Geschichten:Erlenstammer Hofgeschichten - Teil 5

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Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Die Tür flog auf, und es trat eine der Mägde ein, mit einem Fleischermesser in der Hand. Sie zitterte am ganzen Körper vor Wut aber auch vor Angst. "Du Schwein" rief sie, "Du hast mir die Liebe Deines Lebens versprochen, ich trage Dein Kind unter dem Herzen, und nun das?" Luigi rief nur noch: "Alma, es ist nicht, wie du denkst!" Doch noch bevor er oder Alissa etwas unternehmen konnten, sprang die Magd auf den Liebfelder und stach pausenlos mit dem Messer auf ihn ein, bis er in einem Meer von Blut reglos liegen blieb. Dann rammte sie sich das Messer selber in die Brust und sackte vor Alissa zusammen.

Alissa schossen tausend Gedanken durch den Kopf und sie konnte gar nicht so recht fassen, was da gerade passiert war. Benommen stand sie auf und taumelte durch die Gänge, bis sie vor der Kammer ihrer Tante angekommen war. Sie klopfte an die Tür, trat ein ohne eine Antwort abzuwarten und sagte völlig neben sich stehend: "Liebste Tante, wir haben ein Problem."

"Um Himmelswillen, was ist denn los, Kind?" rief die Baronin aus, als sie ihre Nichte halbnackt und blutverschmiert in der Türe stehen sah. Alissa liess sich zunächst nur auf das Sofa sinken. Draussen waren bereits Schreie und Stimmen der Burgwachen zu hören. Ein Gardist lugte ganz verschreckt und ausser Atem schnell rein und rief: "Die Köchin Alma hat den Dottore niedergestochen und sich dann selber umgebracht. Aber er lebt noch! Der Medicus kümmert sich um ihn." Dann verschwand er wieder. "Dieses dumme Weib!" murmelte die Baronin leise, und wandte sich dann wieder ihrer Nichte zu, um zu sehen, ob sie verletzt war.

Das Gesicht immer noch starr vor Schreck, liefen Alissa Tränen über die Wangen. Ohne die kleinste Regung erklärte sie ihrer Tante, was in dem Kaminzimmer vor sich gegangen war. "Und plötzlich kam dann Alma herein. Sie stach den Dottore nieder, um gleich daraufhin sich selbst das Leben zu nehmen. Ich dachte wirklich, dass sie, nachdem sie mit Luigi fertig war, auch noch auf mich losgehen würde. Ich dachte tatsächlich, mein letztes Stündlein hat geschlagen." Alissa starrte immer noch totenblass im Gesicht auf den Boden und verkrampfte ihre Hände in einander. Sie war immer noch völlig neben sich und konnte noch immer nicht ganz begreifen, was gerade passiert war.

Die Baronin nahm Alissa in den Arm, um sie zu trösten, und murmelte weiter vor sich hin: "Dummes Weib, ich hätte Gedacht, sie hat mehr Verstand. Jetzt wird ihr Kind das Licht der Welt nie erblicken, nur weil sie so unüberlegt gehandelt hat ... und Dich so verschreckte. Lass uns zu Peraine beten, dass Luigi überlebt." Sie fasste Alissa noch fester, und während diese noch starr vor Entsetzen da sass, begann die Baronin, ein längeres Gebet zu Peraine aufzusagen.

Die Baronin sprach so ruhig und bedächtig das Gebet, dass Alissa langsam die Fassung wiedergewann. Leise betete sie mit ihrer Tante. Beide Frauen murmelten leise vor sich hin, das Gebet berührte Alissas Seele und sie fühlte sich besser. Ihre Gedanken kreisten noch immer um die Geschehnisse von gerade eben, aber etwas machte Alissa nach einiger Überlegung doch stutzig. Woher wusste ihre Tante von Almas Schwangerschaft?

Als sie fertig waren, schaute die Baronin ihre Nichte liebevoll an, strich ihr über den Kopf und meinte, es sei schön zu sehen, dass es ihr wieder besser gehe. Alissa nickte, und fragte dann leise: "Du hast gewusst, dass Alma schwanger war?" Die Baronin nickte: "Alma war schlau genug zu wissen, dass sie Probleme bekommen könnte deswegen, und sie zog es vor, es mir offen zu beichten. Ich habe ihren Mut honoriert und ihr zugesagt, sie zu unterstützen. Sie hatte mir auch gesagt, dass Luigi der Vater war. Ich überlegte, ob ich es Dir sagen sollte, aber dann dachte ich, dass Du eine erwachsene Frau bist und selber entscheiden kannst, und dass Du Deine Erfahrungen selber machen musst" sie hielt kurz inne, dann fuhr sie mit einem Lächeln fort: "und dann hätte ich Dir auch wohl sagen müssen, dass ich selber von Luigi in freudiger Erwartung bin. Und dafür hielt ich die Zeit noch nicht gekommen." Mit diesen Worten strich sie sich über das kleine Bäuchlein, das unter ihren wallenden Gewändern bisher nicht erkennbar gewesen war.