Geschichten:Ein neuer Knappe für Hartsteen - Teil 1

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

16. Peraine 1029 BF; Markherrlich Neufelden/Neuborn

Das erste Grau des Morgens reichte noch nicht aus, die nächtlichen Schatten zu vertreiben, als sich Helmar und Gemma von Fuchsbach herunter auf den Gutshof begaben. Pferdeknechte eilten im spärlichen Fackellicht umher, sattelten Rösser und verschnürten Gepäck. Helmar schaute sich suchend um und nickte dann Aljasha zu, die bereits zu Rosse saß und schweigend nahe am Tor wartete. Er wusste, dass sie Redwic sicher nach Oberhartsteen bringen würde. Dann entdeckte er Freder und Redwic. Sie kamen die Stufen zur Galerie hinab – wahrscheinlich hatte sich Redwic von Mutter Friedegunde verabschiedet, die so schwach war, dass sie kaum noch aus ihrer Kammer kam. Freder, der Ältere und in den Novizenhabit der Traviakirche gekleidet, stützte sich beim Abstieg auf die Schulter des Jüngern und redete leise mit ihm.

Der humpelnde Gang seines älteren Sohnes erinnerte Helmar wiederum schmerzlich an die Fehde mit der Mersingen. Einer ihrer Leute hatte Freder niedergeritten und ein Huf das Knie zerschmettert - ein Wunder dass er überhaupt noch laufen konnte.

Auch Gemma hatte die beiden entdeckt und ging schnurstracks auf sie zu, bevor Helmar sie zurückhalten konnte. Nickend beantwortete er die Morgengrüße seiner Bediensteten und folgte seiner Frau.

„Redwic mein Junge…“. Gemmas Stimme wollte schier versagen. Helmar wusste, dass seine Frau gerne mehr Zeit mit ihrem Jüngsten verbracht hätte. Aber das Hochwasser war vorüber und es gab eigentlich keinen weiteren Grund, Redwic nicht Luidor von Hartsteen vorzustellen. Gemma drückte ihren Sohn lange, während ihr Tränen über das Gesicht liefen. Helmar bemerkte, dass Redwic ein wenig beschämt dreinschaute. Der meinte schließlich: „Vater hat Hochwohlgeboren Luidor von Hartsteen erzählt, dass ich an keinerlei körperlichen Gebrechen litte. Wenn du mich aber weiter so drückst, wird er vom Hartsteener noch der Lüge bezichtigt.“

Bengel! dachte der Vogt von Neufelden. Ein kurzer Blick zu Freder hinüber zeigte ihm dass der gedankenlose Seitenhieb gesessen hatte: Freders Gesicht versteinerte. Gleichwohl sah Helmar, dass sich seine Frau ein wenig beruhigte und Redwic losließ.

„Ich werde dir schreiben, so oft ich kann und darf.“

Während sie Redwic über die Wange strich und damit für eine weitere Rotfärbung von Ohren und Wangen sorgte, meinte Gemma: „Und vorerst werde ich damit wohl zufrieden sein müssen.“

„An deiner Stelle würde ich deiner Mutter nicht zu viele Versprechungen machen, Redwic. Hochgeboren Luidor ist ein strenger Mann. Wahrscheinlich wirst du dich abends danach sehnen, ins Bett zu kommen, anstatt noch einen Brief zu schreiben. Zumal ich leicht eifersüchtig werden könnte, wenn hier dauernd Briefe an meine Frau eintreffen.“

„Aber Vater, die hohe Minne ist doch nicht verboten, oder?“

„Na gut….“ Helmar zwinkerte seinem Sohn zu. „Aber vergiss nicht neben dem Lobpreis der Herrin deines Herzens auch von deinen Taten auf dem Weg zum Rittertum zu berichten.“

„Keine Sorge Vater. Du wirst der erste sein, der von solchen Dingen erfährt.“

„So ist’s recht, mein Sohn.“ Helmar klopfte ihm auf die Schulter.

Ein Pferdeknecht meldete, dass die Reisevorbereitungen abgeschlossen wären. Die vier gingen zu den Pferden und Redwic stieg in den Sattel.

Da nahm Helmar Redwic noch einmal zur Seite: „Redwic. Es wäre eine hohe Ehre für unsere Familie, wenn Luidor dich nach einer Prüfung zum Knappen nähme. Ich weiß nicht, welche Aufgaben er dir stellen wird, aber ich weiß, dass die Götter dich mit einem wachen Verstand gesegnet haben. Selbst wenn seine Hochgeboren dich nicht aufnimmt, verzweifle nicht. Über allem jedoch vergiss nicht, dass Rittertum nicht nur aus Kampf und Minne besteht, sondern vor allem aus Verantwortungsbewusstsein und Götterfurcht. Erforsche stets dein Innerstes und suche Zwiesprache mit den Alveranischen. Nur so kann man zum wahren Ritter werden. Und nun, mach dich auf den Weg. Der Hartsteener wird ein guter Lehrmeister sein, sei ihm ein ebenso guter Schüler. Möge Travia dich behüten und Rondra mit dir sein.“

„Ich werde daran denken, Vater.“

„Eine Sache noch Redwic…. Dein Onkel bat mich, dir etwas von ihm zu geben, falls er noch nicht wieder aus Zapfenschlag zurück ist, wenn du aufbrichst. Hier ist es.“ Helmar zog ein kleines Bündel hervor und reichte es seinem Sohn hinauf. Redwic nahm das Bündel und stopfte es in seine Tasche. „Und jetzt … fort mit euch, Aves befohlen!“ rief Helmar laut und gab Redwics Ross einen Klaps. „Sonst stehen wir zur Praiosstunde immer noch hier.“ Eine Magd öffnete das Tor und die kleine Reisegesellschaft setzte sich in Bewegung, hinein in den anbrechenden Tag.



 20px|link=[[Kategorie:|Die Abbreise aus Neufelden]]
16. Per 1029 BF
Die Abbreise aus Neufelden


Kapitel 1

Auf der Reise