Geschichten:Helmwik

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Er hatte alles vorbereitet. Man hatte ihm den Mann empfohlen und für dessen Sicherheit und Verschwiegenheit gebürgt. Nun wollte sich dieser mit ihm treffen und den großen Auftrag entgegen nehmen. Er schwitzte und hoffte, alles richtig gemacht zu haben. Er hatte ein kleines Separee in einem Gasthaus in Gareth aufgesucht, sich selbst im Schatten positioniert, gute aber nichtssagende Kleidung angelegt und über die ihm vermittelten Wege eine Nachricht gesandt, welche diesen Mann hierhin zum Treffen beordern sollte.

Verblüfft stellte er fest, dass er schwitzte. Sorgsam wischte er sich die Stirn mit seinem Taschentuch, fasste noch einmal den niedrigen Tisch mit der Karaffe und den zwei Bleikristallgläsern ins Auge, dann starrte er auf den Vorhang aus dunkelblauem, schweren Samt, durch den der Mörder kommen würde.

Als der Vorhang sich öffnete, war er etwas enttäuscht von dem Mann, der ins Separee trat und in einer fließenden Bewegung den Vorhang hinter sich wieder schloss. Ein Mann in mittleren Jahren, unscheinbar, gekleidet wie ein einfacher Kontorschreiber – so gewöhnlich, dass niemand sich nach ihm umdrehen würde. Einzig das Funkeln in den Augen verriet, dass ein wacher Geist sich in dieser Person verbarg.

„Ihr habt mich gerufen und ich bin gekommen ...“, spottete der Mann und setzte sich auf den Stuhl gegenüber.

„Äh, ja“, sagte der andere und wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. „Möchtet Ihr etwas trinken?“ Auf ein kurzes Nicken hin füllte er die beiden Gläser aus der Karaffe. In dem schummrigen Licht sah es beinahe so aus, als sei es Blut und kein Rotwein – ein Omen? Auf einmal hatte er keinen Durst mehr. Seine Kehle wurde trocken. Auch der Mann gegenüber trank nicht. Offenbar wusste er nicht, wie er anfangen sollte.

„Also Ihr habt einen Auftrag für mich?“, erleichterte ihm sein Gegenüber das Gespräch.

„Ja.“ Er straffte sich und sah nachdenklich in das Gesicht seines Gegenübers. „Ihr sollt eine Mörderin zur Strecke bringen. Aber erst, wenn sie das ihr gesetzte Ziel, eben jenen Mord, ausgeführt hat. Und ihr sollt dafür sorgen, dass das Druckmit… das, was ich gegen die… Mörderin in der Hand habe, nicht in meine Richtung weist.“ Er räusperte sich und bemühte sich, in der Miene seines Gegenübers zu lesen. Dieser Mann hatte also schon mehr Menschen auf dem Gewissen, als er selbst. Er fand dies beunruhigend. Aber wenn er wirklich so gut war, wie man von ihm sagte, dann konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.

Wie ein Boltanspieler verzog sein Gegenüber keine Miene und schwieg ein paar Augenblicke. Dafür gingen dem Mann, den er anheuern wollte, zahlreiche Gedanken durch den Kopf. ‚So, so, du feiger Hund. Du erpresst eine Frau, damit sie dir einen Mord abnimmt. Und damit sie nicht reden kann, soll ich sie zum Schweigen bringen. Und was hast du für mich geplant? Und was ist das für ein Druckmittel? Du hast es in der Hand? Dann kannst du es doch verbergen und niemand wird es zu Gesicht bekommen. Wie soll es dann in deine Richtung weisen? Na, dir werde ich auf den Zahn fühlen!’

Schließlich sagte der Auftragsmörder doch noch etwas. Er beugte sich vor. „Eine Mörderin zu töten, ist kein Verbrechen – unter gewissen Umständen. Erzählt mir von ihr und ihrem Mord. Und von diesem Druckmittel; wir wollen doch vermeiden, dass etwas in Eure Richtung weist. Habt Ihr bestimmte Wünsche für die Umstände ihres Ablebens? Wägt Eure Worte sorgfältig ab; sie bestimmen meinen Preis.“

Ohne seinen Blick von ihm abzuwenden, nahm der Fremde ein kleines Fläschchen aus einer Tasche seiner Weste, öffnete es, ließ einen Tropfen in das vor ihm stehende Glas fallen und steckte es wieder weg. Dann nahm er das Glas in die Hand, warf einen kurzen Blick auf die dunkelrote Flüssigkeit und nahm einen Schluck. Er setzte das Glas ab und wandte sich seinem Auftraggeber wieder zu.

Dieser hatte unter den Worten seines Gegenübers kaum merklich gebebt und ein leichtes Zucken der rechten Augenbraue verriet seine Nervosität.

„Die Frau soll für …“ Kurz überlegte er, wägte ab, ob es gut sei, alles auf die eigenen Schultern zu nehmen. Dann straffte er sich. Besser, wenn er vermittelte, dass der vorliegende Plan Teil einer größeren Idee war. „Die Frau soll für eine Interessengruppe einen Mord ausführen und wird dazu gepresst, indem wir ihre Angehörigen in unser Gewahrsam genommen haben. Es ist uns wichtig, dass sie den Mord auch tatsächlich eigenhändig ausführt, um von unseren eigenen Interessen abzulenken. Ermordet werden soll der Pfalzgraf von Gerbaldsberg und zwar im Rahmen der Verlobungsfeier Siegeshart von Ehrensteins ä.H.. Euer Auftrag ist es letztlich, dafür zu sorgen, dass die Mörderin nach vollbrachter Tat stirbt. Wenn dies ein ‚natürlicher Tod’ wäre, dann wäre dies natürlich von Vorteil.“

„Dann würde sich ein ‚Selbstmord‘ wohl anbieten... – Ihr spracht aber auch davon, dass ich dafür sorgen soll, dass Euer ‚Druckmittel‘ nicht in Eure Richtung weist. Soll ich die Angehörigen der Mörderin ebenfalls eliminieren? Um wie viele Personen handelt es sich denn? Möglicherweise käme dann auch eine Lebensmittelvergiftung in Frage, eine leckere Pilzsuppe zum Beispiel...“

„Nein, nein“, Parinor von Borstenfeld schüttelte beruhigend den Kopf. „Ich habe eine Gruppe von Söldlingen angeheuert, die Angehörigen der Frau zu überfallen, gefangen zu nehmen und sie selbst unter Druck zu setzen. Auch habe ich einen Vertrauten bei der Verlobungsfeier, der sich um diese Angelegenheit kümmern soll. Diese Person wird letztlich den Söldlingen das Signal geben, die Familie der Frau zu Boron zu schicken. Damit habt Ihr nichts zu tun. Ihr sollt lediglich meine Rückversicherung sein, dass die Frau einerseits keinen Fehler macht und andererseits nicht schwätzt. In dieser Hinsicht habe ich ehrlich gesagt nicht allzu viel Vertrauen in meine Dienerin. Sie kann gut Anweisungen geben, aber das eigenständige Handeln … überlasse ich liebend gerne den Profis.“

Parinor lehnte sich zurück. Bertrada war Wachs in seiner Hand. Aber für einen effektiven Mord besaß sie einfach nicht den Schneid. Er hatte der Frau gesagt, sie solle mit einer Blendlampe Kontakt zu den Söldlingen halten und diesen signalisieren, wenn der angestrebte Mord geschehen war. Was auf dieses Signal hin geschehen sollte, wusste Betrada nicht. Und hierauf war er wirklich stolz. Gerding von Plötzbogen würde so aus allem herausgehalten und Parinor hatte ihm eingeschärft, bloß allen zu zeigen, dass er ein viel besserer Spendenvogt sei als der gute Kieselburger. Wenn alles nach Plan verlief, würde von Plötzbogen noch vor dem nächsten Mond zum neuen Spendenvogt gekürt. Und damit stand er in Parinors Schuld. Zumal ihm niemand würde glauben wollen, dass er, Plötzbogen, nichts von den üblen Machenschaften gewusst habe, die ihm das Amt des Spendenvogtes eingebracht hatten. Plötzbogen gehörte ihm eh, so viel stand fest. Und wenn er ihm im Nachhinein eröffnen würde, dass der werte Herr sozusagen drei Menschenleben auf dem Gewissen hatte, zudem noch zwei der drei Kinder waren, der Mann würde für immer unter der Bürde dieser Schuld stehen …“

Der Profi nahm einen drohenden Gesichtsausdruck an. „Das freut mich zu hören. Ich wünschte mir nur, Ihr würdet Euch auch wie ein Profi benehmen. Ihr mögt vielleicht genaue Vorstellungen von dem haben, was ich tun soll, aber Ihr seid anscheinend nicht in der Lage, es klar in Worte zu fassen.

Ich soll also diese Mörderin zur Strecke bringen, aber auch dafür sorgen, dass sie vor und nach der Tat keine Dummheiten macht. Nicht mehr und nicht weniger?

Dann sagt mir, auf welche Weise sie den Mord ausüben soll. Soll das in aller Öffentlichkeit geschehen und ihre Identität sofort klar sein? Oder wird sie als Täterin nicht direkt in Frage kommen? Oder überlasst Ihr diese Planung dieser Frau?“

Der Schweiß trat auf die Stirn Parinors. Der vor ihm Sitzende hatte den Finger sofort auf alle strittigen Punkte gelegt. Parinor musste aufpassen, dass ihm diese Sache nicht zum Galgenstrick wurde.

„Die Planung der Tat wird letztlich der Frau selber obliegen, wobei die Tat im Rahmen der offiziellen Verlobung des Burggrafen stattfinden soll, wahrscheinlich im Rahmen des Buffets, wenn, wie meine Informanten berichtet haben, die Lichter kurzfristig gelöscht werden, um die Festtorte in den Saal zu bringen. Eine entsprechende Mordwaffe soll von anderer Hand in den Festsaal gebracht werden und dort bereit liegen. Wenn die Frau auch nur annähernd Grips hat, wird sie dabei auf die Preisgabe ihrer Identität verzichten, denn ihr wird daran liegen, nach erfolgreicher Ausführung der Tat wieder nach Hause zurückzukehren. Zum Mordopfer selbst hat sie keinerlei Verbindungen, wodurch sie nicht in den möglichen Kreis der Täter fallen sollte.“ Parinor zog ein blütenweißes Taschentuch aus seinem Hemdsärmel und fuhr sich trocknend über die Stirn. Wie lange hatte er sich in den schönsten Farben ausgemalt, in einer solchen Situation zu sein und eine ganze Brigade Mörder mit samtweicher Stimme zu befehligen und wie erbärmlich gestaltete sich die Wirklichkeit…

Letztlich aber hatte er augenscheinlich alles Wichtige gesagt. Kurz fasste sein Gegenüber den Auftrag noch einmal zusammen, dann nannte er seinen Preis – eine Summe, die Parinor denn doch die Tränen in die Augen trieb.

Ein kurzes Aufbäumen ob der ‚doch übertriebenen Forderung’, das der Mörder nonchalant mit der Bemerkung beiseite fegte, nicht er wolle etwas von Parinor, dann wechselten 50 Dukaten als Vorschuss den Besitzer und der Mörder verschwand so unauffällig, wie er erschienen war.

Parinor indes riss den Vorhang auf wie ein Erstickender und bestellte vier Gläser des stärksten Schnapses, den der Wirt auftreiben konnte, um anschließend trunken und zugleich auf das heftigste ernüchtert nach Hause zu schwanken.