Geschichten:Kumpanenhatz - Pfad der Erkenntnis

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Baronie Tannwirk, Anfang Hesinde 1038, nun südlich der sogenannten Drachenmagdschänke

Der nächtliche Wind hatte schwere Wolken und die Kälte aus dem fernen Finsterkamm herangetragen und in den frühen Morgenstunden war Schnee gefallen. Ein Horasier hätte poetisch sagen können, die Landschaft sehe aus wie gezuckert. Aber hier, wo die Leute im besten Fall Honig zum Versüßen von Speise und Alltag hatten, war es einfach Schnee. Als heute morgen die Reittiere von Tsadan und der Gefolgschaft der beiden Adligen aus dem Stall geholt wurden, spien die Pferde wie auch die Leute selbst beim Ausatmen Dampf in die eisige Luft. Und da war noch etwas anderes, schwer zu beschreibendes, das heute morgen in der Luft gelegen hatte.

Der Frost hatte die schlammige Straße mit Eis überzogen, dass unter den Hufen der Tiere barst. Immer wieder spritzte dunkler Schlamm bis an die Beinkleider der Reiter. Die wärmenden Handschmeichler vom Ofen hatten ihre Hitze noch nicht verloren, da bog Alrik Herdan auf einen kleinen Pfad ab, nicht viel mehr als Wagenspuren und herunter getrampelte Vegetation. Wenig später, Schneefall hatte wieder eingesetzt, erreichte man ein größeres Gutshof an das sich einige Bauernkaten wie abgemagerte Hunde schmiegten.

"Die Familie Kiefhuser, Waldbauern und Holzfäller. Zahlen ihre Abgaben regelmäßig, sind aber sonst recht ... verschlossen. Vielleicht wartet Ihr besser hier, ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann", sagte Alrik Herdan und trieb seine Stute an, bevor Nimmgalf widersprechen konnte. Der grummelte zwar ungehalten doch blieb tatsächlich zurück. Er stieg aus dem Sattel und bedeute den Gefährten, es ihm gleichzutun. Ein Schlauch Wein machte die Runde, doch Nimmgalf entspannte sich nicht. Er hatte ein, man konnte es nicht anders sagen, mulmiges Gefühl. Er wusste nicht, ob es an diesem Ort lag oder eine andere Bewandtnis hatte. Doch auch sein Pferd bewegte unruhig die Ohren und blähte die Nüstern. Beruhigend strich er dem Streitross über die Nüstern, doch auch in ihm wuchs eine Unruhe. Ach Unsinn, schalt er sich, so ein paar Bäume und Schnee. Ich habe schon so viel schlimmeres gesehen.

Schließlich kehrte Alrik Herdan zurück. Er wirkte zumindest einigermaßen zufrieden, auch wenn es durch den dicken Schal und die Kapuze nur schwer zu erkennen war: "Meine Herren, wir sind auf der richtigen Spur. Vor vier Tagen waren tatsächlich Bewaffnete hier, angeblich Männer der Gräfin, aber das bezweifle ich doch sehr. Haben Vorräte und Werkzeuge erworben: Spaten, Beile, Planen, Fackeln, Decken etc. Haben wohl gut bezahlt, wirkten aber nicht so, als würden sie ein Nein besonders gut auffassen. Die Verhandlung hat wohl eine Hauptfrau geführt, dazu noch drei Waffenknechte und ein Packtier. Außerdem war wohl noch eine Frau dabei, die hielt sich aber im Hintergrund. Der Hausherr hat sie, und ich zitiere hier, als hübsch mit so tollen Augen wie die da von der Drachenmagd, äh, nicht dass ich die je aus der Nähe gesehen hätte, beschrieben. Vermutlich eine Halbelfe. Die Truppe ist dann offenbar Richtung Norden aufgebrochen. Einer der Holzfäller meinte, da gäbe es wohl ein paar ihrer alten Pfade. Wenn sie nicht so einen genommen haben, müssen sie sich einen eigenen freigehackt haben. In beiden Fällen können wir sicherlich noch Spuren finden, wenn wir die Augen offenhalten."

Nimmgalf warf einen Blick in den fahlgrauen Himmel aus dem immer noch leichter Schneefall herabwehte. "Noch nicht einmal Mittagsstunde. Lasst uns weiterreiten."

Gesagt, getan. Bald ließen sie die Felder und Weiden hinter sich und ritten in den immer dichter werdenden Forst. Schließlich erreichten sie die Grenze des Tiefen Waldes. Ein dunkler Waldrand, der wie eine Festungsmauer aus Tannicht in der Ferne im Nebel und Schneetreiben verschwand. Sie ritten ihn entlang und es war Marek der schließlich die schmale Schneise entdeckte und auch die erst vor kurzem geknickten Zweige. Zweifelsohne war hier eine größere Gruppe in die Tiefen des Reichsforstes aufgebrochen. Sie stiegen aus den Sätteln und begaben sich, die Pferde am Zügel führend, in den Wald. Marek und Alecta, die Pferde zurücklassend, spähten den Weg in etwa zehn Minuten Vorsprung hin aus, dann folgte der Rest. Das Praiosauge hatte schon auf freiem Feld seine liebe Mühe gehabt, durch die Wolken zu brechen. Unter den dicht an dicht stehenden Tannen war es fast schon dämmrig. Immer wieder rieselte Schnee von den hohen, krüppligen Zweigen herab und jedes Mal schaute sich Franka schnell um. "Da war doch was, ich könnte schwören, dass da was war", murmelte Sie.

Die Zeit ließ sich noch schwer schätzen. Irgendwann kamen die Späher zurück und berrichteten von einer großen, kräftig gewachsenen Dornenhecke, der den weiteren Pfad versperre. Bis dahin habe man immer wieder Spuren gesehen: geknickte Zweige, abgeschabtes Moos, falsch gedrehte Steine. Nimmgalf knurrte: "Dahinter muss es folglich weitergehen. Dann hat wohl jemand diese verfluchte Hecke herbeigehext! Wohlan, dann werden wir uns unseren weiteren Weg wohl oder übel freischlagen müssen!"

Alrik Herdan nickte: "Ich fürchte auch. Aber ich frage mich auch: War das eine allgemeine Schutzvorrichtung, oder weiß man bereits von unserem Kommen und will unser Vorankommen verzögern?"

"Ein unschöner Gedanke! Aber der Plan bleibt der gleiche! Wir sollten uns aber möglicherweise beeilen! Da wird dann wohl jede Hand gebraucht", antworte Nimmgalf. Unter tatkräftiger Hilfe der beiden Adligen und mit stets zwei wachsamen Augenpaaren wurde das Gestrüpp soweit beiseite geschlagen, dass zumindest zu Fuß ein Durchkommen war. Nimmgalf blickte unglücklich: "Ich fürchte, wir müssen die Pferde zurücklassen, sonst hacken wir hier noch den ganzen Tag!" Die Pferde wurden angebunden und die wichtige Ausrüstung wie die Eisenschellen und Proviant verteilt. Franka blieb zurück bei den Tieren, die anderen rückten weiter vor.

Der Pfad war hier nun deutlich jüngeren Datums, an manchen Stellen war noch das dunkle Harz wie geronnenes Blut auf abgeschlagenen Ästen zu sehen. Wieder gingen Marek und Alecta voraus, jedoch nur in fünfminütigen Abstand. Der Wald hatte wenig von der urtümlichen Größe, die man dem Reichsforst manchmal nachsagt. Er war weniger eine gewaltige, von Licht durchströmte Kathedrale, sondern eher die düstere Gasse zwischen zwei gefährlichen Mietskasernen: Groß, ja; aber auch bitter auf eine schwer wahrnehmbare Art. Sowohl Nimmgalf aus auch Alrik Herdan ertappten sich immer wieder dabei, wie sie sorgsam über die Schulter spähten.

Marek und Alecta kehrten zurück und berichteten: "Weiter vorne sind zwei Abzweigungen, beide enden jedoch nach wenigen hundert Schritt. Scheint, als habe jemand etwas gesucht, aber ohne Erfolg. Ein Pfad führt aber weiter." Während Marek dies sagte strich er sich mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger über das rechte Augenlid und kratzte sich dann am Ohrläppchen. Alrik Herdan nickte kaum merklich. Zu Nimmgalf gewandt sagte er: "Zwei Sackgassen und ein rechter Weg. Erinnert mich an die Zeit, als Ihr ein paar Stein zugelegt habt. Wisst Ihr noch, als Ihr geschätzter Gast wart." Nimmgalf richtete sich auf, eine Zornensfalte grub sich in seine Stirn. Er wollte gerade den impertinenten Vogt zurecht weisen, da erkannte er den Zusammenhang. Natürlich, auf Gallstein, als er 'Gast' war, war er in feindlichem Gebiet und wurde mit Sicherheit belauscht! "Jaja, ich verstehe schon. Aber so lange ich am Ende in die Turnierrüstung passe, soll sich mal keiner Beschweren."

Vorsichtig auf jedes Wort und einen Hinterhalt achtend rückten sie weiter vor. Als sie schließlich die Mauerreste erreichten blieben sie alle verdutzt stehen. Diese eindeutig von Menschen errichtete Mauer war in diesem urtümlichen Urwald so unpassend wie ein Horasier bei einem trollzacker Stammestreffen. Sie war wohl erst kürzlich dem Erdboden entrissen wurden. Erd- und Mooshaufen zu beiden Seiten zeugten davon. "Eine Siedlung? Hier? Die muss ja hunderte Jahre alt sein", wunderte sich Alrik Herdan.

"Vermutlich sind wir schon sehr nah", mutmaßte Nimmgalf und legte die Hand an den Schwertknauf. Sein Blick wanderte zwischen den dunklen Baumstämmen hin und her. Wieder rieselte Schnee von oben herab und fiel ihm in den Kragen. Ach verflucht!