Geschichten:Machtgeflüster Teil 6

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Baronie Leihenbutt

Gemeinsam mit ihren fünf Begleitern war Simiona der Spur der marodierenden Söldner gefolgt. Einmal fanden sie einen erschlagenen Bauern im Feld liegen, was sie schweigend zur Kenntnis nahmen. Nach etwa einer Stunde hatten sie den zu Fuß reisenden Söldnertrupp eingeholt.

„Voila, da sind sie ja!“ bemerkte Simiona in einigem Abstand. „Spannt eure Armbrüste und reitet mir nach!“

Ihr erster Leibwächter Alwin ritt besorgt an ihre Seite: „Herrin, ich hoffe Ihr wisst, was Ihr da tut. Einen direkten Angriff werden wir nicht überleben. Das ist doch mindestens ein halbes Banner an Söldnern.“

Simiona lächelte ihn an. „Isch sagte doch, dass i`r mir vertrauen könnt. Es wird schon nischts schiefge`en, und falls doch, schießen wir uns einfach den Weg frei! Immer`in sind wir beritten und die da nischt.“

Als die Söldner in den schwarz-roten Wappenröcken die sich nähernde Reitergruppe bemerkten, reagierten sie sofort wie schon hunderte Male geübt. Waffen wurden gezogen, rasch hatten sie sich für einen angemessenen Empfang im Halbkreis positioniert. Ein recht großer Mann mit langem Kettenhemd, Sturmhaube und Zweihänder, offenbar der Anführer des Trupps, trat vor. Als die Ankömmlinge nahe genug waren, hob er zu sprechen an, den Kopf dabei mit einem fiesen Grinsen hin und her drehend: „Sieh an, sieh an, wir bekommen Besuch. Und sogar Leute, die sich Pferde leisten können. Anscheinend sogar hohe Herrschaften aus diesem Nest hier. Ich denke mal, euch geht es ähnlich wie mir, nämlich dass ihr auch die berittene Weiterreise bevorzugen würdet. Leider müssten wir die guten Tierchen erst von ihrem Ballast befreien. Dies sollte uns aber keine Schwierigkeiten machen, richtig?“ Dabei hob er den Zweihänder und ging siegessicher in Angriffsposition.

„Falsch!“ rief Simiona und im nächsten Moment bohrte sich ein Bolzen in den Hals des Anführers. Noch bevor jemand realisiert hatte, was geschehen war, hatte Simiona erneut durchgeladen und schoss ihm den zweiten Bolzen in die Stirn. Mit lautem Scheppern stürzte der Söldner nach hinten und blieb reglos liegen.

Die anderen schrieen zum Teil wütend auf, andere setzten sich bereits in Bewegung auf die Gruppe zu, da bemerkten sie die gezückten Armbrüste in den Händen der Reiter, die zuvor unter den Umhängen verborgen waren. Die zwei Vordersten wurden von Bartholomäus mit einem schnellen „Blitz dich find!“ belegt, und taumelten geblendet zurück.

„Könnt i`r Schwachköpfe mir mal verraten, was das `ier soll?“ brüllte Simiona die nun innehaltenden Söldner an. „I`r `abt wo`l keine A`nung mit wem i`r es `ier zu tun `abt, was?“

Die Söldner starrten sie teils überrascht, teils wütend an. Einer rief hasserfüllt: „Mit einer horasischen Schlampe, die wir uns erst der Reihe nach durchnehmen werden, bevor wir ihr und den anderen das Fleisch vom Leib schneiden!“

Simiona zielte vor Zorn sprühend mit der Balestra genau auf den Kopf des Mannes. Mit teils wütenden, teils ängstlichen Augen blickte er zurück. Sie giftete ihn an: „Isch bin die Comtessa Thargunia von Marvinko, die `öchste Agentin R`azzazors in dieser Grafschaft!“

Die Söldner wurden ruhig. „Ach ja? Von so einer haben wir noch nie was gehört!“ rief einer zurück.

„Natürlisch `abt i`r dass nischt, Du Idiot! Isch bin schließlisch inkognito `ier, dass `eißt unerkannt! Und indem i`r meine Dörfer verwüstet, seid i`r gerade dabei, meine wunderschöne Machtposition zunischte zu machen! Seid i`r denn komplett wa`nsinnig? Wenn isch das dem schwarzen Drachen melde, wird er darüber nischt gerade erfreut sein, meint i`r nischt?“

Ein Korporal der Söldner trat vor. „Große Worte, Frau Agentin! Doch reden kann jeder, wir wollen Beweise haben! Und wenn die nicht kommen machen wir aus Dir und deinen Begleitern Hackfleisch!“

„I`r wollt Beweise? Bitte sehr! Bart`olomäus, deine Aufgabe!“ Sie deutete auf die Leiche.

„Mit Vergnügen, Comtessa!“ antwortete er, stieg vom Pferd und schritt furchtlos zwischen die Söldner auf den erschossenen Anführer zu. Einige nahe bei stehende wichen einen Schritt zurück, als sie unter seine Kapuze direkt in seine Augen sahen. Bartholomäus kniete sich hin und begann seinen Zauber. Er berührte den Gefallenen an der Stirne, konzentrierte sich eine Weile und sprach mit hohl klingender Stimme: „Skelettarius Kryptaduft! Erhebe dich aus Grab und Gruft!“

Eine kurze Zeit verstrich, dann erhob sich der Leichnam des Söldneranführers und stand wankend dort, derweil die zwei Bolzen immer noch in Kopf und Hals steckten.

Auf einen Wink des Magiers hin wankte er auf seine ehemaligen Kameraden zu, doch bevor er sie erreichte, hatte einer der Söldner sein Schwert gezogen und ihm routiniert von der Seite den Kopf hinunter geschlagen worauf er erneut stürzte. Diesmal endgültig. Ungläubig betrachteten die anderen das Schauspiel, Simionas Leute eingeschlossen. Bartholomäus verzog dabei keine Miene.

„Glaubt i`r wirklisch, dass sisch jede garetische oder `orasische Adelige einen ausgebildeten Nekromanten leisten kann?“

Die Söldner blickten sie schweigend an. Der Korporal ergriff wieder das Wort: „Nein, wohl nicht! Aber wenn Ihr wirklich das seid, was Ihr vorgebt zu sein, dann kennt Ihr doch sicher auch die Schenke Natterngrube in Warunk, nicht wahr?“ Der Mann lächelte sie scheinbar freundlich an.

Simiona lächelte erst zurück, schob dann die Augenbrauen zusammen und zielte mit der Balestra auf seinen Kopf. „Nein, kenne isch nischt! Weil es nämlisch keine solsche dort gibt. Es gibt nur eine namens Otterngrube, und wenn du es noch mal wagen solltest misch derartig auf die Probe zu stellen, bist du die längste Zeit lebend auf Dere `erumgewandelt!“

Der Mann schwieg, sein Lächeln war erloschen. Offenbar hatte Simionas Vorstellung Eindruck gemacht.

„`ört msich an! Isch kann derzeit eure `ilfe gut brauchen. Des`alb biete isch eusch an, in meine Dienste zu treten als meine persönlische Schutzgarde. Falls I`r es aber vorzie`en solltet, weiter`in plündernd `erumzuzie`en bedenkt folgendes: Irgendwann werden die Raul’schen wieder stark genug sein, um zurückzuschlagen. O`ne einen mäschtigen Verbündeten werdet i`r alle unterge`en. Bedenkt auch: Isch `abe `ier in der Gegend Macht, Geld und Einfluss. Wenn i`r eusch meinem Kommando unterstellt, und wenn i`r gute Arbeit für misch leistet, verspresche isch euch genug Gold, Wein und Na`rung für ein gutes Leben in meiner Grafschaft. Und wenn eusch jemand für das Getane verantwortlisch machen sollte, gebe isch eusch als meine Wachen aus und spresche eusch so von jedem Verdacht frei. Was sagt i’r?“

Die Söldner traten zusammen und berieten. Scheinbar waren sie geteilter Meinung, denn Simiona konnte immer wieder Wortfetzen wie „Abschlachten“ oder „Niedermetzeln“ verstehen. Doch langsam machte sich bei ihr eine gewisse Zuversicht breit, nicht umsonst hatte sie Rhetorikseminare in Vinsalt besucht, was sich jetzt bezahlt zu machen schien.

Nach einiger Zeit trat dann der Korporal, nun wohl der höchstrangigste Soldat der Gruppe, wieder an Simiona heran und antwortete: „Einverstanden, wir unterstellen unser Banner geschlossen Eurem Kommando!“

Simiona lächelte diesmal ehrlich: „Bien! Wundervoll! Und wie begrüßt ihr eure neue Anführerin?“

Die anderen dreiundvierzig Söldner nahmen auf ein Zeichen des Korporals hin Aufstellung in drei Reihen hinter ihm ein. Sie schlugen sich gleichzeitig mit der linken Hand auf die rechte Schulter und der Korporal, wie sich später herausstellte war sein Name Wolfgram von Eslamsbrück, rief: „Wir grüßen Euch, Thargunia von Marvinko, Blut und Seelen für Rhazzazor!“

„Blut und Seelen für Rhazzazor!“ riefen da auch die anderen.

Simiona rief zurück: „Blut und Seelen für Rhazzazor! Und jetzt macht eusch abmarschbereit. Isch will zurück nach Lei’enbutt bevor es dunkel wird. Wenn wir angekommen sind, gebe isch eusch weitere Anweisungen und i`r bekommt Quartiere zugewiesen.“ Die Söldner nickten und machten sich bereit für den Marsch.

Gemeinsam wandten sie sich nun Richtung Leihenbutt, was sie in der Abenddämmerung dann auch erreichten. Simionas Leibwächter Alwin hatte ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Seine Herrin spielte ein Spiel mit sehr hohem Einsatz und sie bluffte. Hoffentlich fehlte es ihr diesmal nicht am nötigen Quentchen Glück, denn falls doch würde es sich diesmal als fatal erweisen.