Geschichten:Frühlingssturm - Nach der Weihe

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Hakon hatte zu denen gehört die über die gesamte Zeit am Altar ausgeharrt hatten. Seine alte Verletzung am Bein machte ihm zu schaffen und trotz der warmen Kleidung war er vollkommen durchgefroren. Doch er war es all den Freunden, Verwandten und treuen Gefolgsleuten seiner Familie schuldig, die hier gekämpft hatten. Tief ergriffen war er, als am Ende das Donnern der Waffen durch das Tal hallte. Nach einem letzten Gebet zur Herrin Rondra und der gütigen Herrin machte er sich langsam auf den Rückweg zur Burg.

Auch Wallbrord hatte dem Rondradienst ohne Unterbrechung beigewohnt. Zwar hielt er es mehr mit dem Götterfürsten als mit der Sturmherrin, dennoch anerkannte er sehr wohl die Taten und Opfer, die die Anhänger letzterer gerade in den vergangenen zwei Dekaden für Rondra und die Menschen hier unten in Aventurien voll- bzw. erbracht hatten. Auch wenn er des Kämpfens eigentlich müde und kein Freund des Schwerts der Schwerter und ihrer Politik war, so musste er doch zugeben, dass sie es vortrefflich verstand zu predigen, der Baron hatte alle die Gebete aus ganzem Herzen mitgesprochen, sodass selbst ihm eine Gänsehaut überkam, als am Ende der Zeremonie die Anwesenden ihre Waffen gegen Schilde oder Armschienen schlugen und so gleichermaßen eine gewaltige Geräuschkulisse wie ein ebenso großes Zeichen des Göttinnenvertrauens setzten. Müde, aber dennoch irgendwie neu inspiriert begab er sich nach dem Göttinnendienst zurück zur Burg, die durchaus vorhandene Müdigkeit nicht achtend.

Tharas Anwesenheit bei der Altarweihe war vor allem auf ihre prinzipielle Neugier und ihre Unermüdlichkeit beim Sammeln von Eindrücken und Erfahrungen zurückzuführen, weniger auf ihr Interesse an der Weihe selbst. Die sich unsäglich in die Länge ziehende Zeremonie löste eher einen Missklang in ihrem Herzen aus, das sich vergangener Tage erinnerte. Sie hätte eine derjenigen sein können, sein sollen, die genau hier ihre Namen mit dem eigenen Blute der Sturmherrin anempfohlen hatten. Allein, ihr eigener Weg hatte sie inzwischen in völlig andere Höhen geführt, es gab kein Zurück. Und die schon nach der ersten Namenskolonne zutiefst gelangweilte Edle war heilfroh, als mit alveransdröhnendem Lärm endlich das Ende der Weihe erreicht war. Sie war – wenn überhaupt – nur Welfert zuliebe noch hier, der ebenfalls noch nicht abgereist war.

Während der Zeremonie hatte Aldron ein Gesicht zur Schau getragen, dass ihn in eine Reihe mit den Steinfiguren auf dem Altarfries zu setzen schien: Unbeweglich und mit starr voraus gerichtetem Blick hatte er der Kolonne an Namen gelauscht, die von den Geweihten verlesen wurden, Namen, deren Träger er selbst zum Teil gut gekannt hatte und die mit den Worten im Ohr, die er vorm Abmarsch in Bergthann an sie gerichtet hatte, in den Kampf gegen die Untoten gezogen waren. Diejenigen, die Aldron kannten, mochten wissen, was in diesem Augenblick in dem jetzigen Landvogt vorging, der hier seinen Soldaten die Ehre erwies.

Als im Morgengrauen der Gedenkgöttindienst sein Ende fand, erhob er sich erschöpft aber auch erleichtert und mit dem Gefühl, einen Teil seiner Bürde heute endgültig abgenommen bekommen zu haben. Bevor er sich abwandte nickte er seiner einstigen Beichtmutter Alinja Leuenklinge noch einmal respektvoll dankend zu, bevor er sich der Gruppe der nach Angareth zurückkehrenden anschloss.

Aldron war keine hundert Schritt gegangen, da hörte er rasche Schritte hinter sich. „Herr Aldron!“ Der eindringliche aber nicht zu laute Ruf ließ ihn innehalten. Von hinten schloss Talvia zu ihm auf, das schwarze Schaf, welches zur Herde zurückgekehrt war, wie die Geweihten heute verkündet hatten. Er hatte bemerkt, wie sie der Altarweihe und der Verlesung der Gefallenen in letzter Reihe gefolgt war. Was konnte sie von ihm wollen? Kurz warf er noch einen Blick zu Wallbrord, dem er sich auf seinem Heimweg angeschlossen hatte, dann hielt er an und wartete auf die Nachzüglerin.

Als diese herankam, hielt sie sich nicht lange auf und kam zur Sache, die sie bewegte. „Aldron, ich habe gehört, ihr wollt gegen die Schergen Warunks ziehen. Ich bitte euch, lasst mich an eurer Seite einen Teil der Schuld abtragen, die ich noch zu leisten habe.“ Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, war Aldron zuerst doch etwas überrumpelt. Dann fielen ihm die Worte der Erhabenen ein und er nickte, wenn auch deutlich mit Widerstreben. „Ich werde sehen, was sich machen lässt. Das Gesuch soll während der taktischen Besprechung nachher beredet werden.“ Talvia schien beinahe erleichtert zu sein, senkte noch einmal ehrerbietig das Haupt und zog sich zurück.

Aldron sah ihr nach und wandte sich dann zu Wallbrord um. „Sie scheint es mit ihrer Sühne ernst zu meinen. Oder uns verbirgt sich noch etwas...“

Der Angesprochene nickte kurz und antwortete mit nachdenklicher Miene: "Im letzteren Fall wüßte ich aber gerne vor der Besprechung, um was es sich dabei handelt. Ich bin in solchen Dingen kein Freund von Überraschungen und wenn sie es mit ihrer Buße ernst meint, dann sollte es auch kein Problem darstellen, die Karten hier und jetzt auf den Tisch zu legen."

Der Blick das Landvogtes suchte noch einmal die Gestalt der sich im Morgenlicht entfernenden Kriegerin, dann sah er hinauf zu dem Ort, von dem sie gerade gekommen war und an dem noch immer einige der Göttindienstteilnehmer in Andacht vertieft waren. Dann schüttelte er ungewohnt energisch den Kopf. „Sie stand gestern zur Prüfung durch die Göttin selbst und die Geweihten haben befunden, dass sie es wert ist, wieder aufgenommen zu werden. Kein Sterblicher kann dabei täuschen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie mit uns ziehen wird. Allerdings werde ich sie nicht zur Besprechung zulassen.“



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Texte der Hauptreihe:
6. Ing 1030 BF zur mittäglichen Rahjastunde
Nach der Weihe
Die Altarweihe


Kapitel 77

Auf in den Kampf – Kriegsrat und Ausgangslage