Geschichten:Frühlingssturm - Am unteren Ende der Tafel

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Die grobe Reisekleidung war schließlich gegen eine dem festlichen Anlass entsprechendere Garderobe getauscht. Statt langem Mantel und festem Lederwams trug der Ritter von Fuchsbach nun ein dunkelblaues knielanges Wams, an dessen Kragen und Säumen zwei Finger breite Stickereien mit Silberfaden angebracht waren. Fredemar hatte die Schlammbespritzten Stiefel noch einmal kräftig polieren müssen, bevor Dankward auch ihn entließ. Wehrgehänge und Schwert ließ er in der ihm zugewiesenen Kammer und behielt nur Dolch und Essmesser im Gürtel, als er sich in Begleitung eines Bediensteten auf den Weg zum hohen Saal machte.

Als der Ritter von Fuchsbach eintrat, nahmen nur Wenige Notiz von ihm. Er sah, wie ihn ein korpulenter Kerl in den Farben des markgräflich perricum’schen Gardebanners kurz anstarrte und sich zu seiner ebenso gewandeten Nachbarin hinüberbeugte. Diese drehte sich kurz um, ihn zu mustern, wandte dann aber wie angewidert den Kopf ab. Das Starren auf sein von den Zorganpocken verunstaltetes Gesicht kannte Dankward zur Genüge und die Zeit hatte ihn gelehrt, es zu ignorieren.

Neben dem Eingang blieb er kurz stehen und überflog die Anwesenden mit den Augen. Unweigerlich blieb sein Blick an dem Troll hängen. Noch nie hatte er solch eine Kreatur gesehen, nur von ihnen gelesen oder aus den Erzählungen anderer gehört, so dass der riesenhafte Baron von Trollnase die Neugier des Ritters weckte. Aber das würde Zeit bis später haben. Wirklich bekannte Gesichter konnte er keine ausmachen: die Edle Morgause von Rabenmund kannte er nur vom Sehen her, ebenso wie den Gastgeber und den Baron von Vellberg. Ein weiterer Ritter erinnerte Dankward dem Aussehen nach an den Edlen Bernfried zu Caboschon, so dass er den Mann für einen Sturmfelser hielt. Dann waren da noch der Greifensteiner und die Ritterin von Seehof.

Schließlich suchte der Fuchsbacher nach einem Platz bei seinen Standesgenossen am unteren Ende der Tafel.

„Ist’s gestattet?“ wandte er sich schließlich an den jungen Ritter von Tychill-Dur und ließ sich nieder.

„Dankward von Fuchsbach ist mein Name. Verzeiht, wenn ich frage, aber ich sah Euch vorhin in Begleitung des hohen Herrn dort vorn eintreffen.“ Er deutete in Richtung Connars von Mees-Mersingen. „Wäret Ihr so freundlich mir sagen, wer er ist?“

Der Angesprochene erhob sich halb und grüßte Dankward mit der Faust über dem Herzen und einem Nicken. "Aber ja, setzt Euch nur. Crevan Falconor von Tichyll-Dur, Ritter von Wildenstein, ist mein Name und gerne beantworte ich Eure Frage. Dies dort ist der hochgeborene Herr Connar von Mees-Mersingen."

"Ah, dann will ich mich gleich anschließen", erklang es fast ein wenig gehetzt in Dankwards Rücken. Gewandet in edlen Samt kräftiger blauer Färbung, gesellte sich nun ein recht ansehnliche Endzwanziger hinzu. Das Braune Haar in einem straffen Zopf gebändigt und am sparsam verzierten Gürtel allein einen Zierdolch, bot Korobar von Alverandwind-Dutlingen einen Anblick, wie er einem Landadligen wohl zu Gesichte stand. "Korobar Answin von Alveranswind-Dutlingen bin ich und erbitte ebenfalls die Gunst, hier Platz nehmen zu dürfen. Rondra zum Gruße, Hoher Herr, Mirl, Crevan!" Letztere schien der Ritter aus Vellberg durchaus besser zu kennen, ein warmes Lächeln begleitete seine Worte.

Der Ritter von Fuchsbach erwiderte den Gruß des Alveranswind-Dutlingers und rückte ein Stück zur Seite, damit der auch Platz an der Tafel fand.

Dankwards Gesicht hellte sich beim Klang der vom Wildensteiner genannten Namen sichtlich auf: „Es ist mir eine große Ehre, Herr von Tychill-Dur! Wenngleich Ihr mich nicht kennt, habe ich doch schon einiges über Euch und den hohen Herrn von Mees-Mersingen gehört. Meine Nichte hingegen, Stemma von Fuchsbach, könnte Euch vielleicht noch in Erinnerung sein. Immer wenn sie von Euch sprach, war sie voll des Lobes. Vor ungefähr zwei Jahren habt Ihr sie in der Nähe von Neufelden getroffen, als gerade die Neidenwein-Seidenmein in Neuborn ihr Unwesen trieb.“

Crevan runzelte kurz die Stirn und seine graugrünen Augen verloren sich sinnend in unbestimmten Fernen, dann begann er unvermittelt zu lächeln. Sacht nickte er und strich die langen, rotbraunen Haare über eine Schulter. "Ihr ehrt mich und mit mir meinen hochverehrten Schwertvater, Hoher Herr. Habt Dank, für Eure freundlichen Worte. Ich erinnere mich gut an eure Nichte und daran, wie wir Seite an Seite gekämpft haben. Auch ich kann nur lobende Worte für Eure Verwandte finden, bestellt Ihr doch bitte meine besten Grüße, wenn Ihr sie wieder seht."

„Gerne richte ich Eure Grüße aus, hoher Herr. Wenngleich es noch ein wenig dauern wird, bis ich sie treffen kann. Stemma befindet sich derzeit in Knappenschaft oben in Gorbingen.“

Der junge Ritter neigte einmal mehr respektvoll das Haupt, wandte sich dann aber halb seiner Sitznachbarin zu. "Erlaubt nun auch, dass ich Euch die Tochter des Herrn Connar vorstelle: Mir ...," Kaum merklich zögerte er, runzelte kurz die Stirn und setzte neu an. "Mirl von Mees-Mersingen, Edle von Lucranns End und Rapphaardt, Ritterin von Rommilys und Schwerttochter der am Haupt der Tafel zu sitzen gekommenen Schwertschwester zu Lohenharsch."

"Rondra zum Gruße, Korobar", alldieweil Crevan sich mit dem Fuchsbacher über dessen Nichte austauschte, wandte Mirl sich dem nunmehr anverwandten Nachbarn zu und hieß ihn mit dem Kriegergruß willkommen, "Welche Freude, Euch hier zu sehen und was für eine Überraschung. Hätten wir nur gewusst, dass Ihr den Weg zum Pass ebenfalls in Angriff nehmen würdet ... wir hätten doch zusammen reisen können." Mit einem schuldbewussten Lächeln suchte sie ihr Gegenüber milde zu stimmen. Noch bevor sie in ihrer Rede fortfahren konnte, bemerkte sie allerdings, dass die Aufmerksamkeit Crevans und des Fuchsbachers sich auf sie verlagert hatten.

So vertröstete sie Korobar mit einer entschuldigenden Geste auf später und wandte sich dem Adeligen aus der Traviamark zu. Der Vorstellung Crevans lauschte die Mees-Mersingen mit aufmerksamer Miene und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als dieser über ihren Namen stolperte. Erst als er mit den Titeln fortfuhr und schließlich ihre Schwertmutter beim Namen nannte, schwand das Lächeln von den Lippen der Edlen und sie mühte sich um einen etwas ernsthafteren und vor allem würdevolleren Gesichtsausdruck.

"Rondra zum Gruße, Hoher Herr. Es ist mir eine Ehre und eine Freude, Euch kennen lernen zu dürfen", sie neigte das Haupt und wirkte in der Tat vollkommen gefasst – durch und durch Edelfrau –, als sie wieder aufblickte. Allein das amüsierte Blitzen in ihren Augen verriet noch den Schalk, der ihr im Nacken saß, "Auch ich möchte mich für die Ehre bedanken, die Ihr meinem wohlgeborenen Herrn Vater mit Euren Worten zuteil werden ließt."

Als der Ritter von Tychill-Dur die Tochter Connars von Mees-Mersingen vorstellte, nickte ihr Dankward von Fuchsbach ernst zu: „Die Ehre Eures Herrn Vaters liegt in seinen Taten begründet, Wohlgeborene Dame. Meine Worte können dem nichts hinzufügen, sondern lediglich Zeugnis davon ablegen.“ Er zögerte kurz. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht und er sagte freundlicher: „Umso mehr freut es mich, Eure Bekanntschaft zu machen.“

"Wohl gesprochen, Hoher Herr", abermals neigte die Mees-Mersingen ihr Haupt – anerkennend diesmal – und erwiderte das Lächeln des Fuchsbachers mit funkelnden Augen, "Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Drum will ich mich setzen, ohne große Worte zu machen." Damit schickte sie sich als letzte der Ritter und Edlen an, wieder Platz zu nehmen – jedoch nicht ohne Crevan zuvor ein überaus dankbares Lächeln zu schenken. Sie hatte sich allerdings noch nicht ganz gesetzt, als sie der eben den Saal betretenden Greifensteiner ansichtig wurde und sofort wieder in die Höhe schnellte, um diese mit der Schwertfaust auf dem Herzen zu begrüßen.

Alrik und Leomar von Greifenstein betraten den Saal. Beide waren in edle Kleidung gewandt und über ihrem Herzen prangte das Wappen derer von Greifenstein. Allerdings trug Alrik, im Gegensatz zu seinem Neffen, sein Schwert an der linken Hüfte. Die beiden schauten sich erst mal aufmerksam im Saal um, wer denn schon da war, dabei viel beiden als aller erstes der Troll ins Auge, der schwerlich zu übersehen war. „Mach den Mund zu, Leomar", kam der strenge Befehl von Alrik, der sofort befolgt wurde. Der Onkel Leomars setzte ein Lächeln auf, als Mirl, die er von der Pferdeschau auf Gut Eibensee kannte, sah und steuerte auf den Teil des Tisches, wo diese und auch Dankward saßen, zu. „Seid gegrüßt, Edle von Lucranns End", mit diesen Worten setzte er sich gegenüber von der Edlen auf den Stuhl, „schön euch wieder zu sehen. Ich hoffe, eure Rückreise von der Pferdeschau ist nicht zu beschwerlich gewesen…" Die anderen Anwesenden grüßte er erst mal nur mit einem Nicken.

"Den Göttern zum Gruße, Hoher Herr", zeitgleich mit dem Alrik ließ sie sich nun endlich auf ihren Stuhl sinken und lächelte dem Ritter freundlich zu, "Nein, ich kann nicht klagen. Die Rückreise ist so verlaufen, wie man es von einer Reise in der Wildermark erwarten würde. Es ist mir dennoch gelungen die Rapphaardter Rösser unbeschadet zurück in die heimatliche Ställe zu bringen. Und das ist alles, was zählt."

Hakon der ganz in der Nähe saß, hatte das Kommen und gehen bisher eher gelangweilt beobachtet. Ab und an ein Nicken oder kurzer Gruß, wenn ein bekanntes Gesicht im Saal erschien. Nun wandt er sich aber der Mees-Mersingerin zu. "Verzeiht, wenn ich mich in Euer Gespräch einmische, Wohlgeboren. Hakon von Sturmfels, seit kurzem 1. Markgräflicher Flusskapitän und Beauftragter zur Sicherung des Darpat." Stellte der Seeritter sich kurz vor, kannte er doch die meisten der Anwesenden nicht oder nur dem Namen nach. Sein Verhalten mochte nicht das höflichste sein, doch vielleicht würde er endlich einmal wieder etwas von seiner Familie erfahren. "Doch wie steht es um meine Heimat, die Grafschaft Wehrheim? Wie um Vater und Bruder, die wie Ihr in den Landen Rappenfluhes leben. Es ist lange her, daß ich Nachricht von Ihnen vernommen habe."

"Hakon von Sturmfels", die Regeln der Etikette getrost missachtend, da sie wahrlich nicht Willens war, schon wieder von ihrem Stuhl aufzuspringen, nickte die Mees-Mersingen dem Flusskapitän bloß grüßend zu, "Ich habe schon von Euch gehört." Ein zurückhaltendes Lächeln schlich sich auf die Lippen der jungen Adligen, derweil sie den Sturmfelser etwas genauer in Augenschein nahm. "Hocherfreut", sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr gleich fort, "Um die Grafschaft Wehrheim steht es nach wie vor nicht sonderlich gut – oder jedenfalls nicht so gut, dass irgendein Rechtgläubiger sich guten gewissens mit ihrem Zustand zufrieden geben könnte. Wir tun was wir können und versuchen uns mit dem zu Arrangieren, was wir nicht zu ändern vermögen."

Sie überlegte kurz und nutzte die Gelegenheit auch gleich dazu, nach ihrem Weinbecher zu greifen. "Als ich Euren Vater und Euren Bruder das letzte Mal gesehen habe, erfreuten beide sich bester Gesundheit. Gleiches gilt auch für Eure Schwägerin. Ich fürchte jedoch, dass ich Euch sonst nichts Neues zu berichten habe." Mit fragend gehobenen brauen wandte sie sich sodann an Crevan von Tichyll-Dur. "Oder gibt es noch etwas zu berichten, das ich jetzt vergessen habe?", mit einer fahrigen Geste strich sie sich ein paar verirrte Locken aus der Stirn und lächelte entschuldigend, "Für möglich hielte ich es jedenfalls..."

"Nun, ich denke, das hängt vom Wissensstand des hohen Herrn ab." Crevan erhob sich halb, während er sich vorstellte. "Aber ich nehme doch an, dass Ihr darum weißt, dass Ihr im letzten Ingerimm Onkel eines hübschen Mädchens geworden seid? Das dürfte die größte Neuigkeit sein, die wir zu berichten hätten, denke ich."

"Und ich hoffe der kleinen Firuna nur ein halb so guter Oheim zu sein, wie es der meine war." Für ihn war Wallwin immer das Idealbild eines Ritters gewesen. Er wußte, daß er dies niemals sein würde. Wer konnte überhaupt sagen, wann er seine Nichte das erste Mal sehen würde. "Aber keine schlechten Nachrichten zu haben, das ist doch schon eine gute Nachricht."

Hakon winkte einen der Bediensteten herbei, während er fortfuhr. "Grund genug unsere Becher zu heben. Auf die Grafschaft Wehrheim, möge sie bald wieder in altem Glanz erstrahlen!"

"Auf Wehrheim ...", Mirl griff ebenfalls nach ihremWeinglas und prostete dem Sturmfelser mit einemknappen Nicken zu, "... wie es einst war und wieder sein wird."

"Auf die alte Grafschaft und auf das Fürstentum, in dem sie liegt. Auf Darpatien." Ergänzte Crevan mit leiser, aber entschiedener Stimme und schob ein inniges "Gloria", nach.



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Texte der Hauptreihe:
4. Ing 1030 BF zur abendlichen Tsastunde
Am unteren Ende der Tafel
Die Gäste begeben sich an die Tafel


Kapitel 28

Das Schwert der Schwerter zieht ein
Autor:?