Geschichten:Intrigenspielchen Teil 5

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Grambusch

Flimmernde Hitze lag über dem Tjostenplatz. Schweiß rann ihm in Strömen am gesamten Körper herab. Die Ritterrüstung seines Großvaters war schwer, doch Nimmgalf war es längst gewohnt sie zu tragen. Sein schwarzer Hengst Finstermähne tänzelte nervös hin und her. Auch er schien die große Anspannung zu spüren. Nimmgalfs Blick war einzig und allein auf einen Punkt ausgerichtet: seinen Gegner. Ritter Eolan von Waldshut war ein alter Kämpe, der die fünfzig Sommer schon längst überschritten hatte. Dennoch war er ein gefürchteter Tjostenreiter. Seine über die Jahre gesammelten Erfolge sprachen für ihn.

„Dort lauert er ... Ein zäher Hund ... An ihm könnte ich mir die Zähne ausbeißen ... Ob ich ihn schlagen kann? ... Genaugenommen hatte ich im Halbfinale auch schon zu viel Glück ... Noch einmal darauf zu vertrauen, hieße Phex heraus zu fordern. Sollte ich vielleicht doch aufgeben? Andererseits bin ich hier um zu siegen. Ich würde mich vor Simiona unmöglich machen.“

Solche und andere Gedanken rasten ihm durch den Kopf. Sein Blick wanderte über die Zuschauertribünen und blieb an einem bestimmten Punkt haften. Da war sie. Zauberhaft schön in ihrem neuen hellblauen Sommerkleid, das er ihr eigens bei einer Garether Spitzenschneiderei hatte anfertigen lassen. Sie hatte sich zwar ein paar bissige Kommentare über den „barbarisch-garetischen“ Modestil nicht verkneifen können, aber Nimmgalf wusste genau, dass es ihr gefiel, und sie ihn nur hatte ärgern wollen. Auch viele andere Eigenheiten des garetischen Lebensstils hatte sie in den letzten Wochen kennen und schätzen gelernt. Nur selten lies sie durchblicken, dass sie den ein oder anderen Luxus vermisste, der für sie in Vinsalt selbstverständlich war. Kurz: sie hatte sich in Leihenbutt gut eingelebt. Gestern waren sie in Gareth angekommen, und seit dem hatte Simiona das Turnierfieber gepackt. Er hätte nie gedacht, mit welchem Feuer, mit welcher Leidenschaft sie den Turnierverlauf verfolgt hatte. Sie beobachtete seine Gegner ganz genau und berichtete ihm in den Pausen von deren Stärken und Schwächen, wie sie glaubte, sie erkannt zu haben. Nimmgalf musste lächeln. Es war einfach reizend, wie viel Mühe sie sich gab, obschon er die Schwächen seiner Gegner deutlich besser kannte, doch lies er sie in dem Glauben, ihm einen großen Gefallen erwiesen zu haben. Dann besann er sich wieder auf seinen Gegner.

Finstermähne schnaubte wild. Nimmgalf klopfte ihm auf die Schulter. „Nun gut, alter Junge. Wollen wir doch mal sehen, wer die besseren Nerven hat.“ Er klappte sein Helmvisier herunter und ein Knappe reichte ihm eine Lanze. „Hüah! Vorwärts mein Bester!“ Unter dem Jubel der Zuschauer galoppierte er los. Fast gleichzeitig setzte sich auch sein Gegner in Bewegung. Wieder einmal schoss ihm das Blut durch die Adern. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Jeden Muskel seines Körpers stimmte er auf das immer schneller und schneller werdende „Badadomm, Badadomm“ von Finstermähnes Hufschlag ab. Durch die Ritzen seines Visiers sah er den Gegner auf ihn zupreschen.

„Jetzt konzentrier dich, Nimmgalf!“ dachte er. „Die Lanze fester packen, den Schild ein wenig höher, gleich, gleich ist es soweit! Nur noch zehn Schritt! Er zielt zu tief, ich glaube ich kann ihn blocken. Noch fünf! Die Lanze noch ein Stückchen weiter nach li...“ Mit einem gewaltigen Krachen trafen die beiden Ritter aufeinander. Nimmgalf erwischte seinen Gegner an der Schulter während dieser nur leicht über seinen Schild kratze. Der Aufprall stieß Ritter Eolan aus dem Sattel. Er fiel zu Boden und blieb liegen. Der Jubel der Zuschauer hallte lautstark über den Turnierplatz. Blumen wurden von der Tribüne herabgeworfen. Selbst die Leute, die einen Sitzplatz hatten, standen jetzt und umarmten ihren Nebenmann vor Freude.

Nimmgalf brachte Finstermähne zum stehen, übergab die geborstene Lanze einem Knecht und reichte seinem Diener den Schild. Als er den Helm abnahm und der Menge zuwinkte, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Das Publikum liebte Sieger. Ein scharfer Blick zur Osttribüne und er hatte Simiona ins Auge gefasst. Auch sie stand nun und warf ihm einen äußerst sinnlichen Handkuss zu. Er lachte und tat so, als finge er ihn ein. Dann winkte er zurück.

Als er von seinem Pferd herabstieg, kamen schon ein paar gute Bekannte herbeigeeilt. Es waren seine Freunde von den Pfortenrittern. „Glückwunsch, mein Junge!“ rief Graf Danos von Luring ihm zu. „Dem alten von Waldshut hast du’s gezeigt. Und das war sicher kein Kinderspiel, ich spreche da aus leidvoller Erfahrung.“ Seine Freunde umringten ihn und klopften ihm auf die Schultern.

„Hervorragend ...“, „dieser Mut ...“, „völlig unerschrocken ...“ und Ähnliches konnte Nimmgalf dem Stimmengewirr entnehmen. Doch die Worte des Grafen hatten ihn nachdenklich gemacht. In der Tat war es kein Kinderspiel, und doch um vieles leichter gewesen, als er erwartet hätte. Zu tief zu zielen ist ein Fehler, den ein erfahrener Recke nicht mehr begeht.

„Wo ist Ritter Eolan? Will er mir nicht gratulieren? Er ist doch als Ehrenmann bekannt.“

Jetzt sah Nimmgalf, dass der Ritter immer noch auf dem Boden lag. Ein Medicus und ein paar Diener waren zu ihm geeilt. Sie hatten ihm den Helm abgenommen und untersuchten ihn. Das Lachen verschwand aus Nimmgalfs Gesicht. Er löste sich von seinen Freunden und lief so schnell es die schwere Rüstung gestattete auf den Ritter zu.

„Was ... was hat er? Habe ich ihn etwa ernsthaft verletzt? So hart kam mir der Aufprall gar nicht vor. So redet doch, Mann! Was ist los?“

„Er ist tot!“ erwiderte der Medicus. „Vermutlich ein Hitzschlag!“

Die Nachricht traf Nimmgalf wie ein Streitkolben. „T...tot? Aber wie... wieso? Ich meine, wie konnte das passieren?“

„Er hätte eben in seinem Alter und an einem so heißen Tag nicht antreten dürfen. Das hat ihn umgebracht. Euch trifft keine Schuld, Euer Hochgeboren.“ Der Jubel auf den Tribünen war verstummt. Inzwischen hatten ihn die Freunde wieder eingeholt.

„Kopf hoch, Nimmgalf. So was passiert nun mal“, versuchte ihn Vogt Hilbert von Hartsteen zu beruhigen, doch Nimmgalf wusste nicht, was er noch sagen sollte. Er schaute noch mal zur Osttribüne hoch, doch seine Verlobte war bereits nicht mehr dort.



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4. Ing 1025 BF zur mittäglichen Rondrastunde
Das Sommerturnier bei Grambusch
Unterwegs


Kapitel 5

Der Preis des Siegers
Autor: IBa