Geschichten:Rachedurst Teil 12

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Auf der gut ausgebauten Strasse in Richtung Perricum


Nach Luft ringend nahm der Pfalzgraf den Helm ab und ließ ihn zu Boden poltern.

„Wo im Namen aller Zwölfe,“ keuchte er und musste schließlich eine Pause machen, „Wo ist dieser Hund?“ Die Ritter sahen sich ratlos an.

Radulf von Firunshöh blickte sich um. „Mein Herr, die Feinde sind alle geschlagen, die meisten ergaben sich, aber es scheint, dass der Baron von Brendiltal nicht hier war.“

Wütend stampfte der Pfalzgraf mit einem Fuß auf. „Ich werde diesem Spitzel den Hals umdrehen! Er sagte doch, dieser vermaledeite Kerl würde diesen Tross begleiten!“

In diesem Moment zog Haromir den Kopf ein. Er war sich sicher gewesen, dass sein Informant ihn nicht belogen hatte. Jetzt würde es ihm an den Kragen gehen, wenn ihm nicht gleich etwas einfiel. Pfalzgraf Bernhelm funkelte bereits böse in Richtung des Spions.

Ein angsterfülltes Seufzen drang aus einem der Wagen. Bernhelm hielt inne und sein Blick fixierte den mit einer vergilbten Plane bespannten Kastenwagen. „Seht nach,“ befahl er dem Junker von Firunshöh und Ritter Taramon von Zoltheim.

Die beiden Männer rückten vor und Radulf stieg zuerst auf den Bock, um einen Blick ins Innere des Wagens zu werfen. „Raus mit dir!“ hörte man seine ernste Stimme, als er nach jemandem griff und eine dunkelhäutige Frau mit langem schwarzem Haar aus dem Wagen zerrte. Djamilla, die Zofe stolperte und stürzte vom Kutschbock hinab. Sie prallte hart auf und rieb sich anschließend ihren rechten Arm. Ihr Gesicht war tränenüberströmt und aus ihren Augen sprach die nackte Angst.

Sie kroch auf allen Vieren bis zu Bernhelm und drückte den Kopf in den Staub. „Bitte main Herr, verschont sie! Ich bittä Euch!“ schluchzte sie beinahe unverständlich.

Bernhelm ignorierte die Frau, denn man hörte Gekeife aus dem Wagen. Radulf hatte ein vielleicht zehn Götterläufe altes Mädchen unter dem Arm. Sie schrie und zappelte, trat nach allen Richtungen aus, und biss dem Junker sogar in die Hand. Radulf schrie auf und schon hatte die kleine Nebachotin mit dem lockigen schwarzen Haar sich losgerissen. Die entwischte auch Ritter Taramon, doch Haromir ließ seine Armbrust fallen und packte geschwind zu.

„Lass mich los, du Unhold!“ fauchte die Kleine wild.

„Hoho, da haben wir ja einen richtigen Wildfang!“ Der Waldläufer grinste breit, doch das Mädchen biss auch ihn in den Arm. Er schrie laut auf und versetzte dem Mädchen einen harten Schlag auf den Kopf. Sie ließ von Haromir ab und einige Tränen bahnten sich über ihre Wangen, doch es drang kein Klagelaut über ihre schmalen Lippen. Der Waldläufer wollte ihr noch einen Schlag versetzen, doch der Graf gebot ihm Einhalt. „Lasse er das, dummer Tölpel!“

Bernhelm kam näher und packte das Mädchen unter dem Kinn und zog ihr Gesicht nach oben, damit sie ihn anblickte. Voller Abscheu war ihr Antlitz, als sie den bärtigen, breitschultrigen Mann ansah. „Wer bist du, Mädchen?“

Stolz erfüllte ihre helle Stimme. „Ich bin Arijescha han’Breshir’a Danal, Tochter däs Marbän, und wer bist du, du hässlicher Vogäl?“

Die gräflichen Ritter hielten die Luft an, denn niemand wagte es, den für seinen großen Jähzorn bekannten Grafen so zu beleidigen.

Bernhelm sog die Luft scharf ein. Die Tochter des Barons von Brendiltal. Der Angriff schien doch nicht umsonst gewesen zu sein. „Es ist sehr unklug von dir, mit mir so unbedacht zu sprechen. Ich besitze große Macht und du solltest dich eher fürchten. Ich bin Pfalzgraf Bernhelm von Wetterfels. Man nennt mich auch den Ogerfresser. Weißt du, was ein Oger ist?“

Die Kleine wurde von Haromir abgesetzt, aber er hielt sie an den Schultern weiter fest. Sie verschränkte trotzig die Arme und Zorn funkelte in ihren nussbraunen Augen, die, wenn die Zeit verging, sicherlich einmal die Herzen zahlreicher Männer höher schlagen lassen würden.

„Ich weiß, was ain Ogär ist! Das sind große, hässliche Viecher, die nur Frässän und Mordän im Sinn habän!" Sie machte eine kurze Pause und mustere den gewichtigen Grafen genau. „Ich glaubä, die sind wie du.“

Ritter Taramon von Zoltheim pustete die Backen auf, so dass sein breiter Schnurrbart voll zur Geltung kam. „Sprich nicht so zu Herrn Bernhelm! Was fällt dir ein, du ungezogene Göre!“ fuhr er das Mädchen harsch an.

Bernhelm taxierte das dreiste Kind genau und einige Herzschläge herrschte eine bedrohliche Stille. Dann erklang das polternde Lachen des Grafen. Er hielt sich den wohl genährten Bauch und lachte aus vollem Leibe. Nach anfänglichem Zögern fielen auch seine Männer in das Lachen ein.

„Du gefällst mir, kleine Nebachotin. Von Firunshöh, sorgt dafür, dass die junge Edle von Brendiltal ein eigenes Pferd bekommt. Sie soll ihrem Stand gemäß reisen.“ Der Junker schlug mit der gepanzerten Faust auf seine Brust und nickte.

„Ach, von Firunshöh!“ fügte der Graf an. „Und achtet bitte darauf, dass die junge Dame keinen Ausritt allein unternimmt. Wir reiten nun fort von hier. Übergebt die Pferde und allen Besitz aus den Wagen, sowie die Wagen selbst an die Gefangenen und lasst sie frei. Legt einige der Waffen in de Wagen, damit sie sich im Notfall verteidigen können auf dem Rückweg.“

Haromir trat an die Seite des Grafen. „Vergebung mein Herr, aber was machen wir, mit der Zofe.“ Er deutete auf die immer noch zusammen gekauerte Frau.

„Sie ist unbedeutend. Auch sie kann gehen.“

„Aber Herr, diese Männer und diese Frau hier haben uns und unsere Gesichter gesehen, wir...“ Der Waldläufer grinste niederträchtig.

„Es interessiert mich nicht, was er im Sinn hat!“ polterte der Graf erzürnt. „Muss ich ihn daran erinnern, dass dieses Weib ist nicht unser Feind ist! Nur die Pulethaner sind unsere Feinde und ihnen allein gilt mein Zorn! Er wird dieses arme Weib in Frieden lassen, verstanden? Feinde, die sich ergeben haben, werden geschont. Ich bin kein feiger Mörder, der nicht einsteht für seine Taten und sich davon schleicht.“

„Natürlich mein Herr, ich würde es nie wagen, mich eurer Anordnung zu widersetzen.“ Er kroch förmlich vor Bernhelm.

„Nehmt unsere Gefallenen mit, sie haben ein ehrenvolles Begräbnis verdient.“ rief Bernhelm. Er drehte sich ein letztes Mal zu Djamilla, die mittlerweile auf die Beine kam. „Du, Zofe. Sorge dafür, dass eure gefallenen Kämpfer ebenfalls den Segen des schweigsamen Herrn empfangen. Und sage deinem Marben, oder wie auch immer er sich nennen mag, dass wir seinen Fehdehandschuh annehmen.“

Sie zitterte am ganzen Leib und brachte keinen Ton heraus, während vorsichtig nickte.

Bernhelm hatte sich schon abgedreht und war einige Schritte davon geritten, während der Waldläufer die Zofe gierig musterte. Die Konturen ihren wohl gerundeten Brüste zeichneten sich deutlich unter ihren seidenen Gewändern ab und Haromir fragte sich, ob er nicht ein Anrecht auf Beute hat. Er packte die Zofe am Schopf, woraufhin die Frau gequält aufschrie. Mit seinem Jagdmesser machte der Waldläufer sich daran ihr Kleid aufzuschlitzen. Der Graf hatte zwar gesagt, dass sie nicht getötet werden darf, aber davon, dass er nicht ein wenig Spaß haben durfte, war nie die Rede gewesen. Mit schnellem Schnitt trennte er den Stoff auf.

Gierig ließ er seine Blicke über ihren sonnengebräunten Körper, allem voran die vollen nackten Brüste streifen, während er sie weiter kräftig an den Haaren gepackt hielt. Sie schrie verzweifelt und versuchte sich zu wehren, doch der Schock saß noch tief und ihre Kraft schwand schnell.

„Mach doch nicht so ein Geschrei!“ Die nebachotischen Knechte zögerten, denn die garetischen Ritter waren erst wenige Schritte entfernt; niemand getraute sich einzugreifen.

Haromir wollte die Zofe gerade auf den Boden pressen, um sich zu holen, was ihm seiner Ansicht nach zustand, als er das Schnauben eines Pferdes hinter ihm vernahm. Über das Geschrei der Frau hatte er den Reiter nicht gehört. Ruckartig fuhr Haromir herum und blickte nach oben in das ärgerliche Gesicht des Pfalzgrafen.

„Zuerst handelt er eigensinnig und tötet eine Edle, was ihm als einfachen Tölpel gar nicht zusteht und dann will er sich an einem wehrlosen Weib vergreifen?“ Wut und Entrüstung grollten in der tiefen Stimme des Grafen.

Der Waldläufer ließ von der Frau ab, die sich sofort aufrappelte und zu ihren Landsleuten flüchtete. Bernhelm nahm den rechten Fuß aus dem Steigbügel und versetzte Haromir einen harten Tritt ins Gesicht. Aufheulend wurde der Mann zurück geworfen und presste die Hände auf eine große Platzwunde an seiner Stirn.

„Von Firunshöh! Entwaffnet und bindet diesen Unhold!“

Der Junker ritt heran und stieg sofort ab. Mit hartem Griff zog er den wimmernden Haromir auf die Beine und nahm ihm sein Messer und die auf den Rücken geschnallte Armbrust ab. Einer der Knappen eilte mit einem Strick herbei und fesselte den Waldläufer.“

„Aber mein Herr!“ flehte Haromir. „Ich bitte um Vergebung, ich...“

Der Pfalzgraf beachtete ihn gar nicht. Er bedeutete Djamilla näher zu kommen, was die Frau, ihr zerrissenes Kleid mühsam zusammen haltend, auch tat.

„Ich übergebe euch diesen Mann als Gefangenen und als Zeichen meines guten Willens. Übergebt ihn Eslam von Brendiltal, auf dass er mit ihm verfahre, wie er es für rechtens erachtet.“

Zuerst zögerten die Nebachoten, doch dann trat einer der verletzten Krieger vor und packte den Waldläufer, um ihn an einen der Wagen zu binden.