Geschichten:Tod mit albernischem Beigeschmack

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Pfalz Breitenhain, 1. Rondra 1042 BF, spät abends

Die feierlichen Zeremonien der Hochzeit waren beendet und Trisdhan Ulaman von Hartsteen den Traviabund mit der Witwe seines Vorgängers eingegangen. Germine von Wetterfels hatte sich von ihrem neugetrauten Ehegatten mit den Worten entfernt, der schwere Rotwein aus Höllenwall habe sich ihr in den Kopf gesetzt und sie müsse früh zu Bett. Trisdhan war darüber nicht traurig.

Der Sertiser Pfalzgraf hatte den Wein des Höllenwallers in den wertvollen Silberkelchen des nordmärkischen Herzogs, die er als Gastgeschenk der Nordmärker bekommen hatte, serviert ohne selber daraus zu trinken. Und es hätte ihn nicht überrascht, wenn alle seine Gäste an einem schweren Brechdurchfall erkrankt wären. Er hatte den gesamten Tag über jedenfalls eine freundliche Miene aufgesetzt – obwohl er darüber ausgesprochen verstimmt war, dass vom Fürstenhof zu Havenna nicht einmal eine Antwort auf seine Einladung eingetroffen war und die Nordmarken sich zwar gönnerhaft mit ein paar unförmigen Blechklumpen zeigten, aber mit keinem Wort seine Rechte an dem Lehen seiner Großmutter – den Ratslanden Klippag um die Herzogenstadt Elenvina – erwähnten, wie er es sich erhofft hatte.

Von unten herauf waberte der Klang der heiteren Festgesellschaft im Innenhof der Kaiserpfalz zu ihm herauf. Der Abend war lau, ein angenehmer Wind wehte in die kleine Kammer in einem der Ecktürme, in die er sich zurückgezogen hatte, um auf sie zu warten. Wenn seine politischen Ambitionen schon an diesem Tag nicht befriedigt werden würden, dann um so mehr seine körperlichen.

Die einfache Ritterin war nicht groß aufgefallen in dem großen Trubel der Festgesellschaft, in der sie sich die gesamte Zeit im Hintergrund gehalten hatte, um am Tisch mit ein paar einfachen Waldsteiner Rittern zu zechen und Geschichten über ihre grandiosen Schlachtenerfolge gegen den Erzverräter Haffax zu teilen. Und doch hatte er sie stets im Augenwinkel behalten, denn er hatte genau sie eingeladen und an diesem Tag in diesen Gemäuern haben wollen. Um sie zu haben.

Leise öffnete sich die schlichte Eichentür und behände schlüpfte die junge Ritterin in leichten Kleidern in das Zimmer.

»Ich hätte das Zimmer fast nicht gefunden, so versteckt ist es in diesem verdammten… Märchenschloss.« Ein anderes Wort fiel ihr nicht ein, aber es passte. »Wo sind wir hier?«

»Hier, meine Liebe, ist die Kammer des früheren Schreibers Noralec Falbinger. Und hier ist er vor wenigen Tagen sanft verstorben. Genau in diesem Bett. In diesen Laken«, grinste der Pfalzgraf keck.

»Puh, deshalb erinnert mich der Geruch hier an meine Schwester«, scherzte die Ritterin und schlüpfte zu ihrem Liebhaber ins Bett. Mit ihrer rechten Hand spielte sie mit einer Strähne seines lockigen schwarzen Haares. »Und du willst wirklich heute Abend, am Tag deines Treueschwurs für deine neue holde Gattin, dein Gelübde brechen?« 

»Wieso brechen? Sie ist gut versorgt, ihre nervigen Kinder werde ich als die meinigen annehmen und dafür sorgen, dass noch das eine oder andere weitere von mir gezeugt wird. So wie es eigentlich alle Adligen des Mittelreiches tun.« 

Die Ritterin lachte hell auf und lehnte sich geschmeidig zurück in der schmalen Bettstatt. Und während seine Hände leicht ihr Becken anhoben, begann er mit größter Aufmerksamkeit die Innenseite ihrer Schenkel zu küssen. Und je heftiger sein Küssen und Verwöhnen wurde, desto anstrengender wurde es für die Ritterin, ihre Lustschreie zu unterdrücken. Trisdhan spürte, wie ihr gesamter Körper unter seinen Liebkosungen bebte und anspannte. Bis sie plötzlich völlig steif wurde und ihn sachte von sich wegstieß. In ihrem Gesicht las Trisdhan einen großen Schreck, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Hand hielt sie sich vor ihren Mund. Langsam wendete Trisdhan seinen Kopf in die Richtung, wohin sie schaute, und erblickte in der weit geöffneten Tür eine kleine rundliche Frau mit streng gescheiteltem grauen Haar, in deren Augen sich Abscheu und Unverständnis widerspiegelten.

,Verdammt, warum muss die Alte gerade jetzt hier hereinschneien‘, ging es Trisdhan durch den Kopf. Es kümmerte ihn nicht so sehr, dass Ysilt Grimwige von Wysberg ihn in flagranti erwischt hatte, sondern dass das Erscheinen seine Bettgespielin so massiv erschrocken hatte.

Bevor er sich versehen hatte, war die Ritterin bereits aus dem Bett aufgesprungen und lief auf die ehemalige Obristin von Isoras fürstlicher Leibgarde zu. Instinktiv wich die frühere Isoristin zurück und nahm eine abwehrende Haltung ein. »Ich kann das erklären…«, setzte die Leichtbekleidete an, kam aber nicht weiter, denn sie stolperte über einen kleinen Schemel und taumelte gegen die nun panisch schauende Nordmärkerin.

Für einen Augenblick lag die kleine rundliche Frau skurril schräg in der Luft und wedelte mit den Armen. Dann verlor sie immer mehr ihr Gleichgewicht und fast, als hätte Satinav aus lauter Boshaftigkeit die Zeit besonders langsam laufen lassen, sah Trisdhan wie seine treue Ratgeberin nach hinten stürzte und wie von einem schwarzen Loch verschluckt die steile Stiege des Turmes hinabstürzte. Das trockene laute Knacken hörte Trisdhan ganz deutlich, als er die entsetzt die Treppe hinab schauenden Ritterin erreichte. Ysilts Kopf hing sehr schief an ihrem Hals hinab und an der unverputzten rauen Wand klebte ein dunkler roter Fleck.

Für einen kurzen Augenblick standen die beiden Liebhaber schweigend nebeneinander und schauten hinab auf die Tote, deren Gesichtsausdruck vor allem eine maßlose Enttäuschung widerspiegelte.

»Das habe ich nicht gewollt«, stammelte die Ritterin.

Trisdhan strich sich über sein Kinn. »Natürlich nicht. Und es sollte niemand erfahren was hier gerade passiert ist. Du stimmst mir doch sicher zu, dass eine solche Tat am besten einer loyalen Albernierin zustünde, die durch einen Mord an einer verhassten Isoristin Zwietracht zwischen mich und meinen Vetter streuen möchte.«

Und während Trisdhan dies sagte, merkte er, dass er noch immer ihren Geschmack im Mund hatte. Es würde auf ewig der Geschmack einer mörderischen Albernierin sein.