Geschichten:Ein Stützpunkt für Wasserburg - Flottenangelegenheiten: Weisheit alter Tage

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Dienstzimmer der Führung der Kaiserlich Perricumer Flottenakademie - Reichsstadt Perricum, Efferdgrund am Abend des 13. PER 1042 BF
Schon die schnellen schweren Schritte auf dem knarzenden Holzboden vor seinem Dienstzimmer rissen den alten Seebären aus seiner Konzentration. Dem Gang nach zu urteilen war das nicht Alrico und einen Kadetten hatte er heute auch nicht zu sich bestellt. Oder? Sein Blick schnellte eilig zur Holztafel an die ein Wust aus Notizen angeheftet war. Dann klopfte es auch schon, schnell und laut.
Das musste jemand mit Schneid sein.
Über die vielen Jahre die er mit allen möglichen werdenden und fertigen Offizieren verbracht hatte, hatte er ein Gefühl für so etwas bekommen.
Er strich sich über den Kaiser-Alrik-Bart und schaute gespannt auf die golden beschlagene Holztür.
“Herein!”

Als die Tür aufging musste er grinsen.
Er hatte wieder einmal Recht gehabt. In der offenen Tür stand seine Nichte, Yanda von Gerben. Mit einem Ruck zog er das rechte Bein unter dem Tisch hervor und stand mit erhobenen Armen auf.

“Yanda! Komm her, dich habe ich schon wieder viel zu lange nicht mehr gesehen. Wo warst du bei den letzten Treffen im Oktagon?”
Die Kapitänin zog noch im Laufen ihren Hut vom Kopf und drückte sich etwas fester als gewöhnlich an ihren Onkel.

“Onkel, ich weiß nicht mehr weiter. In Perricum ist eine Verschwörung gegen mich im Gange und ich weiß nicht mehr was ich noch tun kann”, echte Verzweiflung lag in der Stimme der Wächterin vom Darpat.

“Hmmh.. Eine Verschwörung gegen dich? Na das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wer könnte denn etwas gegen dich haben?”, väterlich klopfte er Yanda auf den Rücken und wies auf einen der Stühle vor dem massivem dunklem Schreibtisch.
Dieser blieb allerdings unbesetzt. Sichtlich aufgewühlt stellte sich Yanda hinter den Stuhl und stützte sich unstet auf die Lehne.

“Du kannst dich doch sicherlich noch an den Ausbau des Stützpunktes in Wasserburg erinnern.”, fing sie an zu erklären.
Ein sonores Brummen der Zustimmung kam von ihrem Gegenüber.
“Der Herold blockt jegliche Finanzierungsverhandlungen im vornherein ab und obendrein hat er als neuestes Mitglied jetzt auch noch den Anführer des Schmugglerlagers in seinen Beraterkreis aufgenommen. Er heißt Ludrian von der Brücke und macht mir und meiner neuen Kapitänin das Leben zur Niederhölle. Ohne die Unterstützung der Markgrafschaft können wir das Projekt niemals stemmen. Er hat sogar den Wasserburger Stadtrat unter seiner Kontrolle. Wir sollen sogar noch horrende Preise dafür zahlen. Wir müssen diesen Schuft irgendwie entlarven. Ich weiß nur nicht wie ich ihn zu fassen bekommen soll, ohne meinen eigenen Kopf dabei zu riskieren. Er hat viele mächtige Freunde, sogar der Herold und mein eigener Vater gehören zu seinen Verbündeten. Wem kann ich denn überhaupt noch trauen?”, brach es aus Yanda heraus, sie war sichtlich den Tränen nahe.

Sebald maß seine Nichte von Kopf bis Fuß. Gehetzt wirkte sie, verhärmt, verzweifelt und abgekämpft. Aber nicht wie ein Schaf, in die Enge getrieben von einem Rudel Wölfen, sondern eher wie der Wolf selbst, vom Jäger zwar verletzt, aber dennoch angriffslustig.
Doch wie es auch Raubtieren zu eigen war, so wurden sie, wenn sie verletzt und in die Enge getrieben wurden, zwar aggressiver, jedoch versteiften sie sich zu sehr auf einen Weg, der Gefahr zu entrinnen, und das war stets der Angriff.
Dennoch konnten diese Alles-oder-nichts-Manöver dem Wolf entweder das sichere Ende bedeuten, sollte der Jäger ein Erfahrener sein, der lediglich auf eine günstige Gelegenheit für den Todesstoß wartet. Oder aber, überrascht von der natürlichen Urgewalt, von dem angriffslustigen Tier verschreckt werden, was wiederum die Karten der Hatz neu mischen konnte.
Und so kann der Gejagte wieder zum Jäger werden. Durch ein Manöver, mit welchem der Jäger ursprünglich nicht gerechnet hatte. In der Seefahrt war das nicht anders.

Sebald strich sich durch den Bart und lächelte. Es war Zeit, ein solches überraschendes Manöver vorzubereiten.

„Yanda, auf meinen vielen Reisen bin ich, wie könnte es auch anders sein, mit einigen Matrosen und erfahrenen Seebären in Kontakt gekommen. Und was soll ich dir sagen, es braucht keinen parfürmierten, gestriegelten horasischen Akademieabgänger der schönen Künste und auch nicht immer einen Pfaffen, der uns moralisch den Weg erhellen kann. Denn die wichtigsten Lektionen für’s Leben habe ich unter anderem von diesen einfachen, zechenden, fluchenden Seeteufeln gelernt. Und ein Sprichwort habe ich mir zu Eigen gemacht: Jeder kneift den Hintern dicht, wenn er gegen viele ficht!“, er machte eine bedeutungsvolle, humoristische Pause, um seine Worte wirken zu lassen, und diese verfehlten tatsächlich ihre Wirkung nicht.

Yanda musste gegen ihren Willen glucksen und ein leises Lächeln stahl sich über ihr Gesicht, während sie sich die Tränen der Wut und Verzweiflung von den Wangen wischte. "Was meinst du damit, Onkel?“

„Ich meine damit, dass du nicht alleine stehen musst und erst recht nicht mit deinem von-Gerben-Dickschädel, so hart er auch sein mag. Das ist dir vielleicht bei jeder Mauer bisher gelungen, aber manchmal...“, Sebald grinste, „...ist es auch durchaus möglich, einfach das Tor zu benutzen.
Sieh her, Kind: Es gilt, den Hochstapler zu entlarven, und das am besten mit der Intention, dass er nicht nur dich in deinen Vorhaben behindern will, sondern den Herold", stellte der Akademieleiter fest.

"Wie ich aus deinen Erzählungen über die Vorkommnisse im Schmugglerlager weiß, war ein junger Baronett kurzzeitig in der Hand des Schmuggleroberhauptes. Du könntest diesen Baronett von Zackenberg für unser Vorhaben dergestalt gewinnen, dass er gegen diesen ominösen Zopfträger aussagt und ihn als den entlarvt, der er ist: ein schäbiger Schmuggler, der sich das Vertrauen des Herolds erschlichen hat. Was ist aussagekräftiger, als ein Personalbeweis?", grinste Sebald seine Nichte an.
"Und wenn wir schon dabei sind, solltest du Nachricht an deine zwei wichtigen Mitstreiter schicken, die mit dir dieses Schmugglerlager ausgehoben haben. Je mehr verschiedene Zeugen deine Version der Geschichte unterstützen, desto besser. Denn niemand will gegen viele fechten, denk‘ an meine jüngst genannte Matrosenweisheit, auch kein Schmugglerkönig!“, schloss Sebald seine Ausführungen mit erhobenem Zeigefinger und einem listigen Zwinkern...