Geschichten:Reichstag in Beilunk – Von Huren und Silberzungen

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Beilunk, Sonnenmark; Anfang Travia 1040 BF:

Leomar lag schläfrig und verkatert in seiner Schlafkammer. Er hatte die letzten Tage nicht viel Schlaf bekommen – dafür aber um so mehr dem guten Wein zugesagt. Umso besser, so konnten ihn die Stimmen nachts nicht heimsuchen.

Die Kaiserin hatte zum Reichstag nach Beilunk geladen, nein befohlen und wie emsige Ameisen gleich, folgte der Adel des Reiches ihrem Rufe. Neben dem höfischen Tamtam wurde solch ein Ereignis benutzt um alten Bündnisse zu festigen und neue zu schmieden. Nun, dies tat auch Leomar ausgiebig. So parlierte er angeregt mit Baronin Geshla von Gnitzenkuhl und beglückwünschte sie zu ihrem neuerlichen Landgewinn an der Gaulsfurt, wenn gleich es nun mehr eher verbrannter Erde glich, war es doch der Austragungsort dieser schicksalshaften Schlacht gewesen. Wie dem auch sei, der Gnitzenkuhler Wein mundete trotzdem. Wenn schon nicht Rondra, so war wenigstens Rahja mit der Baronin, die zu allem Überfluss auch noch ihren frisch angetrauten Gemahl in der Schlacht verlor. Dafür schenkte er ihr vorher immerhin noch ein Zwillingspärchen. Voller Pflichterfüllung die alten perricumer Granden. Wen die Baronin wohl nun zum Gemahl nehmen wird?

Da waren die Gespräche mit Leomars greifenfurter Nachbarn Ardo von Keilholtz und Anselm Hilberan von Hundsgrab-Bugenbühl schon sehr viel weniger – boronlastig. Und es gab viel zu besprechen. Wann steht der Ork wieder in Garetiens Vorgarten? Wann wird der Elfenpfad endlich fertiggestellt? Wo führt er eigentlich lang? Denn der Forst schien sich hier und da zu widersetzten. Die Antworten auf all diese Fragen? Na wenn es sie gab, dann versanken diese im nächsten Becher Wein und harren immer noch danach wieder in aller Munde geführt zu werden. Ebenso die Beweggründe des umtriebigen Reichsritters Balrik von Keres. Dieser bat vor der Kaiserin von seinen Pflichten entbunden zu werden. Waren ihm die Häscher des Paligan zu dicht auf der Spur? Wie dem auch sei, weinselig machte Leomar zusammen mit Selo von Pfiffenstock und Malepartus von Helburg die Kneipen und Hurenhäuser der ach so praiosfrommen Stadt Beilunk unsicher. Wo viel Licht war, war auch viel Schatten. Das gefiel Leomar, Politik hin oder her. Sagte ein großer Mann nicht mal, Politik wird in den Betten des Reiches gemacht?

Mag man noch so tief ins Weinglas geschaut, von unzähligen Dirnen und Lustknaben beglückt und sich wie Kaiser Bardo in seinen besten Tagen gefühlt haben, der nächste Morgen schlug umso erbarmungsloser zu. So begab es sich, dass Leomar von seiner Hoheit Hagrobald Guntwin vom Großen Fluss persönlich als Beisitzer und erster Sekretär für eine der hohen Kommissionen auserkoren wurde, um Vorschläge für ihre kaiserliche Majestät auszuarbeiten. Wie eine ausgelaugte Ministerin des entthronten Kaiser Bardos saß Leomar in der Kommission, denn die Nacht zuvor hatte er es mit dem Pfiffenstock und Helburger besonders wild getrieben. Es ging um die Sicherheit der garetischen Straßen. Leomar war komplett entgangen, dass diese unsicher waren, aber was wusste er schon von Straßen, schließlich war er aus Waldstein. Seine Kompetenz darüber hatte sich beim weinseligen Palaver mit den Greifenfurtern erschöpft. Auch wurde Leomar darüber in Kenntnis gesetzt, dass wohl um die 300 haffax´sche Söldner in Kleingruppen ihr Unwesen im östlichen Garetien treiben würden. Auch davon war ihm vorher noch nichts zu Ohren gekommen, aber wie bereits erwähnt, er war ja aus Waldstein. Nachrichten brauchen eben eine längerer Zeit bis sie den Forst erreicht hatten. Die meisten von Leomars Untertanen glaubten noch heute von Kaiser Hal regiert zu werden. Einzig die Frage, ob die kaiserliche Verwaltung wieder nach Gareth verlegt werden sollte, erweckt in Leomar ansatzweise die Lebensgeister, doch sah er ein, dass dafür die Zeit noch nicht gekommen war.

Vielmehr interessierte sich Leomar für die Ergebnisse der anderen Kommissionen. Sein Trinkgefährte Selo berichtete von neuen Verträgen mit den Tulamiden, wonach das Reich die Annektion Anchopals durch Gorien anerkennen würde. Es war einer der wenigen Momente wo Leomar zu alter Form aufschlagen konnte und mit silberner Zunge gemeinsam mit einem Gefolgsmann des Helburgers auf Selo eingeredete. Mit Erfolg! Jener Punkt konnte durch Selos beherztes Einwirken – nach abgeschlossener Verhandlung – neutralisiert werden. Anerkennend klopfte Leomar seinen Kumpanen auf die Schulter. Aus ihm würde mal ein großer Baron werden. Immerhin wird er nicht als derjenige in Erinnerung bleiben, der fast einen Krieg mit Aranien angezettelt hätte, nur weil er von einem gorischen Gesandten um die Finger gewickelt wurde. Dieser hätte den mittelreichischen Gesandten wohl noch einreden können, eine Mauer an der Grenze zum südlichen Nachbarn zu errichten und alle Nebachoten nach Aranien zu vertreiben. Gut, dass die Vernunft des Barons von Haselhain gesiegt hat. Ein rares Gut, wie man dieser Tage hört.

Dann, ja dann war da ja noch die Tobrien-Frage. Wie eine Nacht mit einer alten Vettel, so waren die Verhandlungen zäh und wenig befriedigend, so berichtete zumindest der Gefolgsmann des Helburgers. Doch dieser brachte den Vorschlag in die Kommission ein, wonach Großgaretien von der Rückführung der tobrischen Flüchtlinge befreit werden sollte – als Ausgleich erklärte sich der großgaretische Adel bereit eine nicht unbeträchtliche Summe an das tobrische Herzogenhause zu überführen. Von einer hohen fünfstelligen Zahl im Golddukaten war die Rede. Doch die gereichte Hand des geeinten großgaretischen Adels wurde von der tobrischen Wolfspranke ausgeschlagen. Nun gut, dachte Leomar, dann behalten wir eben unser Gold. Vielleicht spenden wir es ja statt dessen Warunk? Aber wenn der Tobrier glaubt, nun seine Flüchtlinge wiederzubekommen, hat er sich geirrt. Denn, es gibt keine tobrischen Flüchtlinge in Großgaretien, sondern nur großgaretische Bauern.

Der Rest der kaiserlichen Beschlüsse war für Leomar eher uninteressant. Ein Albernier wurde zum Kanzleirat für Reichsangelegenheiten ernannt. Nach zwei Götterläufen war es in der Reichsverwaltung aufgefallen, dass der Aimar-Gor zu Boron gefahren war. Nun, besser spät als nie. Aber was konnte man aus Elenvina schon anderes erwarten. Die Perlmeerflotte sollte mehr Unterstützung erhalten und eine Feste im Finsterkamm wieder aufgebaut werden. Auch wurde die Aufteilung des Götterzehntes neu beschlossen und zwar zu Gunsten der gütigen Schwestern Travia, Tsa und Peraine. Ja, das Volk und der Adel waren Kriegsmüde geworden, dabei waren große Teile von Tobrien noch in Feindeshand. Und was war eigentlich mit Maraskan?

Leomar reckte sich ein weiteres Mal. Es war Zeit aufzustehen. Denn es gab noch ein wichtiges Ereignis das bevorstand. Er und einige weitere hochrangige Mitglieder des großgaretischen Adels hatten eine Audienz bei warunker Markgrafen. Es war nun an der Zeit wieder Politik zu machen, wie damals in Auenwacht .

War Leomars Silberzunge bei diesem Reichskongress auch etwas versteift und nicht mehr so flink wie in Auenwacht – in einigen beilunker Freudenhäusern möge man dieser Ausführung widersprechen - so hatte er doch immerhin seinem Ruf als Kabinettshure aller Ehre gemacht. Wobei, ein Erfolg war ihm dann doch noch vergönnt. Er verschacherte ein Balg eines seiner weitläufigen Verwandten an einen weidener Baron.

Als weiteren Erfolg wertete er den geeinten Auftritt des großgaretischen Adels. So war aller Orten nicht von Garetien, Greifenfurt oder Perricum gesprochen worden, sondern von Großgaretien. Selbst in offiziellen Anträgen der Kommissionen wurde dieser Begriff verwendet und auch der Reichserkanzler führte ihn vor der Kaiserin in seinem Munde. Leomars Traum von einem geeinten Großgaretien hatte zumindest in der Begrifflichkeit schon Gestalt angenommen. Und hatte der junge Erbe Tobriens und frisch gekrönter Graf von Tobimora Jarlak von Ehrenstein nicht von einem Großtobrien gesprochen. Er hatte sich also den Anschluss Beilunks und Warunks auf die Fahnen geschrieben. Interessanter Gedanke. Den jungen Grafen galt es im Auge zu behalten. Adhemar war dafür der richtige Mann, befand er sich doch im direkten Umfeld des jungen Wolfes.

Leomar betrachtete sich sein Spiegelbild. Ein süffisantes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hatte nur einen Gedanken im Kopf.

Wir werden Garetien wieder groß machen! Garetia Superior!