Geschichten:Ehre wem Ehre gebührt? - Teil 2

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Fröhlich und munter tanzten die Fähnchen und Banner im Wind. Allerorten sah man die Wappen und Figuren des Adels. Junker, Edle und Barone - sie alle hatten sich hier in der greifenfurter Mark eingefunden, um der Turney beizuwohnen. Der Turney zu Ehren des zwölften Jubiläums der Befreiung vom schwarzpelzigen Gezücht.

Stimmengewirr klang durch die Gassen, die die zahllosen Zelte und Stände bildeten. Marketender priesen ihre Ware feil, Bauersleute setzten Wetten auf die Teilnehmer der Disziplinen und junge Maiden himmelten die strahlenden Ritter an, die dann und wann über das Gelände schritten.

Eine Windsbraut ergriff das gelbe Banner mit dem schwarzen steigenden Hengst, spielte mit ihm, hielt es fest und entließ es wieder. Darunter, vor dem Zelt, war gerade ein rumpfiger Knecht dabei ein edles Ross, einen Stichrappen, ein echter Brendiltaler, zu pflegen, während zwei weitere Knechte den temperamentvollen Hengst im Auge behielten, damit dieser dem Knecht keinen ernstlichen Schaden zufügte. Kräftig strich derweilen der Knecht mit dem Striegel über das glänzende Fell, unter dem sich starke Muskeln verbargen. Tapferkeit und Eleganz aber auch Wildheit, Unbändigkeit und teilweise intelligente Bosheit strahlte das Roß aus, und Tapferkeit und Kühnheit zeichnete auch seinen Reiter aus. Eslam han Bresh' a Danal aus dem Hause Tu'arek, Baron des perricumer Brendhiltals, stand mit seinem Freund und Nachbarn Simold a Hassal'han Ammayin und dem Baron von Gallstein ganz in der Nähe. Der Baron von Gallstein schien von diversen greifenfurtischen Anekdoten zu erzählen, zumindest wurden Lautfetzen von "blauen Wildsäuen" gefolgt von lautem Lachen vom Wind herübergetragen.

Die Zelte und tüchernen Pavillons der Perricumschen dominierten in ihrer farbigen - schwarzgoldenen - Einträchtigkeit den gesamten Bereich des Lagerplatzes. Es schien wie ein kleines Heerlager aus fernen Landen. Neben den funktionellen Zelten der Raulschen wirkten sie fast verspielt, mit ihren vielen Wimpeln, Baldachinen und den bunten Fransen, die an den Dachplanen herabhingen. Mobiliar, Teppiche und exotische Tiere hatten sie in ihrem riesigen Troß mit sich geführt. Überall waren Stoffbahnen an langen Stecken angebracht und bildeten Gassen innerhalb einer kleinen tulamidischen Stadt, in deren Mitte sich die beiden mächtigen Zelte der nebachotischen Hohen befanden.

Immer wieder hatten die plaudernden Herren, spielerisch um ihre Ehre zu kämpfen, die ihnen anscheinend von der Baroness, der einzigen Frau in dieser Runde, streitig gemacht wurde: "Das ainzigä, was da doch blau warr, wardt ihr, Gallstein," schnitten die Worte der Kadi in die Würde des Garetiers.

Dieser verneigte sich in ihre Richtung. "Wer bin ich, das ich den Worten einer solch bezaubernden Frau widersprechen würde. Doch solltet ihr bedenken daß Blau nun einmal die Farbe des Adels ist und nur bei diesem seine wahre Entsprechung findet. Wir wissen immer, wo wir stehen, daran kann auch der Wein nichts ändern." Er lachte, sein tiefes, dunkles Lachen und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Pokal.

"Yendor," mischte sich Simold kurz ein. "Wo kriegä isch jätzt dän Fischtännadeldufft här?"

Eine versteinerte Miene war die Reaktion des Brendiltalers, der hinter Simolds Rücken dem Gallsteiner hektische und abwehrende Gesten zu vermitteln suchte.

"Was fragst du da mich Simold? Ich kann dir nur Lavendel anbieten! Wo sollte ich wohl Fichtennadelduft herbekommen?" In einer verzweifelt wirkenden Geste streckte Yendor seine Arme aus und zwinkerte dann kurz zu Eslam, der über das ganze Gesicht glücklich stahlte.

Plötzlich nahmen die versammelten Edlen eine Bewegung hinter sich wahr. Als sich die Barone umdrehten, sahen sie sich einem erbost dreinblickendem Hünen gegenüber.

Nahezu zwei Schritte ragte der weizenblonde Krieger in die Höh', die Augen - sonst wohl strahlend blau wie der Himmel im Praios - funkelten düster wie der Himmel kurz vor einem Wetter im Zeichen Rondras. Die starke Brust bebte vor Erregung, hob und senkte sich und verdeutliche die Kraft, zu der der Ritter fähig war. Denn ein Ritter war es, der sich vor dem Baron von Brendiltal aufgebaut hatte. Gar ein Junker, denn das Banner auf dem Wappenrock war Eslam bekannt.

Baron Yendor von Gallstein hatte ihm erst vor Kurzem von dem Kämpen erzählt, der sich damals bei der Ferkinajagd mit den Pikenieren in die Berge gewagt hatte.

Näh, Pikäniera in dän Bärgen, pah! dachte Eslam. So einä Tat kann nurr von ainäm Garäthiär kommän. Abär von däm Syrrenholter kann man ja auch nischts erwarten wänn es um Männerentscheidungän gäht. Ha! Denn der hatte damals die Pikeniere - die, wie mittlerweile die Geschichte gezeigt hat, einen nicht unerheblichen Anteil am Sieg über die Wilden hatten - dem Kommando seines Junker unterstellt.

Und jetzt stand jener Junker, Carolan von Gorsingen, (oder war es Morfidän, Sonnigän, Korsingän? Eslam wusste es wirklich nicht genau) aufgebracht vor ihm. Der Herr der Ländereien von Ferinsstein, Maarblick und Rohden, presste zwischen seinen Zähnen ein mühsam beherrschtes "Praios zum Gruße, Eure Hochgeboren" hervor, was Eslam und die anderen nur mehr oder weniger huldvoll zur Kenntnis nahmen.

Plötzlich brauste der von Gorsingen jedoch los, so dass gar die beiden Bluthunde des Brendiltaler hoch schreckten und knurrend mit gebleckten Zähnen einige Schritte näher kamen: "Bei Eurer Ehre, Hochgeboren von Brendiltal! Welche Lügen verbreitet Ihr da über meinen Herrn, Baron Erlan von Zankenblatt!? Erklärt Euch umgehendst, bei Rondras Ehre!"

Überrascht unterbrachen die Barone ihr Gespräch, und seine Hochgeboren von Brendiltal musterte den Ritter nun etwas genauer, bevor er sich wieder zu Yendor umdrehte und den Junker dabei wie einen kleinen Jungen unbeachtet stehen ließ.

"Sag Freund Yändor, ist dies der Bey han Korsingän? Du hast mir zwar erzählt, dass er ein bischiän tumb ist, abär isch wußtä nischt, dass är so ein Esh'ben (Esel) ist."

Der Gallsteiner neigte sich ein wenig zur Seite, um an Eslam vorbei den Junker ansehen zu können. Er fixierte den jungen Mann förmlich. Erst dann sah er wieder zu Eslam hin. "Er ist ein Narr, der sich mit Narren umgibt und ich werde es ihm gerne ins Gesicht sagen. Nun müssen schon seine Ritter für ihn sprechen. Was für eine Schande für unseren Stand." Es schien als würde es der Baron fast bedauern, das nicht er von dem Ritter in solch heftiger Rede angegriffen worden war.

Mittlerweile schienen sich immer mehr Krieger in schwarz/gold oder schwarz/grün für diese "Unterredung" zu interessieren und näherten sich der adeligen Gruppe, wobei sie wohl weißlich eine große Runde in hinreichendem Abstand zu ihren Herren bildeten.

Der Knappe von Gorsingen, der etwas zögerlicher als sonst seinem Herrn ins Lager der Nebachoten gefolgt war, stellte dabei entsetzt fest, dass er alleine mit seinem Herren umgeben von nebachotischen und gallsteiner Krieger dastand, was den Junker aber nicht im geringsten zu beeindrucken schien.

Dennoch zwang sich der Herr zu Ferinstein zur Ruhe. Zwar würde er am liebsten diese Ausgeburt an Arroganz und Unehre packen und schütteln, bis ihm Arroganz und Unehre aus den Ohren herausfielen, doch Carolan atmete tief durch. Es würde Baron Erlan von Zankenblatt nicht zugute kommen, sollte er jetzt - oder bereits jetzt? - auf den Brendhiltaler eindreschen.

"Wie schön für Euer Hochgeboren, dass Ihr Euch nicht direkt rechtfertigen könnt, sondern in Beleidigungen verfallen müsst. Das lässt auf Interessantes schließen." Der Junker von Ferinsstein sah den Baron auffordernd an, ballte die Hände zu Fäusten, tat aber sonst nichts aggressives. "Euer Hochgeboren, mögt Ihr mir nun endlich antworten?"

Fast wollte Yendor aufspringen, dieser Junker war zu weit gegangen, als genau in diesem Augenblick Simold seine Stimme erhob und es schaffte, ihn zu beruhigen.

"Oh, hast Du wän belayidikt Eslam?", fragte der Haselhainer in einem Tonfall, daß im ersten Moment keiner wissen konnte ob er es ernst oder nur in gespieltem ernst meinte. "Där hat Dich woll noch nie schiempfän hären - odär?"...


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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
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K5. Teil 5
K6. Teil 6
2. Per 1031 BF
Teil 2
Teil 1


Kapitel 2

Teil 3