Geschichten:Fuchs und Stier - Der Zauber der Berge

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Dramatis personae:


Irgendwo in den Bergen des Walls

Timshal hatte sich schon mehrfach verwünscht den Vorschlag mit den Junker von Kelsenstein gemacht zu haben. Es hatte ihn schon stutzig gemacht, daß kaum einer so richtig den Weg zum Kelsenstein weisen konnte.

Als er endlich eine Auskunft bekommen hatte, war sie ihm schon fast zu genau gewesen. Ein Handwerker hatte ihm blumig beschrieben wie es war, damals als der Junker vom Schlachtfeld heim durch Wasserburg zog. Die Männer und Frauen waren, wenn man den detaillierten Beschreibungen glauben schenken mochte, mehr Tod als lebendig, die Hälfte davon offenkundig Wilde aus den Bergen, die auch prompt in der Stadt Ärger machten, so daß die Stadtwache den Zug so schnell wie möglich aus der Wasserburg räumte. Zudem hatten sie noch einen ganzen Haufen verhungernde tobrische Flüchtlinge dabei, die mit leeren Augen durch die Straßen irrten. Der Handwerker hatte seine Beobachtungen auf den Punkt gebracht: "Wie der Herr so des Gescherr! Der feine Junker doo oben in den Berggen is doch selber nicht richtig im Kopp. Hättet ihr mal sehen solln, wie wirr der scho gschaut hat.”

Zumindest wurde Timshal von dem geschwätzigen Handwerker auch der Weg nach Kelsenstein beschrieben, versehen mit der Mahnung sich in Acht zu nehmen, da oben herrschten die Ferkinas oder schlimmeres, zudem wer wisse schon was der Junker da oben in den Bergen mit den Flüchtlingen gemacht habe.

Nun ritt er auf Geheiß von Cordovan einen menschenleeren Paß hinauf. Der Karrenweg in die Berge war stellenweise kaum zu erkennen gewesen. Immerhin zeigten recht frische Wagenspuren, daß dort oben tatsächlich Menschen wohnten. Zwei geschlagene Tage war er nun schon unterwegs, es war mehr als nur etwas frisch. Hier oben wehte ein kalter Wind durch die Klamm, der von Eis und Schnee kündete. Knochen und Schädel an den Felswänden über der Schlucht zeigten ihm, dass die Wilden aus den Bergen keine Märchen waren. In der Nacht hatte er sich in einer Felsspalte mit seinem Pferd so gut es ging verborgen. Er wähnte sich unentdeckt, doch heute waren da über ihn manches Mal Schatten aufgetaucht, Schatten von großen Vögeln, er dachte an die Geschichten über Harpyien. Längst hatte er seine Waffe griffbereit und trieb sein Pferd an, so weit es der steinige Pfad zuließ. Am liebsten hätte er auf der Stelle umgedreht, aber was sollte er sagen, das er vor Schatten zurückgewichen war? Nein, immerhin wenn er den Junker hier oben auftreiben konnte und dieser den Streich unterstützte, so war er sich sicher, dann würde sich das auszahlen, hier oben war man entweder hart und stets auf der Hut, oder man fand sich bald auf der Seelenwaage wieder.

Den Paß hatte er endlich doch noch hinter sich gelassen, ein Wegweiser wies ihm den Weg zur Residenz des Junkers, wenn er die nabachotische Inschrift richtig gedeutet hatte.

Die Schatten hatten sich bald entpuppt, als ein Pärchen der gefürchteten Mischwesen, halb Frau, halb Vogel. Die Harpyien flogen einige Male über den Leutnant hinweg, aber Phex war mit ihm, bisher hatten sie keinen Versuch gemacht sich ihm zu nähern oder einen Angriff zu beginnen.

Seine Stute spürte seine Anspannung und fegte über das Hochland hinweg. Er war nun ganz auf den Weg konzentriert, die Harpyien gab es nur in dem Sinn, der einem erfahrenen Kämpfer im entscheidenden Moment die Nackenhaare sträuben lies. Sie durften ihn nicht ablenken, sonst würde er sich hier in einer der zahlreichen Mulden wieder finden, mit gebrochenen Knochen.

Seltsamerweise spürte er keine Angst, die Anspannung fiel schließlich gar von ihm ab, ein Gefühl von Freiheit machte sich in ihm breit. Er schob es auf die Höhenluft, die seinen Sinnen einen Streich spielte und bemühte sich konzentriert zu bleiben, konnte aber doch nicht verhindern, das ihn die Berge in ihren Bann schlugen. Er erwischte sich dabei die glänzenden Praiosreflexionen auf den Bergflanken und Gletschern, der noch höheren Berge vor ihm zu bewundern. Er fühlte sich so wunderbar leicht, als würde nicht nur sein Pferd, sondern er selbst über der kargen Berglandschaft gleiten. Tief atmete er die frischer Luft ein, die ihm entgegenschlug. Dabei wußte er einfach wo die Harpyien hinter ihm flogen, sie drehten Runde um Runde umeinander. Erst als die Schatten des Berges einen weiteren Saumpfad den vor ihm liegenden Berg hinauf enthüllte und er einen kurzen Blick auf einen schroffen Felszacken in der Ferne erhaschte, der löchrig war wie der sprichwörtliche Käse, kämpfte er sich zurück in die Wirklichkeit. Kein Zweifel er war dem Zauber der Berge erlegen! Wie auch immer, nun war er hier und würde sehen, dass er die Feste in einem Stück erreichen konnte, bevor ihm die Dunkelheit der Gnade der Kreaturen hinter ihm auslieferte.

***

Zeit sich zu erholen. Im Schein des flackernden Lichts einer Kerze vor ihm wartete Timshal auf den Junker. Die Kelsenburg war ein düsterer Ort. Wenn er es in der Abenddämmerung richtig erkannt hatte, dann war das letztlich gar keine Burg, sondern eher ein Berg mit einem Höhlensystem, das wohl teils natürlich und teils in den Fels getrieben war. Was sollte man auch erwarten, hier mitten im Wall? Die Wachen hatten ihn eine Leiter zum Eingang hoch klettern lassen, nachdem er sich erklärt hatte und durch ein Ganglabyrinth zu ihrem Wachraum geführt, wo er nun auf dem grob geschnitzten Holzstuhl ausruhte. Zwei Wachen mit dem Wappen der Kelsensteiner, das einen Mantikor und wie er nun erkannte die Kelsenburg darstellte, saßen schweigsam bei ihm am Tisch. Außer daß sie ihm mit einer Geste Wasser aus dem vor ihnen stehenden Krug angeboten hatten, nahmen sie keine Notiz von ihm, sondern schwätzten schnell in einem nebachotischen Dialekt miteinander, den er nicht verstand, der ihn aber mit den harten Lauten an die kriegerischen Ferkinas erinnerte. Er bemühte sich auch gar nicht dem Gespräch zu folgen, sondern entspannte seinen Körper und Geist von der strapaziösen Reise.

Dabei saugte er die Atmosphäre des Ortes in sich auf. Die Einrichtung des Wachzimmers war einfach, massives abgegriffenes Holz und offenbar uralt. Die Decke über ihm konnte er im Kerzenlicht nicht erkennen, es mochte hoch hinauf gehen, da die Decke wohl einen Spitzbogen bildete und Gesprächsfetzen der Wachen als Zischeln und Murmeln wiedergab, ganz so als hätte die alte Feste ein Wörtchen mit zu reden. Ihn war wieder kühl, das war kein gastlicher Ort, der zum verweilen einlud und zudem machte die ganze Burg den Eindruck von Leere, als wären ihre Bewohner geflohen oder verschwunden.

Die Ankunft des Junkers riß Timshal aus den immer düsterer werdenden Gedanken über diesen Ort. Der Junker war groß gewachsen, von kräftiger Statur und mittleren Jahren. Seine dunklen Haare und sein kantiges Gesicht verrieten an diesem Ort nur zu deutlich, daß Blut der Einheimischen in ihm floss. Doch lächelte er Timshal freundlich zu, begrüßte ihn zackig mit dem Kriegergruß, und zog sich einen Stuhl herbei, während die beiden Wachen Platz machten. ,,Was führt Euch zu mir? Ich hörte Ihr hättet eine Botschaft aus Perricum?”

„So ist es, Wohlgeboren“, antwortete Timshal mit einer angedeuteten Verneigung. Er hatte keine Ahnung, ob der Junker Wert auf Etikette legte - hier wirkte doch so manchen sehr … nun ja, barbarisch. Aber seine Erziehung ließ nichts anderes zu. „Mein Name ist Timshal von Zackenberg, Leutnant im Markgräflichen Heer“, stellte er sich vor, doch kam er sogleich auf den Punkt: „Mein Vorgesetzter, Leutnant Keres aus dem heermeisterlichen Stab, hat mir den Auftrag erteilt Euch aufzusuchen, Wohlgeboren.“

„Soso. Und was will er von mir?“, fragte der Junker.

„Nun, um auf den Punkt zu kommen, er bittet um Eure Mithilfe in einer … nun ja, in einer sehr delikaten Angelegenheit. Es geht um eine Aktion gegen den Baron von Wasserburg“, endete er schließlich. Wenn Timshal nicht gehört hätte, daß der Junker seinen Baron nicht verabscheuen würde, dann hätte er wohl nicht so offen gesprochen. Andererseits wäre er dann auch nicht in das Gebirge gestiegen.

Der Junker zeigte sich überrascht, bevor ein breites Grinsen sein Gesicht von einem Ohr zum anderen zierte. "Ganz gleich was Ihr da plant, solange es gegen den Baron von Wasserburg geht, bin ich allseits bereit! Nun erzählt schon, spannt mich nicht auf die Folter, selten wurde so gute Kunde hier herauf gebracht.

Holt den guten Wein und laßt ein Schwein schlachten“, wandte er sich an seine Leute. „Heute Nacht wollen wir ein Fest feiern!“ Die angesprochenen Wachen beeilten sich den Befehl ihres Haran auszuführen und weiter zu geben. Bald schon hallten freudige Rufe durch das riesenhafte alte Gemäuer, während Timshal den Junker in die Geschehnisse in Wasserburg einweihte.