Geschichten:Heerzug wider die Finsternis - Teil 26

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Dramatis Personae - Die zwölf Streiter:


Burg Leihenbutt, 13. Rondra 1032 BF, nachts


Die Nacht war klar, der Mond schien in vollem Licht, was ihnen zum Vorteil gereichte, da sie so auf andere Lichtquellen größtenteils verzichten konnten. Sie waren nur ein halbes Stundenglas nach der Stabsbesprechung aufgebrochen. Das Ziel war abermals Burg Leihenbutt. Nimmgalf hatte die verbliebenen kampffähigen Streiter auf Schleichwegen wieder in die Nähe der Burg gebracht. Vereinzelt waren sie wieder auf Ratten getroffen, doch diesen konnte zumeist rasch der Garaus gemacht werden. Als sie den Burgberg beinahe erklommen hatten, wies sie der Baron auf eine Stelle zwischen ein paar Büschen im Hang hin, wo sie sich verbergen konnten. Etwa vier Dutzend Streiter, die sich noch in der Lage fühlten in den Kampf um Burg Leihenbutt einzugreifen waren bereit, hier auf das Öffnen des Burgtores zu warten.

Anschließend führte Nimmgalf die 12-köpfige Schar ausgewählter Streiter weiter gen Nordosten, dorthin wo er den Tunnelausgang in Erinnerung hatte. Es war alles andere als leicht, das Loch im Erdreich, welches sich unter einer großen Baumwurzel verbarg und im Laufe der Zeit fast vollständig zugewuchert war, bei Nacht zu finden, aber schließlich war es ihnen doch gelungen. Vorsichtig entzündeten sie Fackeln und Laternen, von denen jeder Dritte von ihnen eine an sich nahm, um im Tunnel für ausreichend Licht zu sorgen. Sie hatten sich auf Anraten Anselms aller klappernden Rüstungsteile entledigt und waren nur durch Gambesons oder leichte Lederrüstungen geschützt. Für standesgemäße Wehren und ähnliche Eitelkeiten war in dieser Situation kein Platz. Um den Tunnel betreten zu können, mussten sie zunächst etwas vom lockeren Erdreich entfernen. Als dies vollbracht war erkannten sie, dass sie sich im Tunnel nur gebückt oder gar auf allen Vieren kriechend vorwärts bewegen könnten.

“Also los, jetzt gilt es!” Nimmgalf ging voran. Ein wenig bereute er es, dass sie keinen Vertreter vom kleinen Volke in ihren Reihen hatten. Deren Kenntnisse über die Stabilität von Tunnelwänden wären nun sicher von Vorteil gewesen. So mussten sie also auf Phex vertrauen und krochen weiter voran in die Dunkelheit. Auch hier stießen sie auf vereinzelte Ratten. Die garstigen Biester schienen die Präsenz nameloser Kräfte in der Burg förmlich zu spüren und fühlten sich regelrecht davon angezogen. Dies war kein gutes Zeichen. Aufgrund der beengten Verhältnisse war es auch kaum möglich, die Tiere wirksam zu bekämpfen. Nimmgalf konnte so manch unterdrückten Schmerzensschrei hinter ihm vernehmen. Einmal wurde er gar selbst von einer Ratte gebissen. Immer mal wieder war aber auch ein langgezogenes Quieken zu hören, wenn es einem der Gefährten gelang eines der Biester zu erdolchen.

Nach einer Weile kamen sie an ein Tunnelstück, welches vor ihnen zum Teil eingestürzt war. Nur ein schmaler Spalt schien noch frei zu sein, doch dieser war zu eng, um einen ausgewachsenen Menschen durchzulassen. Nach kurzer Beratung wurde Balrik von Keres nach vorne gelassen. Der Reichsedle war beweglich genug (manch einer vermutete ein halbelfisches Erbe in ihm), um sich so dazwischen zu zwängen, dass er mit einem Schild die Decke abstützen konnte. Dann fing er an, den Spalt mit Hilfe eines Beilblattes behutsam zu vergrößern, bis dass er sich schließlich hindurchzwängen konnte. Anschließend gruben sie von beiden Seiten so lange, bis das Loch groß genug war, dass alle hindurch passten. Erneut schien es weise gewesen zu sein, auf die sperrigen Rüstungen zu verzichten. Mit aller gebotenen Vorsicht überwanden sie die Engstelle und krochen weiter voran.

Nach einer weiteren Stunde in der Enge und der Dunkelheit kamen sie schließlich an ein schweres Eisengitter. “Ich werde versuchen es herauszutreten”, sprach Nimmgalf leise an die ihm Folgenden gewandt. “Nein, wartet!” Der Einwand des Magiers Feuerblitz ließ ihn innehalten. “Das würde zu viel Lärm erzeugen. Ich habe eine bessere Idee, lasst mich nur mal nach vorne.” Nimmgalf drückte sich so weit es ging an die Seite, und der Magus krabbelte wenig standesgemäß an ihm vorbei.

“Eisenrost und Patina!” sprach dieser dann und berührte mit einer feierlichen Geste das Gitter. Man konnte regelrecht zusehen, wie sich das Metall schlagartig von Rost überzog, der abblätterte, und neues Eisen freilegte, was sich wieder überzog. Nach wenigen Minuten waren die Stäbe so dünn geworden, dass Nimmgalf nur einmal kräftig ziehen musste, um das Gitter aus seiner Halterung zu brechen. Der Weg war frei.

Schließlich erreichten sie eine zugemauerte Wand. “Wir sind da. Hier hinter liegen die Gewölbe der Burg”, stellte Nimmgalf fest. “Jemand muss mir helfen, den Mörtel zu lockern um die Steine herauszubrechen.”

Alrik Herdan meldete sich freiwillig. Mit Dolchspitzen kratzten sie die Steine heraus. Es war eine mühevolle Arbeit, die sie noch mal eine halbe Stunde kostete. Es musste nun schon kurz vor dem Morgengrauen sein.

Zuletzt war auch das geschafft und der Weg in die Kellergewölbe war frei. Ein moderiger Geruch schlug ihnen entgegen. Ein Hauch von Verwesung lag darin. Was würde hier nur auf sie warten? Nimmgalf ging als Erster und half dann den anderen durch den Durchgang. Es war eine Wohltat endlich wieder aufrecht stehen zu können, wenn nur dieser Geruch nicht wäre. Flüsternd merkte Nimmgalf an: “Wohlan, das wäre geschafft! Vergesst nicht, die Erfüllung der Aufgaben steht immer im Vordergrund. Jegliches Risiko vorzeitig entdeckt zu werden muss um jeden Preis vermieden werden. Sobald wir den Kellerausgang erreicht haben, teilen wir uns auf. Anselm, Ihr begebt Euch mit eurer Gruppe am besten zuerst zum Pferdestall. Dahinter führt eine Treppe auf den Wehrgang. Von dort könnt ihr das Torhaus erreichen. Passt aber auf, dass euch die Wachen nicht sehen!”

“Welfert, Ihr dringt derweil in das Burgpalas vor. Die herrschaftlichen Gemächer befinden sich in der zweiten Etage. Findet und rettet meine Kinder.” Der Heermeister nickte.

“Meine Gruppe wird zunächst noch verweilen und versuchen in Erfahrung zu bringen, wo sich Simiona derzeit aufhält. Ich vermute, dass sie sich ebenfalls im Palas befindet – vielleicht im Rittersaal, oder in ihrem Schlafgemach. Möglicherweise ist sie aber auch ganz woanders. Das werden wir erst herausfinden müssen.”

Als keine Punkte mehr zu klären waren, verließen sie das Kellergewölbe. Der Weg führte zunächst an einer schweren Eichentür vorbei, die jedoch verschlossen war. Der eklige Geruch schien hierher zu kommen. Nimmgalf konnte nur ahnen welche Abscheulichkeiten der Magus hier verborgen hatte, doch nun war keine Zeit dem auf den Grund zu gehen. Als sie die Treppe erreicht hatten, stiegen sie sie langsam empor. Die Kellertür war mit einem schweren Eisenschloss gesichert, welches jedoch von Praiadne von Greif mittels eines Foramen-Cantus geöffnet werden konnte. Langsam schwang die Tür auf und gab den Blick auf den Burghof frei. Die Burg lag friedlich vor ihnen. Bis jetzt war alles gut gegangen, doch irgendwie ahnte Nimmgalf, dass das nicht so bleiben würde!