Geschichten:Mit Samthandschuhen (in Mendena) - Die letzte Etappe

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5. Ingerimm 1037 BF

Die letzten Tagen waren sehr ruhig gewesen. Lechdan Harlitz hatte seine Uniform der Karmothgarde endlich ausziehen können und er trug wieder seine normale Kleidung. Seine Identiät als Xandros hatte damit ein Ende gefunden. Kurz hatte er überlegt, ob er den Wappenrock einfach über Bord werfen sollte, doch besann er sich eines besseren. Schließlich konnte die Uniform noch für spätere Aktionen und Infiltrationen von Nutzen sein. So verstaute er sie weit unten in seinem Seesack, das ihnen die Matrosen so großzügig überlassen hatten.

Lechdan hatte die letzten Tage aber nicht viel geschlafen. Nachts kamen die Träume und er sah darin wieder das Kind, das in seinem eigenen Blut lag, weinte und ihn anflehte Gnade walten zu lassen; oder ihm einen schnellen Tod zu geben. Am Ende sah er immer den Kopf auf einem Speer enden – und manchmal sah er seinen Kopf daneben. Einmal schreckte er so sehr aus seinem Schlaf heraus, daß er sogar den Magier fast bis zu Tode erschreckte. Diese Bilder hatte er noch viele Augenblicke danach deutlich vor Augen gehabt. Die letzten Monate hatte er den harten Karmothgardisten dargestellt, der keine Moral kannte. Doch jetzt, wo alles fast vorbei war, brach alles hervor, was er zuvor verdrängt hatte. Und so fand er die letzten Tage, obwohl die See sehr ruhig war, kaum Schlaf.

Dschafar schien in diesen Tagen dafür entspannter geworden zu sein. Auf ihm muß in den letzten Monaten eine enorme Last gelegen haben, die nun abgefallen war. Er entpuppte sich als ein wahrer Geschichtenerzähler, der die buntesten und prächtigsten Geschichten wiedergab, die es in seinem Volk gab. Nicht nur die Matrosen hörten gebannt seinen Erzählungen zu, auch Lechdan vergaß in diesen Momenten seine Ängste und auch seine Träume. Dennoch konnte er auch beim Magier in manchen Momenten traurige Augen erkennen, die auf das ferne Maraskan blickten, wo er seine Frau vermutete.

Lechdan griff ihn nur an der Schulter und gab ihn dadurch Trost. Trost, das auch Dschafar bereit war zu geben, das er selbst benötigte.

Doch es war nicht vorbei, noch nicht. In den letzten Stunden hatte Lechdan ein mulmiges Gefühl gehabt, so als ob irgendetwas nicht stimmte, und blickte immer wieder besorgt nach hinten. Und tatsächlich: in dem Moment, wo Perricum am Horizont ausgemacht werden konnte, sichtete ein Matrose ein Segel achteraus. Wie sich schnell heraus stellte, wurden sie verfolgt. Und es bestand kein Zweifel, wer ihre Verfolger waren.

Der Kapitän war ein hervorragender Seemann. Ihm ist es in den letzten Tagen gelungen unbemerkt die Küste bis nach Perriucm entlang zu segeln und ist jedem Verfolger ausgewischen. Doch jetzt hatten sie sie gefunden und der Kapitän holte alles aus seinem Schiff heraus. Obwohl sie leichten Gegenwind hatten, so war ihre kleinere Schaluppe wendiger als die größere Dromone hinter ihnen. Dennoch waren sie langsamer. Sie hatten keine Ruderer, die Dromone jedoch schon.

Während der letzten Etappe ging die Sonne langsam unter und es wurde dunkel. Besorgt blickte Lechdan immer wieder nach hinten und stellte fest, daß ihr Vorsprung immer kleiner wurde. Lange bangten sie, ob sie es noch schaffen würden und auch der Magier wurde wieder unruhig.

Doch vor ihnen kam das nächtliche Perricum immer näher und es zeichnete sich langsam der Kriegshafen vor dem dunklen Hintergrund ab. Einen Blick nach hinten zeigte Lechdan, daß sie es schaffen würden! Der Kapitän hatte es tatsächlich geschafft! Sie hatten ihren Vorsprung gehalten. Sie würden den sicheren Hafen erreichen, bevor sie von der Dromone eingeholt werden! Sie hatten es geschafft, sie waren den Schrecken aus den Schattenlanden entkommen. Unendliche Erleichterung machte breitete sich in Lechdan aus.

In diesem Moment wurde in der Stadt am Eingang zum Kriegshafen an das Tor gepocht und ein Wachsoldat aus seinem Dämmerschlaf geweckt. Eine unter einer Kapuze verborgene Gestalt sprach eine Parole und wurde herein gelassen. Anschließend bekam ein Weibel namens Dreyskop eine Anweisung von höchster Stelle und gab seiner Geschützmanschaft Befehle. Sie eröffneten das Feuer. Ihr Ziel war das vordere Schiff.