Geschichten:Neues aus Tannwirk - Teil 1

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Waldstein, Baronie Tannwirk, Anfang Rahja 34 Hal.


Eine Gruppe von sechs Berittenen kam langsam über den Weg. Vorsichtig bewegten sie sich vorwärts, als würden sie zwischen den hohen Bäumen einen Hinterhalt erwarten. Sie schienen auch schon ein paar Kämpfe hinter sich zu haben. Drei trugen Verbände und alle hatten reparierte Stellen an ihren Rüstungen. Der Wappenrock des Anführers hatte seine weiße Farbe eingebüßt und zeigte neben Braun und Grün auch rote Flecken. An einigen Stellen war das Kettenhemd durch Risse hindurch zu sehen. Einer der Waffenknechte führte ein reiterloses Pferd. Der Anführer der Gruppe wandte sich zu seinen Leuten: „Seid vorsichtig, wir sollten in wenigen Minuten das kleine Dörfchen Tannwirk erreichen. Der Bauer sprach von einigen marodierenden Söldnern, die sich hier versteckt haben sollen.“ Zwei Soldaten nahmen Armbrüste aus Futteralen und spannten sie. Nach der nächsten Biegung wichen die Bäume rechts und links zurück und gaben den Blick auf eine Lichtung frei.

Um einen großen Dorfplatz mit Brunnen waren neun Häuser gruppiert. Zwei waren nur noch schwarze Ruinen; verkohlte Holzbalken ragten wie Knochen aus den Schuttbergen. Die anderen Häuser machten jedoch einen erstaunlich guten Eindruck. Offenbar waren die meisten auch bewohnt, da kleine Rauchfahnen aus den Schornsteinen kamen. Ein paar Menschen waren zwischen den Häusern zu sehen, meist Frauen, die der Hausarbeit nachgingen. Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass keine jungen Männer zu sehen waren. Ein paar Greise saßen vor ihren Häusern oder beim Brunnen und werkelten vor sich hin.

Gerade, als die Reiter ins Dorf wollten, hörten sie Tumult zwischen den Häusern. Ein junges Mädchen kam in Richtung Weg gelaufen. Sie konnte höchstens sechzehn Götterläufe alt sein, hatte langes braunes Haar und trug bräunlich-graue Kleidung. Ihr Mieder war aufgerissen und auch das Hemdchen darunter schien beschädigt. Mit gehetztem Blick rannte das Mädchen zwischen den Häusern her, auf der Suche nach einem Versteck oder Ausweg. Hinter ihr war eine laute Männerstimme zu hören.

Fluchend rief jemand nach ihr. Schnell wurde der Sprecher sichtbar, mit wüsten Beschimpfungen auf den Lippen, lief er hinter ihr her. Doch sein torkelnder Gang, der ganz offenkundig auf eine größere Menge Bier zurück zu führen war, hinderte ihn daran, das Mädchen einzuholen.

Die Reiter zogen sich auf einen Wink hin zwischen die Tannen zurück, sodass sie vom Dorfe aus nicht zu sehen waren und stiegen von ihren Pferden.

Als das Mädchen noch wenige Schritte vom Waldrand entfernt war, kamen weitere Männer hinzu. Alle waren in Leder gekleidet, welches teilweise mit Nieten verstärkt war. Einige trugen Arm- oder Beinschienen, die meisten waren mit Schwertern, Säbeln oder langen Dolchen bewaffnet.

Sie machten sich an die Verfolgung der Kleinen. Diese hatte inzwischen den Waldrand erreicht. Flink lief sie zwischen den Bäumen dahin, als plötzlich ein Arm hinter einem Baum hervor schoss, sie packte und heranzog. Noch bevor sie schreien konnte, wurde ihr eine Hand auf den Mund gelegt.

„Seid ohne Sorge, Fräulein! Wir sind hier, um dem Dorf zu helfen.“

Die Stimme sprach sanft und ruhig zu ihr.

„Wir werden Euch nun loslassen und Ihr werdet nicht schreien. Dann werden wir uns dieser Männer annehmen.“

Das Mädchen nickte.

„Sind noch mehr Söldner im Dorf?“

Wieder nickte das Mädchen.

„Mehr als zehn?“

Wieder ein Nicken. Der Mann hinter ihr fluchte leise, jedoch in einer Sprache, die sie nicht verstand. Als sie losgelassen wurde, drehte sie sich langsam um. Ein hoch gewachsener Mann stand hinter dem Baum. In Kettenhemd und Waffenrock gekleidet, mit einem Schwert an der Seite, machte er dennoch einen freundlichen Eindruck. Das Lächeln seines Mundes reichte bis zu den Augen. Sein Alter konnte sie nicht einschätzen, das Gesicht wirkte noch recht jung, aber die Haare waren mehr grau als schwarz.

„Versteckt Euch dort hinter den Haselbüschen.“

Er gab seinen Begleitern ein Handzeichen. Hinter den Bäumen und Sträuchern, die im Zwickel zwischen Dorflichtung und Weg standen, konnte sie kurz Bewegungen sehen. Inzwischen waren acht Verfolger am Waldrand angekommen. Fluchend suchten sie einen Weg über Wurzeln und Himbeeren. In einiger Entfernung war kurz das lange Haar des Mädchens zu sehen, als sie hinter einigen Büschen Schutz suchte.

Triumphierend schrieen die ersten Söldner auf und riefen dem Mädchen zu: „Wir kriegen dich!“

„Ich weiß, wo du steckst.“

„Du kannst dich nicht verstecken.“

„Ich werde …“

Der Rest des Spruches ging in einem Röcheln unter, als der Sprecher mit einem Bolzen im Hals niedersank. Weitere Bolzen flogen den Söldnern entgegen und fanden ein Ziel. Als die Waffenknechte mit dem Ritter an der Spitze in den Nahkampf gingen, standen nur noch vier Söldner, die anderen lagen tot oder verwundet zwischen den Tannen. Schnell und gnadenlos schlugen sie auf die überraschten Söldner ein.

Doch das Überraschungsmoment währte nicht lang. Beide Gruppen hatten in diesem Jahr genug Möglichkeiten gehabt, Kampferfahrung zu sammeln und ihre Reflexe zu üben. Aber die zahlenmäßige Überlegenheit war der entscheidende Faktor. Als sich der letzte Söldner zur Flucht wandte, wurde er durch schnell ergriffene Armbrüste gestoppt.



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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
3. Rah 1027 BF
Teil 1


Kapitel 1

Teil 2
Autor: Tabuin