Geschichten:Schmerzen und Glück - Blutiges Licht

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Momente lang herrschte schweigen im Saal des Gorsinger Hauses auf die Mitteilung des Ritters. Keiner fühlte sich ebrufen etwas zu sagen, niemand wusste überhaupt, wer denn nun das Sagen hatte. Traviadane als Alt-Junkerin? Greifmar als Vogt? Aidaloê als noch nicht bestätigtige Junkerin, deren Anspruch nach vage erschien? Jeder sah sich nach jedem um, doch dann wurde es Traviadane zuviel. Sie hieb einmal auf den Tisch.

„Ritter Ailgrimm, Ihr werdet die Maarblicker Schützen zur Abtei schicken. Wir werden die Söldner erwarten. Das ist das einzige, was wir im Moment tun können – und hoffen, dass seine Hochgeboren schon Hilfe schickt.“

Der Ritter, der sich dem noch trauerfeuchten, aber willensstarken Blick seiner Herrin ausgesetzt sah nickte und fuhr sich mit der starken Hand durch das blonde Haar. Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, drehte er sich auf dem Absatz herum und verließ den Raum. Er musste nach Maarblick, wo durch Greifmars Wort schon die Schützen bereit waren.

Traviadane sah ihm nur kurz hinterher, dann ließ sie ihren Blick durch die Runde schweifen. Angst las sie in den Gesichtern, aber auch Trauer, Wut, Verzweiflung und Verblüffung – ein Wechselbad der Gefühle. Tirus war immer noch blass und von der Erschöpfung gezeichnet, Greifmar konnte man ansehen, wie sehr er sich bemühte, Haltung zu bewahren. Aidaloê schien ganz entrückt, Trautmann sah seine Herrin erwartungsvoll an und wartete auf ihre weiteren Befehle.

Traviadane seufzte. „Ich werde mit Aidaloê, Seiner Hochwürden Lorderin Halburg und Seiner Ehrwürden Helmbrecht von Baliho unter der Bewachung von Ritter Trautmann von Haderstein nach Herrschaftlich Zankenblatt aufbrechen. Wir werden Seiner Hochgeboren Baron Erlan von Zankenblatt die Situation erläutern und ihm die Beweise für die Abstammung Aidaloês ...“, an dieser Stelle warf Traviadane erst einen kurzen Blick auf die Pergamentrolle und dann in Richtung des alten Perainepriesters, „...vorlegen. Und dann auch noch das weitere Vorgehen besprechen.“

Ihr Blick glitt zu Trautmann. Man sah ihr an, dass sie viel lieber ihren Sohn Carolan vor sich hatte, dass sie alles dafür tun würde, wenn er nur leben könnte. Doch er saß nun an Rondras Tafel und sie musste sich darum kümmern, dass alles seine Wege ging. Sie stützte sich auf den Tisch und atmete einmal schwer aus. Sie war nicht mehr die jüngste, gewiss nicht. Doch als eine Tochter des Hauses Rothammer war sie bereit, es mit allen Unwägbarkeiten aufzunehmen. Ihre Stimme war der inneren Schwäche zum Trotz klar und deutlich, als sie dem Ritter Trautmann die Anweisung gab, anzuschirren und sein Pferd bereit zu stellen. Wie sein Standesbruder eben zuvor, nickte Trautmann nur knapp und verschwand sofort aus dem Saal. Bald schon würden sie aufbrechen müssen.

Aidaloê saß auf ihrem Platz und hielt den Kelch mit verdünntem Wein fest umklammert. In ihrem Innern fühlte es sich an, als sei eine Windsbraut hindurchgefegt und hätte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Die Halbelfe wusste nicht, was sie denken, geschweige denn was sie sagen sollte. Die ganzen Jahre über war sie Waisin gewesen, aufgefunden auf der Schwelle des Gutes, so hatte man ihr erzählt. Man nannte sie Aidaloê Rondriga Maarblicker, nach dem Ort, an dem sie gefunden worden war. Und nun aufeinmal sollte sie die erbberechtigte Tochter des Junkers Reto Hagenius von Gorsingen zu Ferinstein sein, des Mannes, der sich die ganzen Jahre immer rührend um seine Secretaria gekümmert hatte – während all das andere Volk sie abergläubisch betrachte hatte. Nervös strich sich Aidaloê einige wirre Strähnen zurück und umklammerte dann wieder den Kelch. Der Wein darin schlug leichte Wellen unter den zitternden Händen der scheinbar designierten Junkerin, doch sie bemerkte es nicht. Stattdessen jagte in ihrem Kopf ein Gedankenblitz den nächsten. Doch Klarheit oder Einsicht gewnn Aidaloê dadurch nicht. Sie bemerkte auch nicht, wie Traviadane neben sie trat und ihr die Schulter drückte.

„Kind...“, murmelte die Alt-Junkerin und ihre grauen Augen sahen voller Mitleid auf die Tochter ihres Ehemannes hinab. Aidaloê hob den Blick und in ihren Augen so grün wie geschliffene Smaragde glomm eine Verwirrung, wie sie die intelligente Halbelfe noch niemals in ihrem Leben verspürt hatte.

„Warum?“ flüsterte sie und auch im Klang ihrer Stimme erkannte die Alt-Junkerin diese Verwirrung.

Die großen Katzenaugen wirkten so sehr verschreckt wie die eines Rehs im Angesicht eines Jägers, dass es Traviadane beinahe schon unheimlich wurde. Für einen sehr kurzen Moment dachte sie an die elfische Mutter Aidaloês und welcher Gesinnung diese Elfin gewesen sein mochte oder noch war.

Die Antwort auf die kurze Frage der Halbelfe war leise, fast schon geraunt: „Es durfte nicht sein. Man hat es Reto Hagenius verboten. Und zu deinem Schutz hat er es auch mir untersagt...“

Aidaloê verstand nur langsam. Sie war lange genug Retos Sekretärin gewesen, um die Vorbehalte des garetischen Adels gegenüber Bankerten und Bastarden zu kennen. Aber diesmal war sie es, die betroffen war. Diesmal war sie der Bankert. Und jetzt aufeinmal wollte man SIE als Junkerin anerkennen.

„Jetzt bin ich also gut genug?!“ presste sie mit leiser, rauher Stimme zwischen ihren Lippen hervor und starrte Traviadane nun mit leicht verengten Augen an.

Die Alt-Junkerin fuhr unter diesem Blick einen leichten Schritt zurück. Er war wie ein Peitschenhieb, kurz und schnell. Traviadane erkannte unter dem Schleier aus Zorn nur die Angst und die Verwirrung der Halbelfe. Sanft strich die Greisin über die Schulter Aidaloês und schenkte ihr ein sanftes Lächeln.

„Kind, sei nicht erzürnt. Wir konnten nicht anders handeln. Ich weiß doch mit welchen Vorbehalten Kinder, die keiner Ehe entspringen, zu kämpfen haben.“

Tatsächlich hatte auch ihr eigener Bruder Adalar von Rothammer ein uneheliches Kind gezeugt.

„Und davor wollten wir dich schützen. Ich selber habe erst auf dem Sterbebett meines Mannes – deines Vaters – von dir erfahren. Und musste ihm versprechen, dich vor dem, was mein Neffe erlebt hat zu schützen.“

Traviadane setzte sich auf den Stuhl neben Aidaloê und sah sie hoffnungsvoll an. Aidaloê blickte in ein vom Leben gezeichnetes Gesicht, das immer noch volle dunkle Haupthaar der Alt-Junkerin bedeckt mit einem nebelgrauen Kopftuch aus Seide und Brokat, schattige Falten werfend. Die fast mandelförmigen Augen von sanftem und liebevollem Grau suchten in den Elfenaugen Aidaloês etwas zu finden – Hoffnung? Verstehen? Aidaloê spürte es, sah es nicht nur in den Augen der alten Dame. Mehr noch – sie tastete intuitiv, nur halb bewusst nach dem Geist der Frau ihr gegenüber und fühlte, was sie bewegte. Und auch, dass sie es wirklich so meinte, dass es nur zu Aidaloês Bestem geschehen war, was alles geschehen war.

Zögerlich nickte Aidaloê. „Doch warum jetzt? Warum seid Ihr der Ansicht, jetzt würde mir nichts geschehen? Jetzt würde man mich nicht als Bankert ansehen?“

Traviadane nahm ihre Hand und drückte sie, hielt sie fest, während sie über die Antwort nachdachte. Einige Momente, die sie benötigte um Nachzudenken, später antwortete die alte Dame: „Weil jetzt keiner mehr aus Retos Blut lebt. Es gibt keine Gorsingen mehr, die Anspruch erheben könnten auf den Titel. Du bist wohl neben Tirus die letzte und jetzt braucht dich das Haus Gorsingen.“

Die Alt-Junkerin hoffte, diese Worte würden die pflichtbewusste Aidaloê zu Denken geben, zum Nachdenken anregen.

„Komm – auf der Fahrt zur Herrschaftlich Zankenblatt berichte ich dir alles, was ich weiß.“

Sie stand wieder auf und zog Aidaloê mit sich. Nur sehr widerwillig folgte die Halbelfe ihrer Herrin und stand auf. Es war nur der Gehorsam einer Adligen gegenüber, der Aidaloê folgen ließ. Und während Traviadane einer Magd auftrug, Reisemäntel, Überwürfe und Reisegepäck zu bereiten und zu bringen, grübelte Aidaloê imme rnoch über diese verworrene Situation nach, in die sie geraten war.

Nur eine halbe Sanduhr später saßen Traviadane – die Alt-Junkerin von Ferinstein – Aidaloê – die designierte Junkerin von Ferinstein – neben Dorleen von Untergras und Vater Lorderin Halburg, dem Perainepriester, in einer Kutsche, die von zwei weißen Yaquirtalern gezogen wurde und fuhren in Richtung Herrschaftlich Zankenblatt. Neben und hinter der Kutsche, die das Wappen des Hauses Gorsingen – die dreiköpfige goldköpfige silberne Primel auf blau – vorweg ritten Ritter Trautmann von Haderstein, der Ritter der Göttin Rondra Helmbrecht von Baliho sowie die beiden Knechte Jugo und Wolf. Es war die Equipage einer Adlige, die sich vom Gorsinger Haus bei Maarblick in Bewegung gesetzt hatte, um die Burg des Barons von Syrrenholt zu erreichen.

Im Innenraum der Kutsche herrschte ein angespanntes Schweigen. Traviadane hatte die Hände auf dem blauen Brokat ihres Kleides gefaltet und sah schweigend aus dem nur halb durch einen Vorhang verhüllten Fenster des Gefährts, während ihr gegenüber die Halbelfe Aidaloê in ihrem schönen rotem Kleide saß und in ihren Schoß starrte. Sie bemerkte nicht, wie der Blick des alten Perainegeweihten Lorderin auf ihr ruhte. Der alte Priester kannte ihre Herkunft, doch hatte er dem Vater und den Großeltern versprochen, darüber zu schweigen – zumindest solange es ihr gut ging. Er hatte dafür Sorge getragen, dass Aidaloê auf dem Hof des Junkers aufwuchs. Unbewusst spielte er mit dem silbernen Storchenamulett welches an der Kordel seines Gürtels hing, seine Finger – schwielig von der harte Arbeit vieler Jahre – fuhren über die detailliert eingravierten Federn, über den schlanken Hals des Heiligen Vogels, ertasteten die Augen des Amuletts, einem stummen Gebet an die Göttin der Fruchtbarkeit gleich. Er konnte es Aidaloê nicht verübeln, zornig und verwirrt zu sein – immerhin hatte man sie jahrelang geschmäht und nun hatte die Waise eine Familie gewonnen und im selben Augenblick auch wieder verloren. Um nicht mehr das Amulett zu malträtieren, löste der Priester die Hände von diesem Schmuckstück und strich stattdessen seine Robe glatt.

// Diese Stille darf nicht so weitergehen...// dachte Lorderin im nächsten Augenblick. // Ihre Wohlgeboren starrt nur aus der Kutsche und die junge wohlgeborene Dame nur auf den Boden.//

Abrupt – zumindest für die beiden Damen, die mit ihm in der Kutsche saßen – räusperte er sich vernehmlich. Traviadane und Aidaloê sahen sich um oder auf und starrten dann zu Lorderin. Dieser nickte leicht bestätigend.

„Wohlgeborene Damen, das Schweigen in diesem Gefährt wurde mir zuleide. Meint Ihr nicht, es ist angebracht – angesichts dieser Situation – einige Worte zu wechseln?“

Erwartungsvoll richtete der alternde Priester seine scharfen Augen auf die beiden Damen – jene zu seiner rechten und jene ihm gegenüber...


[ Im freien Feld bei der Sankt-Emmeran-Abtei ]


Es hatte nicht lang gedauert, schnell waren die maarblicker Schützen bereit gewesen und marschierten nun in einem recht strammen Schritt voran. Ailgrimm führte sie an, saß auf seinem Rappen, selbst bewaffnet mit einem Kompositbogen und seinem treuem Schwert „Eistanz“. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde – wieviele Schurken es genau waren. Doch er vertraute auf die Zielgenauigkeit und Durchschlagskraft der Schützen. Er musste die Schergen auf Distanz halten, sie zum Umkehren bewegen. Ailgrimm hob die Hand an die Stirn, schirmte sich vor dem Licht ab. Er versuchte etwas in der Ferne zu erkennen. Linkerhand, im Nordosten erhob sich wie ein scharfer Kontrast zu Himmel und Erde die traviagefällige Abtei Sankt-Emmeran.

// Ob sie...// dachte der weidener Ritter, dann schüttelte er den Kopf. Er konnte sich kaum vorstellen, dass Soldsknechte eine derart friedvolle Abtei plündern würden. Oder doch?

Viel Zeit zum Nachdenken hatte er nicht, denn da waren sie. Er sah sie im Schatten der Bäume über die freiherrschaftliche Armee marschieren, nur wenige hundert Schritt trennten die Reisigen von den Schützen der Junkerin. Es waren viele... Ailgrimm schluckte. Es war sicherlich eine ganze Kompanie, vierzig, vielleicht gar fünfzig Mann. Und wieviele waren sie? Er sah sich kurz um und zählte fünfzehn Schützen. Und seufzte. Hatten sie eine Möglichkeit, zu obsiegen. Gleichgültig, sie mussten nun sich bereitmachen – Ailgrimm bemerkte, wie die Söldner nach Armbrüsten griffen.

„Spannt die Bögen. Doppelreihe – zehn vorn, fünf hinten!“ bellte der Ritter bestimmt und sogleich nahmen die Maarblicker Haltung an. Schnell und geübt formierten sie sich und spannten ebenso schnell und flink ihre harten Bögen. Sie hatten genug Pfeile in ihren hölzernen Köchern. Jetzt würde Blut fließen.

Die Söldner rückten langsam näher und Ailgrimm bemerkte, dass nur die Hälfte von ihnen Armbrüste trugen. Er wartete Augenblicke lang. Langsam senkte er seinen Arm mit der flachen Hand.

„Auf mein Zeichen Sperrfeuer!“ befahl er und hoffte, die Maarblicker Schützen würden nicht zu früh schießen. Die Söldner waren mutig – aber sie waren auch in der Überzahl. In einer fast dreifachen Überzahl. Sie mussten sie gestreut halten, auf Entfernung. Das Warten war unerträglich, doch die Söldner – sie trugen einen schwarzen geköpften Luchs auf Schwarz! - kamen näher und näher.

Ailgrimm kannte das Spiel, Goblins und Orks handelten oft ähnlich. Er wartete den passenden Augenblick ab, spürte die Nervosität der Schützen. Der Schrecken von Gareth lauerte nun in ihrem Vorgarten.

Schweißperlen rannen den Maarblickern über die Stirn. Sieben Frauen und acht Männer befanden sich in diesem kleinen Haufen, alles geübte Schützen – doch noch nie hatten sie es seit den Orkkriegen mit waffenstarken Söldnern zu tun bekommen. Truda hatte ihren Bogen gespannt, den Pfeil angelegt. Sie war bereit und sie war eine gute Schützin. Truda Helmbarte war die Tochter des Waffenschmiedes und sie war seit Jahren schon Gardistin in der Ortsgarde. Sie würde nicht weichen. Ihre Waffenbrüder und -schwestern würden wie auch Truda ihr Leben für Maarblick geben. Sie kniff die Augen zusammen, fixierte erst die feindlichen Soldsknechte und dann kurz den Ritter – gab er endlich den verdammten Befehl?! Ihre Hand begann langsam zu zittern, sie war aufgeregt. Es war doch anders als der sprichwörtliche Hühnerdieb. Das letzte Mal hatte sie ernsthaft vor knapp 15 Jahren die Waffe gegen die Orks geführt und war dabei als blutjunge Gardistin fast zu Tode gekommen.

Da! Des Ritters Hand ruckte hoch, er brüllte: „Feuer frei!“ und Truda ließ die Sehne los. Wie ein Blitz zuckte ihr Pfeil los, schlug einen Bogen durch die Luft, raste auf die Feinde zu.

Ailgrimm gab den Befehl, die Schützen reagierten. Die Pfeile rasten durch die Luft und schon griffen sie nach einem neuen Pfeil, noch bevor der erste Pfeil sein Ziel erreicht hatte. Wie ein Hagel schlugen die Pfeile in den Reihen der Söldner ein, die zurücksprangen, versuchten den Geschossen auszuweichen, Schilde hatten sie keine. Einige brachen getroffen zusammen, andere legten ihre Armbrüste an, zielten, schossen ab.

„Deckung!“ brüllte Ailgrimm und die Maarblicker suchten hinter ihren Holzschilden Schutz. Sie hatten keine Schützenschilde, nur einfache hölzernde Rundschilde. Hart prallten die Bolzen auf das Holz, blieben stecken.

Der Moment sollte nicht lang dauern, die Schützen erhoben sich und zielten kurz. Erneut ging ein Pfeilhagel auf die Söldner nieder, dann schoss die zweite Reihe, während die erste schon wieder nachlud. Die letzten Jahre war die Maarblicker Garde gedrillt worden, die Jahre nach den ork- und Answinkrisen und jetzt konnten sie ein Dauerfeuer aufrechterhalten. Die Söldner wichen aus, doch sie feuerten auch. Truda Helmbarte brach zusammen, hielt sich die linke Schulter in der ein Bolzen stak. Sie biss die Zähne zusammen, doch es klappte nicht. Sie konnte die Schulter nicht bewegen, konnte nicht mehr schießen. Sie wich zurück, gab einem anderen Schützen Platz. Ailgrimm beobachtete den Wechsel. Rasch handelte er, schob sein Pferd zu der Helmbarterin.

„Pass auf. Ich übernehme deinen Platz“, blaffte er und nahm sich seinen eigenen Bogen.

Dort, wo der andere Schütze gestanden hatte, stellte sich nun Ailgrimm. Er spannte seinen Bogen, wartete auf den Schußwechsel der zweiten Reihe und schoss dann. Sie mussten siegen, sie mussten die Söldner zurückdrängen. Er konnte nur dann und wann sehen, dass schon einige Söldner sich zurückgezogen hatten – doch dann bemerkte etwas besseres! Reiter, Reiter mit dem Wappen des Barons!

Schütze Zoltan Wolterich brach getroffen zusammen, ein Bolz steckte in seinem Oberarm. Auch Schützin Dana Horger zog sich unter unterdrücktem Stöhnen zurück und versuchte einen Bolzen aus ihrer Schulter zu ziehen. Dreizehn Schützen waren sie noch, keine gute Zahl, doch die Reiter näherten sich. Es waren Plänkler, bewaffnet mit Reitersäbeln. Die Söldner bemerkten sie nicht sofort, das Sperrfeuer der Maarblicker hielt sie gefangen. Doch dann wandte sich ein Teil von ihnen um, zog Äxte und Hämmer und machte sich bereit. Im scharfen Galopp rasten die Reiter des Barons auf den Feind zu.

„Zielt auf die Amrbruster!“ befahl Ailgrimm und sofort bauten sich die Bogenschützen zu einem weiten Halbkreis auf. Jeder suchte sich ein Ziel, nur noch sechzig bis achtzig Schritte lagen zwischen ihnen und den Söldnern. Eine kurze Distanz, doch weit genug. Ailgrimm fixierte einen kleinen wieseligen Söldner, der seine Waffe nachlud. Spannte seinen Bogen, zielte und ließ dann die Sehne los.

Tödlich suchte der Pfeil seinen Weg durch die Luft, traf und in dem Moment mähten die Reiter auch die anderen Söldnr nieder. Entsetzt fuhren die Reisigen auseinander, versuchten sich zu verteidigen. Einige wurden von gezielten Schüssen der Maarblicker niedergemacht, anderen fuhren die Klingen der Reiter in den Leib.

Es war ein Gemetzel, nur noch ein Gemetzel. Ein kurzes aber blutiges Gefecht und bald schon würde es vorbei sein. Die verwundeten Schützen zogen mit den gesunden Händen – so öglich – ihre Schwerter und verteilten sich im Gelände.

Da fiel Ailgrimm ein gedrungener Söldner im guten Lederpanzer auf mit eisernem Helm. Das war der Anführer! Er spannte seinen Bogen und versuchte zu zielen, doch der Scherge schlug Haken wie ein Karnickel. Dann jedoch hatte der Ritter ihn erfasst und ließ die Sehne los. Der Pfeil trat und durchbohrte den Panzer.

Der Hauptmann brach zusammen, versuchte den Pfeil aus dem Körper zu ziehen. Ailgrimm zog sein Schwert, nahm den Schild und rannte auf den Gegner zu. Auch die Rittfrau der Schwadron stürmte auf ihrem Grauen heran, brachte das Pferd zum Stehen und hielt dem Hauptmann drohend ihren Säbel entgegen.

In diesem Moment senkte sich eine erschreckende Ruhe auf das Schlachtfeld unter dem mahnenden Blick des Traviaklosters. Nicht einmal schmerzerfülltes Stöhnen war zu hören, denn bis auf den Hauptmann waren alle Söldner tot.

Niedergestreckt durch Pfeile und Säbel und Pferdehufe. Es war sicher entsetzlich – die Goldene Au war beschmiert, befleckt mit Blut. Die Rittfrau sah auf Ailgrimm, dieser erkannte sie. Es war Kortruda Leodane von Zankenblatt – eine Base des Barons und eine Kriegerin alter Schule. Sie hob die Hand zum rondrianischen Gruß ans Herz.

„Ritter Ailgrimm von Fuchstein!“ bellte sie. „Ihr habt eine ehrenhafte Tat vollbracht und das Kloster beschützt. Der Feind ist bsiegt.“

Ehrenhaft? Ailgrimm fand es wenig ehrenhaft, dieses blutige Gemetzel – doch Kortruda hatte durchaus recht: Das Kloster, das Junkergut und die Baronie hatten sie beschützt. Doch warum fühlte er sich so mies?