Geschichten:Gedankengift Teil 17a

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Unternehmen Grakvaloth

Burg Trollhammer, 6. Travia, 35 Hal

Es war der Abend eines kühlen Herbsttages, als eine in eine schwarze Kutte gewandete Gestalt den langen gewundenen Serpentinenpfad emporstieg. Das Wetter war sehr kalt für diese Jahreszeit, offenbar stand in diesem Jahr ein früher Wintereinbruch bevor. Die Person hielt einen kurzen Moment inne um Atem zu holen und einen Schluck aus einer Feldflasche zu trinken, denn der Weg war steil. Sie blickte herab ins Tal auf das kleine Örtchen Samlor am Rand der östlichen Rakula-Hügel und betrachtete eine Weile das malische Panorama, welches Idylle und Beschaulichkeit ausstrahlte. Dann wandte die Person ihren Blick nach Südwesten. Dort umkränzt von den letzten Strahlen der untergehenden Praiosscheibe ruhte in einer Bergflanke die mächtige Burg Trollhammer, eine Trutzburg die schon seit Urzeiten dort wie eine Titanenfestung in die gewaltigen Felsen gemauert war. Der Legende nach, wurde dieses Bollwerk einst durch einen zaubermächtigen Trollkönig errichtet, der sie dereinst mit gewaltigen Hammerschlägen aus dem Felsen herausgemauert hatte. Es würde eine große Armee und mächtiges Belagerungsgerät brauchen, um diesen gewaltigen Mauern etwas anhaben zu können.

„Eines muss man deinem Onkel lassen, Scherrie“, sprach die Person leise zu sich selbst „Er `at o`ne Zweifel einen gewissen Stil.“ Unter der Kapuze war ein Anflug eines anerkennenden Lächelns zu erkennen. Sie prüfte noch einmal ihre Ausrüstung auf ihre Funktionalität und war zufrieden. Kurz darauf setzte sie ihren Weg fort.

Die fünf Wachen am mächtigen Eingangstor zur Burg Trollhammer taten wie immer ihren Dienst nach Vorschrift. Während der Abwesenheit des jungen Barons sollte das Tor geschlossen bleiben und nur beauftragte Bedienstete mit besonderem Schreiben erhielten Einlass. Auch der alte Baron wollte in seinem jetzigen Zustand keinen Besucher empfangen. Dementsprechend misstrauisch wurde die Person beäugt, die sich stetigen Schrittes dem Burgtor näherte. Als sie auf Rufweite herangekommen war, begab sich Dankwart, der Korporal der Wachmannschaft, auf den Torgang. „Halt! Wer da? Gebt Euch zu erkennen, wer immer Ihr auch seid. Was wollt Ihr auf Burg Trollhammer?“

Die Person kam noch ein paar Schritte näher, hielt dann inne und schlug die Kapuze nach hinten, so dass man ihr Gesicht und die langen blonden Haare sehen konnte. „Mein…mein Name ist Fenya! Isch bin nur eine Magd. Isch komme im Auftrage der Gema`lin des Barons zu Lei`enbutt. Isch bin i`re Unter`ändlerin und bringe eine wischtige Nachrischt für i`n.“

Inzwischen waren auch zwei andere Wachen hervorgetreten. Der Korporal schüttelte den Kopf: „Bedaure, ich habe strickte Anweisungen, niemanden ohne Geleitschreiben einzulassen. Ihr könnt mir aber eure Nachricht übergeben, ich werde sie dann dem Baron persönlich übergeben, sobald er von seiner Reise wiederkehrt.“

„Oh, isch fle`e eusch an, lasst misch ein. Isch bin von der Reise se`r erschöpft und bitte um ein Nachtlager. Wenn der Baron nischt anwesend ist, so soll isch die Nachrischt niemand anderem geben, außer seinem Onkel selbst.“

„Seine Hochgeboren empfängt keinerlei Besuch. Ich kann Euch nicht einlassen. Gebt mir nun eure Nachricht, oder lasst es bleiben. Eingelassen werdet ihr nicht.“

Die Frau in der schwarzen Kutte fing leicht an zu schluchzen. „Das… das könnt i`r mir nischt antun, bitte, so macht mir doch auf. Meine Nachrischt ist wirklisch wischtig – es ge´t um die kleine Tochter des Barons. Es ge´t i`r nischt gut. I`r müsst mir glauben, isch möschte nischts weiter, als meine Nachrischt abgeben und ein kleines Nachtlager im Stall, das genügt mir schon. In Travias Namen, isch fle`e Eusch an, lasst misch ein, bitte!“

Die Soldaten berieten kurz. Die Sonne versank gerade hinter den westlichen Hügelkämmen. Die Frau abzuweisen hieße, sie in die kalte Nacht zurückzuschicken. Bis Samlor wäre es noch fast zwei Stunden zu fuß, und sie machte nicht gerade einen wildniserfahrenen Eindruck. Schweren Herzens gab der Korporal den Befehl, dass die Mannluke zu öffnen sei. Zwei Soldaten ließen die zitternde Frau ein, während der Korporal sie misstrauisch beäugte. Ihm viel auf, dass sie eine für eine Botschaft recht groß geratene Umhängetasche trug. Behutsam betrat die Frau die Burg und blickte sich im dämmrigen Licht, welches nur hier und da von Fackeln entzündet wurde auf dem Burghof um. Der Korporal geleitete sie zur Hauptburg. „Sagt Fenya, warum sendet die Comtessa Euch, und nicht einen erfahrenen Botenreiter? Ist die Reise für eine Magd nicht zu gefährlich?“

„Gefä`rlisch? Ja schon, aber sie vertraut eben nur mir. Sie `at schon me`rere Nachrischten dursch Boten überbringen lassen, doch die wenigsten davon sind angekommen. Und isch komme aus der Gegend `ier und kenne misch ein wenig aus.“ „Ihr seid hier aus der Gegend? Das trifft auf mich auch zu, aber euch habe ich sicherlich noch nie hier gesehen. Und euer Dialekt ist auch etwas ungewöhnlich. Aus welchem Dorf stammt ihr denn?“ Der Mann schien ein wenig zu stutzen. Die Frau zögerte kurz und blickte sich um. „Ah, das da drüben muss wo`l der Stall sein. Werde isch dort untergebracht? Bitte zeigt ihn mir doch kurz, bevor ihr misch zum Baron fü`rt.“

Die junge Frau drängte den Korporal in Richtung Stall. In der kalten Abenddämmerung waren keine weiteren Bediensteten mehr unterwegs. Der Mann hielt überraschend inne. „Aber… das hat doch noch Zeit. Und ihr habt mir auch meine Frage noch nicht…“

„Oh, bitte, zeigt mir doch nur kurz den Stall. Isch möschte nur wissen, ob das Stroh auch weisch genug ist, vielleischt werdet ihr mir ja in der Nacht auch ein wenig Gesellschaft leisten?“ Dabei lächelte sie ihn verführerisch an und zog ihn noch ein Stück weiter in Richtung Stall.

Der Korporal atmete tief durch. Für einen kurzen Moment durchfuhren ihn recht rahjanische Gedanken, doch dann erinnerte er sich wieder seiner Pflicht. „Bedaure, aber das wird nicht möglich sein. Ich habe meine Aufgaben zu erfüllen! Und nun folgt mir zu meinem Herrn! Vielleicht gewährt er euch ja auch ein Gästezimmer in der Burg, dann könnt ihr euch die kalte Nacht im Stall sparen! Doch bevor ich euch zum Baron vorlasse, muss ich euch leider durchsuchen. Das hätte ich eigentlich schon am Tor tun sollen. Was habt ihr dort in der Tasche?“ Seine letzten Worte waren recht barsch gewählt.

Die Frau sah sich kurz um, dann blickte sie ihn eiskalt an und seufzte. „Schade! Dann eben auf die `arte Weise. Au revoir!“ Noch bevor der Korporal begriffen hatte, was sie meinte, hatte sie ihm in einer blitzschnellen Bewegung ihre durchgeladene Balestrina unter der Kutte hervorgezogen, ihm an den Schädel gehalten und abgedrückt. Die Kugel durchschlug den Schädel auf beiden Seiten. Wie ein Stein kippte der Mann zur Seite um.

Simiona blickte sich erneut im Burghof um, sie waren so gerade aus dem Blickfeld der Torwachen getreten, so dass ihr Mord noch unbemerkt geblieben war. Sie packte die Leiche an den Handgelenken und schleifte sie zum Stall, nachdem sie sich versichert hatte, dass auch dort die Luft rein war. Dort zog sie ihn ins Stroh und bedeckte ihn provisorisch damit. Die paar anwesenden Pferde schnaubten etwas beunruhigt, doch weiter geschah nichts Ungewöhnliches.

Simiona öffnete ihre Umhängetasche und breitete den Inhalt behutsam und präzise koordiniert auf dem Boden aus. Mit ein paar geschickten Handgriffen hatte sie ihre zerlegte maßgefertigte Repetierbalestra wieder zusammengebaut. Sie lies eines der fünf mit Bolzen gefüllten Magazine einrasten und legte die anderen griffbereit in ihre Taschen. Mit einer genüsslichen Bewegung lud sie ihre Hochpräzisionswaffe durch. Dann erhob sie sich und schritt mit der Waffe im Anschlag auf das Burgpalas zu. Unternehmen Grakvaloth hatte begonnen.