Geschichten:Sechs Beine und vier Pfoten - Tag 2

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Dämonenbrache 26.BOR 1042BF

Hane, Oleana und Carl hatten ihre Decken ausgebreitet um etwas Ruhe zu bekommen. Es war an Carl zur späten Stunde der Nacht Wache zu halten. Die ständige Geräuschkulisse machte ihn langsam wahnsinnig. Immer wieder riss er den Kopf herum und griff nach seiner Ronja, weil er verdächtige Laute hörte. Schnauben, Knacken, Scharren… Der Wald würde sich ihnen entgegenstellen, dessen waren sie sich alle sicher. Hane hatte eine klare Devise ausgegeben. Zur Nacht ist die Jagd beendet. Zur Nacht würden sie ihr Lager nicht verlassen. Zur Nacht ging es um das pure Überleben. Zur Nacht waren sie die Gejagten...

Hane lag in seine Decke gehüllt, als er schwere Schritte vernahm. Schwere Schritte, die sich ihm näherten, die ihn gleich erreicht haben würden. Ein Schauer lief seinen Rücken hinunter. Nun war es so weit. „Hane, das solltest du dir ansehen.“ Carls Stimme wirkte nicht so fest, wie sonst üblich.

„Zeit für den Wachwechsel, ja? Mein Zeitgefühl scheint hier in der Brache vollkommen neben sich zu sein…“ Hane richtete sich auf und blickte den Hünen im Schein des weitestgehend niedergebrannten Feuers an. Der Holzstapel daneben sprach eine andere Sprache. Er war noch von beinahe unveränderter Größe. Es konnte noch nicht Zeit für den Wachwechsel sein…

„Nein, kein Wachwechsel. Guck doch mal nach da hinten, tief in den Wald rein…“ Carl deutete nach Osten, wenn sich Hane nicht täuschte. Auch Oleana hatte sich aufgerichtet. Konnte offenbar auch nicht schlafen…

Hane wandte die Augen in die Dunkelheit, drehte dem Feuer den Rücken zu und wartete bis er an die Lichtverhältnisse gewöhnt war. Er sah einen Lichtschein, ein lang gezogenes Band aus Licht, das sich deutlich oberhalb des Bodens durch den Wald zog. Beim genaueren Hinsehen war es jedoch kein Band aus Licht, sondern eine lange Reihe einzelner Lichtquellen, die langsam aber stetig gen Norden tänzelten. Dazu drang, je länger er hinsah, ein Raunen an seine Ohren. Bisweilen konnte er einen Gesang vernehmen, der in ihm die Neugier weckte herauszufinden, woher diese Lichtquellen kamen und was sie in den Wald getrieben hatte. Hanes Fuß stieß gegen einen Widerstand und er realisierte, dass er unwillkürlich bereits einige Schritte in Richtung der Lichter gegangen war.

„Es gibt allerhand Geschichten über die Brache… So zum Beispiel jene von den Totengeistern. Es kommt immer wieder dazu, dass Verbrecher aus Gareth vor den Häschern der Garde in die Brache fliehen. Manche jener Verbrecher, die ihr Leben in der Brache lassen, kehren als Totengeister zurück. Ihre kriminellen Gewohnheiten können sie auch in diesem Unleben nicht ablegen und versuch forthin unachtsame Wanderer und Abenteurer in die tückischen Tiefen der Brache, in Sümpfe, Moore oder anderweitig lebensfeindliche Gegenden zu locken. Man sagt, wenn sie es schaffen der Brache sieben mal sieben Opfer auf diese Weise darzubringen, belohnt die Brache sie mit einer machtvollen Gestalt, auf dass sie ihrer bösartigen Bestimmung im zweiten Leben grausamer denn je nachkommen können…“ Während Hane sprach, entfernten sich die Lichtquellen langsam aber stetig und den Gesängen zu lauschen wurde zunehmend schwieriger.

„Die Toten soll man ruhen lassen, sagt der Herr Boron. Da sollten wir uns wohl auch an diesem Ort dran halten…“ Oleana steuerte zurück zu ihrem Schlafsack und legte sich hin, wohlwissend, dass sie in dieser Nacht wohl kein Auge mehr würde schließen können.

Weitere Zwischenfälle blieben den Gefährten in der Nacht erspart. Am nächsten Morgen durchsuchte Hane die aufgestellten Fallen, fand eine davon weitestgehend vom Wurzelwerk eines nahen Baumes verschlungen und einige weitere leer. Doch in einer der Kleintierfallen hatte sich ein Fuchs eingefangen, den ein Rattenkopf zierte und dessen gesamter Rücken eher dem eines grünlich schillernden Käfers glich. Offenbar eines flugfähigen Käfers, denn einer der Flügel stand durch die Falle in eine unnatürliche Richtung abgespreizt und zuckte beständig umher um sich aus dem unbarmherzigen Griff der Schlinge zu befreien. Der Rattenkopf versuchte immer wieder irgendwie an die Riemen heranzukommen um ihnen mit seinen scharfen Zähnen zuzusetzen.

„Na da bin ich ja froh, dass das Biest seine Intelligenz von der Ratte bekommen hat… Der Fuchs hätte mit Sicherheit eine solche Falle abgebaut und einem von uns um die Beine gelegt…“ Carl spuckt beim Anblick des Unwesens aus.

„Jetzt bring die Kreaturen noch auf Ideen, Carl…“ Oleana warf dem Hünen einen grimmigen Blick zu. Auf ein Kopfnicken Hanes, ließ Carl seine Ronja auf den Kopf des Unwesens niederfahren. Die Knochen gaben berstend nach und der gewaltige Kriegshammer hinterließ einen Haufen unkenntlichen Matsches… Hane machte einige Notizen in sein Tagebuch und skizzierte sich kurz das Aussehen des Biests.

Die Gefährten machten sich wieder auf den Weg. Hane hatte angeordnet alle Vorräte und Ausrüstung mitzunehmen. Sie hatten zwar den Plan in der nächsten Nacht wieder zu diesem kleinen Stützpunkt zurückzukehren, doch man wusste nie ob die Brache einen gesicherten Rückzugsort für die Jagdgemeinschaft zulassen würde. Er nahm die Spur der Hasenente wieder auf und folgte dieser diesmal ohne Umschweife.

Die Spur führte die kleine Jagdgruppe bald zu einem Tümpel. Das braune, zähflüssige Wasser roch nach einer Mischung aus Sumpf und Verwesung und trieb den Jägern ein ums andere Mal die Galle den Hals hinauf. Ein lebhaftes Schnattern lenkte die Aufmerksamkeit von Hane und seinen Begleitern auf einen nahen Uferbereich, der von niedrigem Schilf bewachsen war. Das Schilf wiegte hin und her, so als wären ganze Scharen von Tieren in dem Rohrgewächs unterwegs.

„Zeit zu gucken was die Schlunder Kurbeln taugen. Carl?“ Hane blickt den Hünen erwartungsvoll an, der die hügelzwergische Kurbelarmbrust aus dem Karren nahm und schnellkräftig begann die Sehne zu spannen. Hane nahm ebenfalls seinen Bogen vom Rücken und legte einen Pfeil auf.

„Dann lasst uns doch mal ein paar Entchen schlachten. Scheint als hätten wir gleich die ganze Sippe aufgescheucht…“ sagte Oleana mit einem grimmig entschlossenen Blick. Sie lockerte vorsichtig ihre Klinge in der Schwertscheide um sie gleich ohne Probleme ziehen zu können. Der Stahl schaute einige Fingerbreit hervor und wirkte im maroden Dunkel des Waldes unnatürlich fremdartig…

Unnatürlich fremdartig erschien den Jagdgefährten auch der Anblick jener Bestien, die aus dem Schilf brachen. Ein Hasenkörper auf dem Entenflügel prangten, durch einen Entenschwanz ergänzt. Auch der Kopf gehörte zum Hasen, doch waren die Zähne widerlich verlängert und deutlich spitzer, sodass man fast schon von Reißzähnen sprechen konnte. Den Kopf des Biests zierte zudem ein Geweih, was der Absurdität der Erscheinung die Krone aufsetzte… Jenes Geweih war es auch was sich nun aus einem knappen Dutzend dieser widernatürlichen Tiere den Jägern entgegensenkte. Mit kräftigen Sprüngen setzten die Hasenenten auf die Menschen zu, voll entschlossen den Eindringlingen den Garaus zu machen.

Carl ließ den ersten Bolzen der Schlunder Kurbel von der Sehne schnellen. Ein lauter Knall zeugte von der Wucht mit der der Bolzen von der Sehne geschleudert wurde. Ein zweiter und dritter Knall bezeugten das jähe Ende zweier Hasenenten, als der Bolzen die erste kurzerhand durchschlug und die zweite direkt mit erwischte. Ein jauchzender Aufschrei entwich Carls Kehle, als er bereits wild nach der Kurbel griff um den nächsten Bolzen bereitzumachen. Einige der Hasenenten wurden durch die zwei gefallenen Artgenossen aufgehalten und so zerstreute sich der Ansturm ein wenig. Hane ließ seinen Bogen singen und erschoss die vorderste der heraneilenden Kreaturen. Beinahe war nun Carl fertig die Armbrust nachzuladen, doch die Biester kamen bereits schon zu nahe. Oleana sprang vor und zog einen gleißenden Bogen mit ihrem Schwert. Zwei der Biester wichen getroffen zurück, doch hatten sie noch weiteres Unleben in sich… Oleana führte einige raffinierte Hiebe und Stiche um sich Raum zu verschaffen und der aufkommenden Bedrängnis zu entkommen. Bellrik II. tänzelte aufgeregt neben Hane von einer Pfote auf die andere, hielt sich aber an seinen Befehl und wich nicht von der Seite seines Herrn.

„Oleana, runter!“ ertönte es laut von Carl! Oleana warf sich mit einem weiten Schritt nach hinten und führte einen tiefen Schlag bei dem sie in die Knie ging. Die Armbrust ließ erneut einen ohrenbetäubenden Knall verlauten und eine weitere Hasenente hauchte in Windeseile ihr Unleben aus… Ein weiterer Jubelschrei aus der Kehle des Hünen ertönte, als er herbeirannte und seinen massigen Kriegshammer schwang. Auch Hane ließ einen weiteren Pfeil von der Sehne fliegen und schlug eine der beiden verletzten Enten. Die Hälfte der Biester lag tot zu Füßen der Jäger, doch nun war die gefährliche Zeit des Nahkampfs gekommen. Kriegshammer und Schwert fuhren nieder und trafen ein ums andere Mal den Körper eines der Biester. Doch auch Carl und Oleana bekamen ihren Anteil der Schmerzen, als sich einige Kreaturen an den Hieben vorbei auf sie stürzten und ihre Reißzähne durch die ledernen Beinschienen bohrten um die Beine der Jäger aufzureißen. Durch den Blutgeschmack wurden die Bestien offenbar noch besonders motiviert und warfen sich mit neuer Kraft in den Kampf. Nach und nach fielen alle Hasenenten aber der scharfen Klinge Oleanas, den gezielten Pfeilen Hanes und den wuchtigen Hieben von Carls Kriegshammer zum Opfer.

Die kleine Jagdgesellschaft hatte ihre erste Bewährungsprobe bestanden und war mit vergleichsweise kleinen Blessuren davongekommen. Oleana und Carl wuschen ihre Wunden mit dem stärksten Brand, den sie mitgebracht hatten, aus und halfen sich gegenseitig beim Verbinden. Hane zog unterdessen das Unwesen ab, damit die größten blutigen Klumpen hier verbleiben konnten. Lange wollten sie sich an dem Tümpel jedoch nicht aufhalten, denn Blutgeruch vermochte, ganz besonders in der Brache, nur weiteres gefährlicheres Gesindel anzulocken… Dennoch plante Hane von jedem erlegten Wesen ein Exemplar zu untersuchen und mitzubringen – nicht der Trophäen Willen, sondern zur Sammlung von Wissen über die Unwesen der Brache.

Sie zogen kurze Zeit später weiter um wieder den Bogen zurück zum Lager zu machen. Der Wald hatte schon wieder damit begonnen das ihm abgetrotzte Land zurückzuerobern. Der kleine Steinkreis für das Lagerfeuer war bereits von stacheligem Moos überwuchert und einige der angespitzten Holzpfähle fanden sich bereits in Wurzelwerk eingeflochten. Die Gefährten waren froh ihre Vorräte nicht hiergelassen zu haben und machten sich an die Arbeit das Lager wieder nach ihren Vorstellungen herzurichten. Nach einigen Haumesser-Hieben gegen das Wurzelwerk begann dieses bereits von selbst mit dem langsamen Rückzug. Doch keiner der Jäger hatte Zweifel, dass die Wurzeln versuchen würden wiederzukommen. Die Brache wusste nun wo die kleine Jagdgesellschaft war und würde ihnen sicherlich keine Travia gefällige Gastfreundschaft zuteilwerden lassen.

Das Abendmahl fiel karg aus, doch immerhin hatten die drei Menschen und der Hund genießbares Essen von außerhalb der Brache. Hane entfernte die letzten Fleischreste von der Haut der Hasenente und warf sie in die Flammen des Feuers, was von einem zornigen Zischen und einem grünlich bis bläulichen Auflodern quittiert wurde. Mittlerweile war die Nacht wahrscheinlich schon angebrochen. Die letzten Lichtreste erreichten den Waldboden nicht mehr und der Seuchenpfuhl schien wieder zu seinem unheiligen Leben zu erwachen. In der Ferne meinte Hane grüne und rote Blitze aufleuchten zu sehen. Das Gewitter schien mal schneller, mal langsamer, näherzukommen.

„Hey Leute, gleich wird’s ungemütlich!“ sagte Hane an seine Gefährten gewandt.

„Es wird ungemütlich? Was war es denn bisher?“ erwiderte Oleana schnippisch.

„Ich glaube es zieht ein Gewitter auf. Ich bin mir nicht sicher, ob wir besser unsere Köpfe, oder unsere Beine schützen sollten. Aber zunächst einmal würde ich das naheliegende tun, was außerhalb der Brache richtig wäre. Wir bauen einen Unterstand.“ Hane gab sich keine Mühe die Sorgenfalten auf seiner Stirn zu verbergen.

„Unterstand! Geht klar! Entschuldige lieblicher Pesttümpel, wir werden jetzt deinen kleinen Bäumchen zu Leibe rücken.“ Carls Lachen verstummte prompt und er staunte nicht schlecht, als eine kräftige Windböe ihm ins Gesicht blies und ihn beinahe von den Beinen holte. Er wartete das Abflauen der kurzen Böe ab, zuckte mit den Schultern und machte sich daran einige buschige Äste von umliegenden Bäumen zu schlagen. Schwarzes Harz tropfte aus den Wunden der Bäume und schien am Metall der Axt kleben zu bleiben. Carl rieb es schnell am Moos ab und zuckte zurück, als sich das Gewächs augenblicklich mit kleinen knisternden Flammen entzündete. „Uhh! Lasst euch nicht vom Baumharz erwischen – das Zeug fackelt gerade das Moos ab!“ rief der Hüne seinen Begleitern zu.

In Windeseile bauten sie einen Unterstand in ihrem Lager, der zumindest das schlimmste des einsetzenden Regens abhielt. Jene Tropfen aber, die sie abbekamen, brannten unangenehm auf der Haut. Oleana, Hane und Carl zogen ihre Mäntel enger und hofften, dass der Regenschutz sie vor dem schlimmsten bewahren würde. Die ganze Nacht hindurch hielt der Regen an und schien auch das sonstige Leben in der Brache weitestgehend zum Erliegen zu bringen. Das Spritzwasser des Säureregens kroch in die kleinste Ritze und bald brannte den Jägern die Haut am gesamten Leib. An erholsamen Schlaf war in dieser Nacht abermals nicht zu denken, viel zu wichtig war die Konzentration darauf die Haut nicht blutig zu kratzen und die Kleidung möglichst lückenlos zu halten…



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Texte der Hauptreihe:
K2. Tag 1
K3. Tag 2
K4. Tag 3
K5. Tag 4
K6. Tag 5
K7. Tag 6
K8. Tag 7
Autor: Ostbrisken