Geschichten:Frühlingssturm - Ein kühner Plan

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Aldron hatte ein oder zweimal zustimmend genickt, als Wallbrord von der Unwegsamkeit der Trollzacken sprach. Als dieser jedoch von der Unwichtigkeit Vellbergs als Grund für die Ruhe sprach, vertiefte sich die Falte auf der Stirn des Firunslichters ein wenig. "Wallbrord, ihr schätzt die Lage anders ein als ich. Der Weg über die Zacken an den Unterlauf des Darpats ist mit Sicherheit ebenso verlockend für den Feind wie die Trollpforte. Wo jene passierbarer ist, wartet hinter dem Arvepaß reichere Beute als in der gebeutelten Grafschaft Wehrheim. Aber genau dieser Paß ist auch die einzige Richtung, aus der ein echter kriegerischer Vorstoß kommen kann. Und solange Angareth und Leuenfels stehen, wird es schwer für die Nekromanten, bis zu euch vorzustoßen. Und sie stehen noch."

Aldron machte eine kurze Pause und schien noch einmal in sich zu rekapitulieren, womit er fortfahren sollte. "Ansonsten gleichen sich die Zustände in Vellberg und Arvepaß ziemlich, möchte ich meinen. Mit der Ausnahme, daß mir die Soldaten des Markgrafen und der Königin zur Verfügung stehen und ich dank der Erlgrimman ein Bild habe von dem, was nördlich und nordwestlich meines Sitzes geschieht. Daher weiß ich auch, daß nicht nur die Höhen des Passes, sondern auch der nördliche Rockenwald noch in Feindeshand sind. Auf Bergesruh haben sich Schergen Warunks eingenistet. Ein Umstand, den ich beseitigen will - und mithin auch der Grund meines Besuches."

Wieder folgte eine kurze Pause, in der Aldron Wallbrord fest ansah. "Nach dem Ende des kommenden Winters ist mein Plan, einen Angriff zu führen und Arvepaß zumindest von Warunkschen zu säubern. Ich wollte euch davon vorab unterrichten, damit ihr euch vorbereiten könnt. Und vielleicht lassen sich gemeinsame Anstrengungen vornehmen."

Aufmerksam hatte der einstige Marschall den Ausführungen seines Gegenübers zugehört, um, nach einer kurzen Denkpause und einem tiefen Zug aus seinem Krug, seinerseits das Wort zu ergreifen.

"Das der Arvepaß derzeit sicher ist, sofern man in solchen Zeiten sich überhaupt über etwas sicher sein kann, höre ich gerne und ich bin auch zuversichtlich, daß Ihr, werter Aldron, und die Truppen in Eurem Lehen auch zukünftig diese Sicherheit werden gewährleisten können, zumal der Feind - den Zwölfen sei's gedankt, in den Kämpfen der vergangenen Götterläufe kräftig Federn lassen mußte."

Wallbrord machte erneut eine kleine Pause und fuhr dann, nun etwas nachdenklicher wirkend, fort: "Ihr habt mir gegenüber zwei große Vorteile, Hochgeboren: Eine doch recht beachtliche Streitmacht in Eurem Rücken sowie sehr gute Kenntnisse und Kontakte zu Land und Leuten der Region. Beides fehlt mir, liegen meine Wurzeln und Verbindungen doch in Weiden und den Nordmarken, aber nur sehr begrenzt in Darpatien, von dieser Ecke der einstigen Provinz ganz zu schweigen. Und ob der Feind nun über die Küste oder die Berge in Vellberg einfiele, bliebe sich letztlich gleich, denn wie ich schon erwähnte, sind meine Kräfte bedauerlicherweise viel zu schwach, um einen auch nur halbwegs ernsthaft vorgetragenen Angriff des Feindes abzuwehren; traurig, aber leider wahr. Auf jeden Fall bin ich Euch zu Dank verpflichtet, daß Ihr mir einen kurzen Überblick über die militärische Lage der Region gabt, allein hätte ich diese Erkenntnisse aus bereits erwähnten Gründen so nicht gewinnen können."

Hatte Wallbrord zuletzt mehr und mehr resigniert geklungen, so wechselten Stimme und Haltung radikal, als er sich zu Aldrons Angriffsplan äußerte. "Euer Plan ist sehr kühn, Herr Aldron. Kühn, aber durchaus erfolgversprechend. Selbstverständlich werde ich mich entsprechend darauf vorbereiten und Euch im Rahmen meiner Möglichkeiten jedwede Unterstützung angedeihen lassen. Was genau ich Euch an Gütern und Streitern zur Seite stellen kann, vermag ich nicht zu sagen, aber seid gewiß, daß ich da keine halben Sachen machen werde. Vielleicht könnten wir auch die alte Efferdane - die Baronin zu Bergthann - für Euer Vorhaben gewinnen; ich kann mir nicht vorstellen, warum sie Euch ihre Unterstützung verweigern sollte. Dann bliebe fürs Erste nur noch zu klären, wie Ihr Euch Euren Feldzug nun genau vorstellt."

Fragend aber sichtlich neugierig schaute der Baron sein Gegenüber an.

"Die Einzelheiten ergeben sich im Frühjahr. Jetzt schon detailliert zu planen erachte ich als unsinnig. Im Frühjahr werden wir anhand der neuesten Berichte nach der Schneeschmelze handeln. Sollte sich nichts wesentlich geändert werden, wird mein erster Stoß von Hagenshain die Rocke hinauf führen gen Bergesruh, um das Gut zurückzugewinnen." Aldron ballte die Hand vor Entschlossenheit kurz zur Faust, entspannte sich dann wieder und nickte Wallbrord zu. "Die Bergthannerin werde ich beizeiten auch unterrichten. Doch vermute ich nicht, daß von dort sonderlich viel Unterstützung zu erwarten ist. Vielleicht gelingt es euch ja, die Meadronach für euch zu gewinnen, auch wenn es mir eine wahre Geronsaufgabe zu sein scheint. In der Vergangenheit haben sich diese Klansluit eher darauf verlegt gehabt, die Versorgung des Arvepasses zu stören und sie sind auch nicht sonderlich freundlich gegenüber den Erlgrimman eingestellt. Wenn es euch gelingt, dann aber habt ihr im Norden eurer Baronie wertvolle Verbündete und meinen tiefen Respekt gewonnen."

Andere hätten an dieser Stelle vielleicht geschmunzelt, nicht jedoch der ehemals fürstliche Crongewaltvogt, dessen Miene recht unbewegt und ernst blieb. "Ich werde Nachricht nach Devensberg senden. Wenn des Feindes Aufmerksamkeit geteilt wird, kann das nur von Vorteil sein für unsere Pläne."

Unbewegt doch gleichsam hochkonzentriert verfolgte Wallbrord die weiteren Ausführungen seines Gegenübers, nicht wenig beeindruckt von dessen Entschlossenheit das Gut Bergesuh - oder was davon noch übrig sein mochte - zurückzugewinnen. Als Aldron geendet hatte, war es an dem einstigen Marschall, das Wort zu ergreifen.

"Nun denn, da habt ihr euch einiges vorgenommen; eine ehrgeizige, aber in meinen Augen durchaus erfüllbare Zielsetzung. Ich stimme euch zu, Frau Efferdane für euer Unternehmen zu gewinnen, respektive nennenswerte Unterstützung von ihr zu erhalten, mag, so wie ich sie bisher kennenlernte, nicht einfach werden, aber einen Versuch ist es allemal wert. Was diese Meadronach", dem Baron war deutlich anzumerken, daß er mit den verschiedenen Klans droben in den Trollzacken immer noch wenig bis gar nichts anzufangen wußte, "angeht, so werde ich einen mit den Sitten und Gebräuchen der hiesigen Bergvölker vertrauten und gleichermaßen zuverlässigen Bediensteten als Unterhändler zu ihnen schicken, vielleicht läßt sich ja wider Erwarten doch eine Übereinkunft erzielen und wenn ich dafür notfalls direkt mit diesen Leuten in Kontakt treten muß", schloß Wallbrord mit säuerlicher Mine. "Es wäre jedenfalls töricht, es nicht zumindest versucht zu haben, zumal ich in der militärisch prekären Lage, in der sich mein Lehen befindet, auch kaum eine andere Wahl haben dürfte." Nach einem weiteren Schluck aus seinem Krug fuhr er fort: "Eure Idee, eine entsprechende Nachricht nach Devensberg zu diesem neuen Baron Corvinius - warum eigentlich nicht zum Markgrafen? - zu senden, mag sich als kluger Garadanzug erweisen, vorausgesetzt, der Feind wie auch die Golgariten lassen sich auf euren Plan ein. Und ohne beide Gruppen in einem Topf werfen zu wollen, erscheinen mir beide doch gleichermaßen schwer zu durchschauen und damit einzuschätzen."

Nachdenklich blickte der Baron nach diesen letzten Worten seinem Gast in die Augen.

Aldron nickte zustimmend. "Sind sie. Es scheint mir dennoch erfolgversprechend. Und auch wenn der Markgraf nicht mitzieht, rechne ich dennoch mit Erfolg. Unterrichten werde ich ihn, gleich, ob er nun noch in Devensberg oder doch wieder auf Mersingen zu finden ist. Seine Hochwohlgeboren mögen dann entscheiden, wie es Boron beliebt. Wir werden in jedem Fall wieder Rondra an unserer Seite wissen. Ich habe auch vor zum Gedenken an die Schlacht vor vier Jahren, der Leuin zu Ehr, ein Turnier zu geben am Jahrestag und danach erst loszuschlagen. Vielleicht läßt sich der eine oder andere Kämpfer noch dazugewinnen. IN jedem Fall aber verbirgt es die Absicht." Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu. "Ihr seid natürlich geladen. Und mit eurer Erlaubnis werde ich auch an die Edlen von Westhang und Mespelbrück diese Einladung antragen, bevor ich wieder zurückkehre an den Paß."

Der Baron folgte Aldrons Ausführungen auch weiterhin mit großer Aufmerksamkeit, bevor er dann selbst wieder das Wort ergriff.

"Ich denke genau wie ihr, daß die Sturmherrin Eurem Vorhaben ganz gewiß nicht ihren Segen verwehren wird, bedenkt man, wofür, respektive wogegen ihr zu Felde zu ziehen gedenkt. Und Markgraf Gernot mit seinen Golgariten mag uns beistehen oder nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich diesem Feldzug entgegenstellte. So wie ich das mitbekomme, hat der Mann jetzt schon inner- wie außerhalb seines Lehens kaum Freunde oder Verbündete, sieht man von seinen Ordensleuten ab. Da wird er schon allein aus politischen Gründen - was ihn sonst noch bewegt, vermag ich nicht zu sagen - kaum wagen, euer Vorhaben nicht zumindest zu akzeptieren, wenn nicht gar direkt zu unterstützen. Letzteres machte ja auch militärisch Sinn, denn ein Sieg am Arvepaß verminderte auch den Druck an der Trollpforte, da der Feind dann seine Kräfte umdisponieren müßte.

Die Idee mit dem Turnier gefällt mir sehr, ich denke immer noch recht gern an das in Wehrheim vor vier Jahren zurück. Mit einer solchen Veranstaltung gewönne man in der Tat den einen oder anderen zusätzlichen Streiter und verhehlte den bevorstehenden Kriegszug zumindest eine Zeit lang. Ich sehe, ihr habt eure Unternehmung sehr gut durchdacht und geplant", schloß Wallbrord mit anerkennender Miene.

Nach einem weiteren Schluck aus seinem Krug fuhr der einstige Marschall fort: "Habt Dank für die Einladung zur Turnei, welche ich gerne annehme. Selbstverständlich habt ihr auch meine Erlaubnis, Hochgeboren, die Edlen meiner Baronie gleichfalls dazu zu laden."

"Die nächste Schneeschmelze steht also im Zeichen Rondras." Aldron nickte einmal zufrieden und ließ sich in seinem Stuhl etwas zurücksinken. Er war recht zufrieden mit dem Verlauf des Gespräches. Bislang hatte er mit Wallbrord nicht viel außerhalb der Turnierschranken zu tun gehabt. Aber im Gespräch mit dem neuen Baron von Vellberg hatte er den Eindruck gewonnen, mit ihm gut zusammenarbeiten zu können. Nun hieß es nur noch den Winter zur Vorbereitung zu nutzen.

Das Gespräch der beiden wandte sich wieder allgemeineren Themen zu, doch nachdem noch kurz die Wehrhaftigkeit des Mallvensteins diskutiert wurde, verlor sich der Elan der Unterhaltung allmählich und irgendwann verabschiedete sich der Gast mit Hinweis auf einen anstrengenden Ritt zur Nachtruhe.



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Texte der Hauptreihe:
10. Tra 1030 BF zur abendlichen Hesindestunde
Ein kühner Plan
Ein herbstlicher Besuch


Kapitel 3

Wieder auf der Arveburg