Geschichten:Gedankengift Teil 2

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Burg Leihenbutt, Nacht auf den 8. Rondra 35 Hal


Simiona konnte wieder einmal nicht schlafen. In den letzten Nächten war sie jedes mal schreiend von einem finsteren Alptraum geplagt aufgewacht, und auch in dieser Nacht war es nicht besser geworden. Wenn sie an die Schreckensfratzen in ihren Traumgesichtern dachte, die an ihrer Seele zerrten, bekam sie eine Gänsehaut und kalter Schweiß trat ihr auf die Stirne. Selbst die Schlafmittel von Bartholomäus brachten ihr nur kurzfristig Linderung. So saß sie in ihrem weichen Nachtmantel mit zittrigen Händen am großen Eichentisch in ihrem Salon, der zu dieser warmen Jahreszeit auch Nachts noch sehr angenehme Temperaturen bot, trank vorsichtig eine heiße Tasse Kräutertee und versuchte sich durch die Lektüre eines Buches auf andere Gedanken zu bringen. Doch es wollte ihr einfach nicht so recht gelingen. Immer wieder spukten ihr die grauenhaften Alptraumwesen durch den Kopf. Ihr langes blondes Haar war verklebt und unter ihren Augen hatten sich schon dunkle Ränder gebildet, sie sah einfach furchtbar aus.

Es klopfte an der Türe. „`Ja, `erein?“ rief sie leicht zögerlich.

Dana, ihre Vertraute und Kundschafterin, betrat den von ein paar Kerzen erhellten Salon. „Ihr habt mich rufen lassen?“ „Oui, Dana. Setz disch da `in, ich muss mit jemandem reden.“

Die erfahrene Frau aus dem fernen Maraskan, die aber nun schon lange in Waldstein beheimatet war, tat wie ihr geheißen. Sie stand nun schon seit einiger Zeit in den Diensten der Comtessa und war eine ihrer engsten Vertrauten geworden. Sie mochte die junge Frau aus dem Horasreich gut leiden und kam auch mit den meisten ihrer Bediensteten gut klar, mit Ausnahme des finsteren Bartholomäus natürlich, dessen Gegenwart sie so weit es ging mied.

„Was kann ich für Euch... oh, Ihr seht furcht... ich meine, geht es Euch nicht gut?“

„Sag es ru`ig! Isch se`e furschtbar aus!“ entgegnete Simiona gereizt. Dana stutzte. „Und nein, es ge`t mir ganz und gar nischt gut! Alles scheint in letzter Zeit zu misslingen.“

„Wenn Ihr auf die Sache mit dem Reichsvogt ansprecht, dazu kann ich nur sagen, dass..“

Simiona unterbrach sie: „Ach was, es ist nischt nur wegen `ilberts Flucht. Isch ´offe ja immer noch, dass Bart`olomäus i`n bald wieder einfängt.“ Sie trank einen Schluck vom heißen Tee.

Dana wusste nicht was er sagen sollte. In so einem desolaten Zustand hatte sie Simiona noch nie gesehen. Sie war bisher immer der festen Meinung gewesen, dass diese Frau durch nichts auf Dere einzuschüchtern sei. „Was ist es, was Euch so bedrückt?“

Simiona atmete tief durch, dann begann sie zu erzählen: „Es macht misch einfach krank, dass isch immer noch nischts über Nimmgalfs Verbleib `erausfinden konnte. Und mir ge`en auch so langsam die Ideen aus, wie isch i`n wieder zurückgewinnen könnte.“ Sie machte eine kurze Pause.

„Aber das ist noch nischt alles, erst kommt i`r, also Bart`olomäus, Roderik und Du, mit leeren `änden aus Gareth zurück, o`ne dass es eusch gelungen wäre, mir die Leische des verfluchten Staatsrates von Luring mitzubringen, und dann kommen so mir nischts dir nischts in meiner Abwesen`eit ein paar `andlanger Nimmgalfs in meine Burg und befreien den Reischsvogt, dem es dann auch noch gelingt, unbemerkt in der Wildermark unterzutauchen. Verdammt, wozu beza`le isch die Leute denn?“

Dana hatte keine passende Antwort darauf, also zog er sie vor zu schweigen. Es war äußerst gefährlich, der Comtessa zu widersprechen, wenn sie in Rage war, dies hatten schon einige mit dem Leben bezahlt.

Simionas Stimme wurde plötzlich leiser: „Aber das Schlimmste sind diese Alpträume, die mich jede Nacht verfolgen. Wenn das so weiter ge`t, werde isch noch verrückt.“

Dana versuchte sie zu beruhigen: „Ihr werdet da sicher mit fertig, da bin ich sehr zuversichtlich!“

Simiona blickte sie zweifelnd an. „Na, wenn du das sagst, wird es wo`l so sein, nischt wa`r? Aber was anderes: wie ist die Stimmung im Volke? In Lei`enbutt und in den anderen Dörfern der Umgebung? `ast Du da was mitbekommen?“

Dana überlegte kurz, ob er ihr in ihrem jetzigen Zustand verheimlichen sollte, dass es auch da nicht gut für sie lief, dann entschied sie sich aber doch bei der Wahrheit zu bleiben. „Die Leute in den Dörfern sind sehr verängstigt. Sie beäugen den Tempel des Güldenen mit großem Mistrauen. Einige kommen zwar hin und wieder zum Tempeldienst, aber insgeheim beten sie daheim doch weiterhin zu Travia und Peraine. Bisweilen sind auch Stimmen zu hören, die sich die Zustände von früher zurückwünschen als der Baron noch hier war. Man hat den Eindruck, dass sich große Unzufriedenheit breit gemacht hat. Lange wird es nicht mehr dauern, bis sie sich zusammenrotten und dann kann, mit Verlaub, alles passieren.“

Simiona blickte sie nachdenklich an. Sie hatte zwar gewusst, dass in Leihenbutt etwas im Argen lag, aber dass es schon so schlimm sein könnte, damit hätte sie nicht gerechnet. „So schlimm ist es also schon? Merde! Isch `ätte mir das wa`rlisch etwas leischter vorgestellt.“ Sie seufzte laut auf: „Isch wünsche mir jeden Tag, dass mein Freund Graf Laescadir von seiner Reise in den Norden zurückke`rt. Was muss er auch ausgereschnet jetzt so weit fort sein? Er wüsste sischer Rat. So bleibt mir momentan nur zu `offen, dass sisch die Lage `ier wieder beru`igt. Und dass dieser Pöbel endlisch seinen neuen Gott akzeptiert!“ Sie schlug leicht mit der Faust auf den Tisch.

„Mit Gewalt werdet Ihr sie nicht dazu bringen können, Simiona!“

Simiona senkte den Blick und schwieg eine Weile. „Vielleischt. Vielleischt `ast Du rescht. Vielleischt bin isch die Sache einfach falsch angegangen. Vielleischt zürnt ER mir deswegen. Fragen über Fragen, und isch finde keine Antwort darauf.“ Simiona schluckte ihren Frust mit ein wenig Tee herunter. Dana blickte sie eine Weile schweigend an.

Dana fragte: „Kann ich noch etwas für euch tun?“

„Nein, isch wäre jetzt gerne alleine. Danke für das Gespräsch, Du kannst jetzt wieder ge`en, Dana.“

Die Kundschafterin verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß, stand dann auf und verlies den Salon. Unterwegs wunderte sie sich: Simiona hatte sich bei ihr bedankt, sie musste wirklich sehr, sehr krank sein....