes Grinsen legte sich über das Gesicht des Hesindegeweihten.

Im Raum standen mehrere Regale vollgestopft mit Bürchern, Pergamenten und Schriftrollen. Im Halbdunkel lagen auf zwei kleinen Borden dicke Folianten, deren Ledereinbände mit Staub bedeckt waren. So sah also das Reich des örtliche Hesindegweihten aus, der anscheinend mehr den alltäglichen Aufgaben der Ausbildung der Novizen angetan war, als der Ordnung in seiner Bibliothek. Aber es war ja auch kein Kloster der Hesinde, in dem er sich hier befand, sondern eines des Praios und der Peraine, da gab es andere Prioritäten.

Am Tage seiner Ankunft hatte Rhys einen außerordentlich guten Eindruck von diesem Kloster bekommen. Die Brüder und Schwestern des Praios und der Peraine hatten hier der Wildnis mit viel Mühe und Schweiß eine Heimstatt abgerungen, den Zwölfen zum Wohlgefallen. Die Klosteranlage erstreckte sich auf einem kleinen Hang, dessen eine Seite steil zum Blauwasser abfiel. Von einer kleinen Steinmauer umgeben, standen hier das Hauptgebäude mit dem Tempel, dem Dormitorium und dem Scriptorium. Nach einem kleinen Innenhof folgten die Wirtschaftsgebäude, eine kleine Schmiede und die Ställe. Neben der Schmiede hatte Rhys einen kleinen Schuppen entdeckt, dessen Dach in Teilen verkohlt war. Überall hatte konzentrierte Betriebsamkeit geherrscht, die auf einen strengen und ordnenden Geist schließen ließ. Zwei Brüder waren gerade dabei, die verbrannten Bretter des Schuppendaches auszutauschen.

Nach seiner Ankunft hatte er umgehend um eine Audienz mit dem Prior gebeten und diese auch erhalten. Das Gespräch mit dem ehrwürdigen Scraanfried Schoberstein war zufriedenstellend verlaufen. Er hatte ihm die nötige Unterstützung sofort zugesagt.

Doch dann war er von einem Novizen im hinteren Teil des Scriptoriums in dieses Gelass geführt worden und der Anblick hatte ihn ernüchtert, ihn aber auch hoffnungsvoll gestimmt. Hier würde er vielleicht Glück haben, denn diese Unordnung konnte auch bedeuten, dass er hier auf noch unendecktes Wissen stoße könnte.

Ein Quietschen der Türangeln ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand ein Mann mittleren Alters. Er hatte wohl schon vierzig Sommer gesehen und trug das einfache Gewand eines Bruders der Herrin. "Hesinde zum Gruße, Bruder im Geiste", begrüßte er den Ankömmling und verneigte sich leicht.

Dappert Altgruber reichte ihm eine von eingetrockneter Tinte leicht verschmutzte Hand und wies mit der Linken auf einen kleinen Tisch, an dem zwei Stühle standen. Auf dem Tisch stand eine Sturmlaterne, die neben den kleinen Fenstern die einzige Lichtwelle im Raum darstellten. "Wie kann ich Dir im Namen der Herrin behilflich sein?"

Rhys neigte leicht den Kopf und setzte sich auf den angebotenen Sitz. "Mit wurde durch glückliche Fügung und die Güte meiner Herrin eine alte Legendensammlung der Mark in die Hände gespielt, worauf ich auf die Idee kam, die alten, noch irgendwo verzeichneten Sagen und Legenden Greifenfurts zusammenzutragen, ehe sie zur Gänze verloren gehen können. Und so bereise ich im Augenblick die Baronien und Klöster und suche nach alten Handschriften und Folianten, in denen eben jene Geschichten und Mythen verzeichnet sind. Und dies bringt mich somit auch in dieses Kloster und zur Frage, ob sich solcherart Schriften in Eurem Besitz befinden."

Dappert lächelte weise, wobei er allerdings entschuldigend den Kopf schüttelte. "Leider kann ich dir da nicht weiterhelfen. Unser Bestand umfasst ausschließlich theologische Schriften und ein paar Grundgrammatiken des Bosparano, sieht man von einer Sammlung von Reiseberichten aus dem Besitz des alten Barons Imladris von Weißenfels ab."

Rhys Stirn legte sich in Falten. "Reiseliteratur?" "Nun ja, uralte Schwarten wie die Reisememoiren von Sanin I. der seinerzeit den Großen Fluss bis Ferdok erkundete oder die Reise des Geweihten der Paranja 'Hudilbert von Hzsalko' durch die Lande des Prajan und der Paranja."

"Hmmm. Mitunter enthalten solche Schriften auch Verweise auf lokale Besonderheiten und den sich um sie rankenden Mären. Kann ich sie vielleicht mal sehen?"

Dappert erhob sich und orientierte sich kurz. "Das sollte kein Problem darstellen. Wartet einen kleinen Augenblick." Und damit steuerte er ein kleines, im hintersten Winkel des Raumes stehendes Regal an, vor dem er in die Hocke ging.

Kurze Zeit war nur das Blättern von Pergament und das Knarren von alten Leder zu hören, dann richtete sich der Geweihte wieder auf und sah zu Rhys hinüber. "Das ist nun wirklich eigenartig."

"Wie meinen, Bruder?" fragte Rhys.

"Na sie sind nicht mehr da, sind sie nicht. Verzeiht, doch trotz der Unordnung die hier herrscht, ich kam in den beiden letzten Wintern nach meiner Ankunft hier nicht dazu, den Bestand zu katalogisieren, weiß ich, dass die Originalabschriften hier hinten gelagert waren, Bruder."

Er erhob den Zeigerfinger mit trotzigem Blick.

"Ganz genau sogar, waren es doch wie bereits gesagt, die einzigen nicht theologischen Bücher. Bei Der Herrin Hesinde, wer kann sie nur genommen haben? Außer mir, der Subpriorin Heline und Prior Scraanfried hat niemand Zutritt zu diesen Räumen." Bei der Nennung des Namens der Subpriorin war ihm eine leichte Röte in die blassen Wangen gestiegen.Rhys konnte nicht umhin, eine unbeantwortete Romanze zu wittern. Nun, das war eine Sache der Rahja und die würde sich sicherlich selbst um diese Geschichte kümmern wollen...

"Und beiden Genannten hätten mich sicherlich über eine Entnahme informiert."

Rhys kratzte sich abermals am Kopf und runzelte die Stirn. "Aber wer sollte hier in diese Bibliothek einbrechen und Folianten stehlen?" Im Gesicht seines Gegenübers spiegelte sich Rhys Ratlosigkeit wieder. "Es weiß ja wahrscheinlich noch nicht mal irgendwer, dass hier überhaupt Schriften lagern."

Dappert nickte bestätigend mit dem Kopf. "Zwar verirrt sich manchmal der ein oder andere Pilger, der aus dem Tempel falsch abgebogen ist und auf einmal im Scriptorium steht, aber Gelehrte Leute wie du es bist, Bruder, hatten wir seit einigen Götterläufen nicht mehr da."

Rhys nickte verstehend. "Und sicherlich sind solche Fehlgänger so selten, dass sie kaum der Erwähnung wert sind."

Dappert nickte bestätigend: "Abgesehen von der Wittib vor fünf Götterläufen und dem Kerl vor drei Tagen fiele mir keiner ein. Und der Kerl war mit einer riesigen Pilgergruppe unterwegs und suchte den Abort. Das war kurz bevor drüben der Schuppen neben dem Backhaus in Flammen aufging."

Rhys zuckte die Achseln. "Fehlt sonst noch etwas?"

Nun war es an Dappert, etwas irritiert zu gucken. "Tatsächlich. In dem Regal dort drüben fehlt... nun ja... meine Lieblingsbuchstütze."

Rhys Blick sprach Bände: "Deine Lieblingsbuchstütze?"

Verlegen wandte der Scriptor sich einem Regal zu und entfernte akribisch Staub, während er erklärte: "Ach, das war ein etwa faustgroßer Stein, den ich in der Sakristei gefunden habe. Stammt wohl ursprünglich aus der Krypta oder aus dem Schrein, der in alter Zeit an dieser Stelle stand. Uralt und schon sehr abgenutzt, aber man konnte ganz deutlich eine kleine geringelte Schlange oder so etwas ausmachen."



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17. Hes 1036 BF
Bücherverbrennung
Bildungsbürgertum


Kapitel 4

Bildungsmisere