Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Gespräch mit dem Marschall

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Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Gespräch mit dem Marschall
26. Praios 1041 BF, Kressenburg

Nach ihrem Auftaktsieg in der ersten Runde wollte die garetische Junkerin Tsaiane von Talbach noch ein bisschen frische Luft schnappen, und sich in der ihr noch unbekannten Stadt Kressenburg umschauen. Ihren beiden Waffenknechten Alduin und Ulfric hatte sie den heutigen Abend freigegeben. Einen eigenen Knappen oder Knappin hatte sie nicht. Als Absolventin der Garether Kriegerakademie stand es ihr nicht zu Knappen auszubilden. Aber die beiden jungen Männer aus Hirschfurten machten ihre Aufgaben bislang recht gut.

Tsaiane ritt also vom Turnierplatz in Richtung des südlichen Stadttores. Es war noch nicht allzu spät, und die Dämmerung hatte noch nicht eingesetzt, auch wenn der Tag sich schon langsam dem Abend zuneigte. Als Tsaiane an der großen Baustelle für den neuen Praiostempel vor der Stadtmauer vorbeikam, musste sie stutzen. Ein solch großer Tempel war ihrer Ansicht nach für eine kleine Baronie wie Kressenburg enorm überdimensioniert. Selbst wenn die Praioskirche Greifenfurts sich erheblich am Bau beteiligte, musste ein solcher Bau immense Summen verschlingen, die eine Greifenfurter Baronie mit schätzungsweise an die 2000 Einwohnern beim besten Willen nicht aus eigener Kraft stemmen könnte. Baron Ardo musste demnach über große Reserven verfügen - woher auch immer - oder weitere Geldgeber in der Hinterhand haben, wenn er sich damit nicht über viele Jahrzehnte hinaus verschulden wollte. Jedenfalls schien der Bau schon Fortschritte zu machen, auch wenn an eine baldige Fertigstellung noch lange nicht zu denken war. Tsaiane nahm sich allerdings fest vor, dem Tempel in ein paar Jahren nach der Fertigstellung mal einen Besuch abzustatten.

Nachdem sie das Stadttor passiert hatte lenkte sie ihre weiße Stute dann in die Zwergengasse, wo sie in der Schenke „Zur weinerlichen Wildsau“ einkehrte. Sie hatte schon von der vorzüglichen Biersuppe gehört, die hier ausgeschenkt wurde, und konnte es gar nicht erwarten davon zu kosten.

Dort drinnen hatten sich schon viele Gäste versammelt, es war brechend voll. Viele der hier ansässigen Hügelzwerge hatten den Hauptraum voll belegt, so dass die menschlichen Gäste im Anbau unterkommen mussten. Aber auch dieser war schon hoffnungslos überfüllt. Tsaiane befürchtete schon, dass sie keinen Platz mehr bekommen würde, als sie ein ihr durchaus wohlbekanntes Gesicht erspähte. Inmitten einiger Getreuer – sie erkannte einige der Greifenfurter Hauptleute - saß dort Urion von Reiffenberg, der Marschall des Groß-Garetischen Heerbannes, unter dem sie beim Feldzug gegen Mendena gekämpft hatte, und dies sogar als Kommandantin des Reichsforster Regimentes, nachdem Baron Nimmgalf von Hirschfurten ihr seinen Posten als Heermeister abtreten musste, um den gefallenen Grafen Danos zurück nach Hause zu bringen.

Der Marschall hatte offenbar gute Laune, die Stimmung schien recht locker zu sein und das Zwergenbier floss reichlich. Kurz entschlossen drängte sie sich in die Nähe der Offiziere.

„Verzeiht, die Herren, ist es gestattet?“ lächelte sie fragend in die Runde. Etwas irritiert blickten die Offiziere sie an.

„Oh, welch freudige Überraschung!“ entgegnete Marschall von Reiffenberg mit einem Lächeln. „Meine Herren, wenn ich Euch kurz bekannt machen darf, dies ist Tsaiane von Talbach, Junkerin zu Talbach und stellvertretende Kommandantin des Reichsforster Heerbannes!“ Anschließend stellte er noch kurz die drei Offiziere vor. „Rutscht doch mal etwas zusammen, damit ihre Wohlgeboren sich zu uns setzen kann.“ Tsaiane nahm neben Urion Platz und ein Bursche stellte ihr sogleich unaufgefordert einen Schale mit Biersuppe und dazu ein Maß Zwergenbräu hin, was Tsaiane etwas verwundert aber dankbar annahm.

„Also, Tsaiane, wer hätte gedacht, dass wir uns hier in Greifenfurt wieder begegnen, und dazu auch noch gleich als Gegner in der Tjoste?“ „Nun, ich hatte auch zu Beginn auf einen leichteren Gegner gehofft, Euer Exzell...“ „Nicht doch, nennt mich einfach Urion, wir sind doch nicht im Krieg!“ „Nun gut, Urion“, lächelte sie und nahm einen guten Schluck Bier.

„Nun, ich habe Baron Nimmgalf gar nicht auf der Teilnehmerliste gesehen. Stand ihm nicht der Sinn nach Tjosten?“ fragte Urion.

„Doch, natürlich. Das ist schließlich seine große Leidenschaft. Allerdings fand erst vor wenigen Tagen das Luringer Grafenturnier statt, an welchem er immer teilnimmt – und üblicherweise auch gewinnt – da war einfach keine Zeit auch noch hierher zu kommen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Zumindest erhöht das meine Chancen hier siegreich zu sein deutlich.“ Sie zwinkerte Urion schelmisch zu.

Der Marschall grinste seinerseits: „Dafür müsst Ihr aber zuerst mal mich bezwingen, meine Liebe. Aber ich bin durchaus bewusst, mit Euch eine sehr ernstzunehmende Gegnerin bekommen zu haben. Ich habe den formidablen Lanzenangriff Eurer schweren Reiterei gegen die feindlichen Artilleriestellungen an der Tesralschlaufe noch gut vor Augen. Hervorragende Leistung. Ohne Euch wären unsere Verluste beträchtlich gewesen. Dann euer hervorragendes Abschneiden beim Garether Kaiserturnier, und auch vorhin habt ihr schon gezeigt, dass Ihr eine formidable Tjosterin seid. Der arme Knappe dürfte ein paar blaue Flecken davongetragen haben. Aber ich kann euch versichern, ich habe auch schon ein paar Lanzen gebrochen!“ Er nahm einen guten Schluck Bier.

„Das will ich Euch gerne glauben, Urion!“ Tsaiane rief den Schankburschen herbei, der sogleich neue Bierhumpen brachte. „Ich finde darauf sollten wir trinken. Auf den Sieg bei Mendena! Und auf ein schönes Turnier.“

„Auf dass der Bessere gewinnen möge! Zum Wohle!“ Damit prosteten sich Tsaiane und Urion zu. Auch die anderen schlossen sich lachend an.

Ein paar Stunden später torkelte Tsaiane sturzbetrunken zurück zu ihrem Turnierzelt. Ihr Pferd hatte sie am Zügel geführt, da sie sich nicht mehr in der Lage fühlte zu reiten, das Zwergenbier hatte es wirklich in sich. Im Nebenzelt schnarchten ihre Waffenknechte schon. Als sie endlich die Stiefel ausgezogen hatte und sich unter ihre Decke legte, fiel ihr noch eine Kleinigkeit ein. Sie stand noch einmal auf und begab sich zu ihrer Truhe, wo sie nach kurzem Suchen etwas hervorholte. Sie nestelte an dem kleinen Beutelchen herum, und brauchte eine Weile, bis sie im Dunkeln eine kleine Phiole hervorgezogen hatte. Sie entkorkte sie und trank den Inhalt. Augenblicklich wurde ihre Sicht wieder klar, ihre Gedanken hörten auf zu kreisen und die Benommenheit wich.

„So ein kleines Antidot wirkt manchmal Wunder! Vor allem wenn man am nächsten Tag einen kühlen Kopf bewahren muss“, dachte sich Tsaiane lächelnd, und schlief schon bald darauf ein.