Geschichten:Wir brauchen sie nicht

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Stimme Genzmers von Radulfshausen schallte über die Köpfe der Adligen, die sich an diesem Abend in der kleinen Schenke nahe des Weihenhorster Hauptquartiers befand und dieser Tage stets mehr denn gut besucht war. Gerade eben war der hochgewachsene Mann durch die Tür hereingekommen und hatte sich, den frisch gezapften Krug eben in die Hand bekommen, sofort an die versammelten Edlen gewandt: »Ihr habt vollkommen Recht mit dem was Ihr sagt, Junker Helmbrecht. Dieser sich selbst Tobrier nennende Verräter lästert mit seinen Taten wider die Götter. Er stellt sich der Ordnung PRAios entgegen, missachtet die Gebote TRAvias, zeigt keinerlei Sinn für RONdras Tugenden und mit HESindes Gaben ist er wahrlich auch nicht gesegnet. Er verhält sich wie eine kleine Rotzgöre, der man die Zuckerstange weggenommen hat! Morgen wird er von der Kanzlerin die Tracht Prügel beziehen, die er sich reichlich verdient hat, darauf würde ich wetten. Er passt nicht in dieses Land und ich hoffe, er kehrt ihm bald den Rücken zu und verschwindet dahin, wo er hergekommen ist.

Er sollte dankbar sein, dass er hier eine neue Heimat gefunden hat, stattdessen verhöhnt er uns und glaubt etwas Besseres zu sein. Schaut Euch im Gegenteil dazu Rittfrau Faduhenna an. Auch sie stammt ursprünglich nicht aus der Mark, doch ist diese schon längst ihre neue Heimat geworden. Sie ist eine von uns! Und genau deswegen ist es mir eine Ehre, Ihr morgen sekundieren zu dürfen! Denn genau die Haltung des Beldenhager ist es, die uns vor zwölf Jahren beinahe unsere Freiheit gekostet hat!

Haben wir Hilfe bekommen, als wir sie nötig hatten?

Nein, Greifenfurt musste sich erst selbst erheben und mehr leisten als man für möglich halten könnte.

Greifenfurt war stark, nein, Greifenfurt ist stark. Auch diesmal werden wir zusammenstehen und alles tun, um unser Land und unsere Familien zu schützen. Auf Scheusale wie den von Plaue sind wir nicht angewiesen, WIR WOLLEN SIE NICHT, WIR BRAUCHEN SIE NICHT!«

Baron Genzmer hatte sich eindeutig in Rage geredet und brauchte nun erstmal einen Schluck Quastenbräu. Junker Helmbrecht nutzte die Gelegenheit um seinerseits ebenfalls mit lauten Worten seine offenkundige Abneigung gegen den Beldenhager kund zu tun.

Baron Felian von Prutz wirkte ein wenig verloren zwischen seinen beiden Freunden, da es nicht seine Art war seinem Ärger lauthals Luft zu machen. Bisweilen nickte er zustimmend, doch das war (selbstverständlich neben der Tatsache, dass er für reichlich Nachschub an kühlendem Quastenbräu sorgte) schon alles, was er zu dieser hitzigen Diskussion beitrug.

Felian Prutz von Quastenbroich hatte lange Zeit in seiner Ecke gesessen und mit finsterer Miene Argumenten und Gegenargumenten gelauscht. Zu Beginn hatte er die ganze Geschichte für einen schlechten Scherz gehalten; eines der Gerüchte, die sich zwangsläufig ergeben, wenn so viele Leute zusammentreffen und Nachrichten austauschen; nichts Weltbewegendes, nichts das seiner Aufmerksamkeit würdig gewesen wäre, zumal er in Quastenbroich keine Exiltobrier aufgenommen hatte.

Aber mittlerweile schienen sich die Gerüchte doch mehr und mehr zu bestätigen und als eben sein Freund, der Baron Genzmer von Radulfshausen, durch die Tür getreten war und lautstark verkündet hatte, dass er der Rittfrau Faduhenne bei einem Zweikampf sekundieren würde, war an der Echtheit des bislang gehörten wohl kaum noch zu zweifeln.

Eine unbestimmbare Wut begann in seiner Brust zu lodern. Nun gut, er hatte keine der Tobrier aufgenommen - vielleicht würde sich das jetzt als ein großes Glück erweisen - aber er hatte den Tobriern mit seinem eigenen Schwert zur Seite gestanden - hatte im Namen des Götterfürsten die Greifenfeder bis an den schwarzen Heerwurm gebracht. Die Besten seiner Männer waren gefallen und er selbst war nur mit knapper Not und der Hilfe von Mort, dem Bruder des Barons von Helburg, dem Tode entronnen...

Hatte er gezögert sich der Führung eines anderen zu unterstellen? Hatte er auf Greifenfurter Privilegien bestanden, die dort ohnehin nichts galten? Nein, er war überhaupt nicht auf solch einen hirnverbrannten Gedanken gekommen, auf solch einen hirnverbrannten Gedanken würde er wohl auch niemals kommen ...

Wieder und wieder wälzte er seine Gedanken, die immer trüber zu werden schienen, denn sein Tischnachbar, der Junker Helmbrecht vom Boronshof sprach ihn an: »Was ist Felian? Ihr seht aus als wäre euch eine Laus über die Leber gelaufen.«

Der Baron von Quastenbroich räusperte sich, überlegte es sich dann aber doch anders, schüttelte nur den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck Quastenbräu. Was half all das Gerede? Es würde nur die Einigkeit in der Truppe schwächen und das war etwas, was sie jetzt wirklich nicht gebrauchen konnten. Wenn es nach ihm ginge, sollten sie diesen tobrischen Emporkömmling mit seinem Haufen zurück nach Tobrien schicken; die Greifenfurter waren allemal besser dran ohne so einen! Aber was würden die vielen guten Tobrier denken, die das Gedenken an ihre Heimat zwar noch im Herzen trugen, sich aber schon Greifenfurter nannten? Ach hier war Feingefühl gefragt und da er von sich selbst wusste, dass er das garantiert nicht besaß, schwieg er lieber.

Er würde morgen zum Duell gehen und mit Genugtuung sehen, wie dieser Baradar eine Tracht Prügel einstecken würde, dass ihm sein loses Mundwerk schon vergehen würde. Er hoffte nur, dass das Ganze damit dann auch beendet sein würde.