Geschichten:Gedankengift Teil 7b

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Burg Trollhammer, 22. Rondra 35 Hal, abends:

Nimmgalf und Ederlinde hatten es sich im Salon der Burg bei einem Gläschen lieblichen Yaquirtaler Madawein gemütlich gemacht. Während die Kleinen zusammen auf dem weichen Teppich im Nachbarzimmer mit Ritterpüppchen und Pferdchen spielten – Irnfrede schien den kleinen Randolf schon richtig ins Herz geschlossen zu haben - hatten die beiden Erwachsenen endlich die Zeit gefunden, über den Grund von Ederlindes Besuch zu reden.

Graf Danos Tochter hatte sich besonders herausgeputzt. Sie trug ein edles schwarzes Satinkleid mit freiem Schulterbereich und dazu feine hochhackige Schuhe aus almadanischer Maßanfertigung. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt. Offenbar hatte sie Nimmgalf tatsächlich etwas Wichtiges mitzuteilen. Auf seine erneute Frage, was denn nun endlich der Grund für ihren Besuch sei, nippte sie noch einmal kurz an ihrem Glas und setzte es mit einer eleganten Armbewegung auf dem kleinen Rundtisch ab. Dann schlug sie die Beine übereinander und lächelte Nimmgalf freundlich an.

„Es geht um meinen Bruder, Drego.“

Nimmgalf überlegte kurz. Er kannte den erstgeborenen Sohn Graf Danos nur flüchtig. Er wusste von seinen recht ausschweifenden und wenig zielorientierten Lebensstil und auch, dass er gerne wichtige Adelstreffen besuchte, wenn auch nur, um sich in Szene zu setzen. Er war ihm schon ein paar mal begegnet, und auch ungefähr in seinem Alter, allerdings waren sie noch nie für längere Zeit ins Gespräch gekommen. Offenbar waren ihre Interessensgebiete einfach zu verschieden.

„Und was ist mit deinem Bruder?“ fragte Nimmgalf interessiert. Da gerade keiner von der Dienerschaft anwesend war, waren sie inzwischen wieder zur vertrauten Anredeform übergegangen.

„Er ist ein Taugenichts! Er verprasst hemmungslos meines Vaters Geld und schert sich nicht um die Grafschaftsgeschäfte. Meine mahnenden Worte schlägt er in den Wind. Kein Wunder, solange Vater seine schützende Hand auf ihm hält. Noch mag dies ja im erträglichen Rahmen liegen, doch was wird sein, wenn er einst die Grafschaft erbt?“

Nimmgalf schwieg erstmal dazu und blickte Ederlinde nur fragend an.

„Ich werde es dir sagen, Nimmgalf: er wird die Grafschaft zugrunde wirtschaften. Alles, was mein Vater und vor ihm mein Großvater aufgebaut haben, wird in wenigen Jahren vor die Hunde gehen. Und Du, ich und alle anderen Edlen Reichsforsts sind zum hilflosen Zuschauen verdammt.“

„Vielleicht sollten wir Edlen mal mit ihm reden? Eine gemeinsame Petition der..“

„Ach Unsinn, Reden, pah!“ unterbrach ihn Ederlinde barsch. „Ihn interessieren die Meinungen anderer nicht. Wenn er einmal die Macht über die Grafschaft in den Händen hält, dann wird er nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Reichsforst ausgeblutet und politisch am Ende ist.“

Nimmgalf sah sie ein wenig schärfer an: „Und warum kommst Du damit jetzt zu mir?“

Ederlinde wechselte kurz den Beinüberschlag und nippte noch einmal an ihrem Wein. Dann fuhr sie fort: „Ganz einfach, mein Lieber! Wenn Vater noch auf irgendjemanden hört, dann doch wohl auf dich! Meine gut gemeinten Ratschläge verhallen stets ungehört bei ihm. Doch bei dir ist es anders. Alleine deine kurze Anwesenheit auf Burg Luring hat ihm so gut getan wie schon lange nichts anderes mehr. Du bist sein Bundesbruder und sein Freund, dein Wort findet sein Gehör. Ich bitte dich also, zu Vater zu gehen, und ihm klar zu machen, was es für Reichsforst bedeutet, wenn Drego die Grafenkrone erben würde. Mache ihm die Notwendigkeit klar, die Erbschaftsfolge zu ändern. Drego darf einfach nicht an die Macht kommen. Das verstehst du doch, oder?“

Nimmgalf hörte ihren Worten sehr sorgfältig zu. So langsam wurde ihm klar, worauf das Gespräch hinauslaufen sollte. „Oh ja, ich verstehe dich gut. Du verlangst also von mir, meinen Einfluss bei deinem Vater geltend zu machen, um deinen Bruder aus der Erbschaftsfolge der Grafschaft zu bringen. Und dass Du selber dabei seinen Platz einnehmen würdest, ist natürlich nur ein glücklicher Zufall, nicht wahr?“

Ederlinde warf ihm einen strengen Blick zu. „Es wäre mit Sicherheit nicht das Schlimmste für Reichsforst! Da wirst du mir kaum widersprechen können.“

Nimmgalf lachte kurz auf. „Du musst mich wirklich für sehr naiv halten, wenn du glaubst, dass ich dir auf Platz eins vor dem Grafenthron verhelfe, um dann einmal später als dein Lehnsmann vor dir das Knie zu beugen und mich so zu deinem persönlichen Spielzeug zu machen. Und das nach all dem, was du mir damals angetan hast. Glaubst du, du könntest wieder mit mir spielen? So wie es schon immer deine Lieblingsbeschäftigung war?“ Nun war es Nimmgalf, der sie streng ansah.

„Was damals geschehen ist, kannst Du wohl kaum mit heute vergleichen. Ich war noch jung, und stellte persönliches Vergnügen vor politisches Kalkül. Und Du warst damals einfach nur ein junger Draufgänger, der glaubte, jedes Mädchen müsse sich ihm gleich zu Füssen legen, wenn er sie nur verliebt ansähe und ein wenig Süßholz raspelte. Doch die Zeiten haben sich geändert. Du und ich, wir beide haben uns verändert. Ich bin des Spielens überdrüssig geworden, mir geht es nun um deutlich mehr, als um Vergnügen. Und nein, ich halte dich nicht für naiv, Nimmgalf! Deswegen biete ich dir nicht an, in der Grafschaft unter meine Ägide künftig als mein Vasall zu herrschen, sondern als mein Gemahl gleichberechtigt an meiner Seite. Ich biete dir meine Hand zum Traviabund und damit“ sie machte eine kurze Pause „die gemeinsame Herrschaft über die ganze Grafschaft!“

Für eine Weile herrschte Stille, nur das Lachen der Kinder war aus dem Nebenraum zu hören.

„W…was? Das soll wohl ein Scherz sein.“ Nimmgalfs Gedanken rasten.

Ederlinde antwortete: „Ich pflege bei solchen Dingen nicht zu scherzen, Nimmgalf.“

„Aber wie stellst Du dir das denn vor? Ich BIN doch schon verheiratet.“

Ederlinde verzog spöttisch das Gesicht. „Wir wissen wohl beide, dass deine derzeitige Ehe nicht mehr als eine Farce ist. Sie zu lösen dürfte nur noch eine reine Formalität sein. Und wenn dieser Schritt vollzogen ist, gibt es für einen Bund zwischen uns keine weiteren Probleme mehr.“

Nimmgalf wusste nicht, was er sagen sollte. Er hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Welch ein hoher Einsatz in einem gewagten Spiel. Die Karten waren verteilt und nun musste jeder spielen so gut er konnte. Er wusste nicht, wie gut er spielen würde, doch eines war sicher, Ederlinde berechnete ihr Tun immer zu einhundert Prozent im Voraus. Und es wäre in diesem Falle sicher besser mit ihr zu spielen als gegen sie. Doch da gab es noch jemand anderen…

Er atmete noch einmal tief ein bevor er antwortete: „Ich… ich kann das nicht entscheiden. Nicht jetzt. Ich muss noch so vieles bedenken, muss noch mit einigen…“

Ederlinde unterbrach ihn noch einmal. „Nur keine Sorge, ich verlange dir keine vorschnellen Entscheidungen ab. Überlege dir mein Angebot gut. Und bedenke auch, was ich dir für Möglichkeiten biete bei der Rückgewinnung dessen, was dir deine horasische Noch-Gemahlin genommen hat: deine Burg, dein Land und deine Ehre.“

Nimmgalf blickte sie lange schweigend an. „Gut. Ich werde dich meine Entscheidung wissen lassen, wenn es so weit ist.“

Ederlinde lächelte ihn freundlich an. „Ich bin mir sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst, Nimmgalf. Und nun bin ich müde. Geleitest du mich zu meinem Quartier?“

Sie leerte ihr Weinglas. Der Baron nickte und trank ebenfalls aus. Dann erhoben sie sich und verließen den Raum.