Geschichten:Greifendämmerung - Erntedank

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Früher hatte er sich mehr Mühe gegeben. Früher war er zärtlich gewesen, hatte sich Zeit genommen und Rücksicht auf sie genommen. Korwinne richtete sich auf und griff nach ihrem Gewand. Während sie es anzog, betrachtete sie ihren Liebhaber: kräftig, drahtig, muskulös und wohlgestalt. Zwar fehlten ihm Zehen und ein Finger, aber ansonsten war er makellos. Ihr Gatte war ganz anders. Der Trottel. Aber Drego nahm sich immer die Zeit. Vielleicht sein einziger Vorzug.

„Ich bin empfängnisbereit“, ließ sie beiläufig fallen.

„Ich weiß“, antwortet er nachdrücklich. Sie zweifelte keinen Moment, dass er es wusste. Er wusste sowieso immer alles.

„Und wenn ich schwanger werde? Diesmal von Dir? Soll dieses Kind auch …?“ Sie ließ offen, was ihrem dritten Kind geschehen sollte. Es war Anfang Travia, der Tag der Geburt wäre erneut nahe an den Tagen des Güldenen.

„Aber nein. Dieses Kind ist doch von mir. Es wird Graf werden“, antwortete Rudon selbstsicher und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, „gezeugt im Bett des Grafen.“ Er lachte hämisch.

Korwinne nickte, akzeptierte es. Sie würde schwanger werden, so viel wusste sie jetzt. Und Drego, der Schwachkopf, würde wieder ganz aus dem Häuschen sein. Er würde ihr wieder alles verbieten, was Spaß macht: Reiten, Schwimmen, Jagen, Bogenschießen, Trinken, Rauschkraut – alles. Er würde den ganzen Winter über dafür sorgen, dass sie auch dem Schwitzen nicht herauskäme, nur damit sie sich nicht unterkühlte. Und im Frühjahr würde er sie am liebsten auf ein Bett aus Holzwolle legen wie eine Vase. Unsinn – in ein Meer von Daunen wie Kugeln mit Hylaier Feuer. Sie lächelte, denn der Vergleich gefiel ihr. Nicht die Daunen, versteht sich.

„Das ist gut“, sagte sie nach einer Weile, „Drego würde den Verstand verlieren, wenn auch sein drittes Kind stürbe.“

„Seinen … was?“ Rudon grinste dämonisch.

Korwinne blickte ihren Geliebten wissend an. Sie mochte Drego. In etwas so wie man ein Kaninchen mag, das dennoch zum Erntedank auf den Tisch kommen wird.

Erneut wartete sie eine Weile, ehe sie erneut sprach: „Sonst noch Pläne?“

„Jede Menge, meine Gräfin, jede Menge.“