Geschichten:Die hohe Kunst der Minne - Ritter Ingmar in Luring

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"Hat Ingmar einen Ork vernichtet, ist von Erschöpfung keine Spur,
und wenn er tjostet oder dichtet, dann für die holde Lechmin nur."

Praios 1034 BF - Gräflich Luring


Ritter Ingmar von Keilholtz konnte sein Glück noch immer nicht fassen. Noch bis vor einigen Wochen hatte sein Leben daraus bestanden von einem unbedeutenden Turnier zum nächsten zu ziehen. Er hatte von der Hand in den Mund gelebt und manchmal gar überlegt, ob er nicht wie sein treues Pferd Klee fressen sollte um satt zu werden. Doch dann war er bei einem weiteren erfolglosen Turnier in der Provinz auf einen seiner neuen Bundesbrüder getroffen. Zu Essen hatte er zwar nicht unbedingt mehr, aber seitdem zog er nicht mehr allein durch die Lande, denn die Gemmenritter kamen meist gemeinsam wenn es um Ruhm und Ehre zu tjosten galt.

Jetzt war er also beim großen Grafenturnier in Luring. Nie hätte er sich ohne seine neuen Freunde dazu durchgerungen an diesem Kräftemessen der Besten des Reiches teilzunehmen. Er hatte sogar Graf Danos persönlich gesehen! Ingmar hoffte sehr, dass er die Möglichkeit bekommen würde gegen den Grafen zu reiten. Dafür musste er zumindest eine Runde weiter kommen, denn für den ersten Durchgang hatte das Los ihm einen unbekannten Ritter mit Namen Podewyk von Plöch zugedacht.

Ingmar wusste auch schon wem er seinen Sieg widmen würde. Gleich zu Beginn der ersten Runde, im vierten Duell des Tages, hatte er die Tjost seines Bundesbruders, Geldrion Drakan von Sichelaue, gegen die jüngere Tochter des Grafen, Lechmin Rondara von Luring, mit angesehen. Der erfahrene Rondraritter hatte es wirklich schwer gegen die kleine Ritterin einen gültigen Treffer ins Ziel zu bringen und gewann am Ende nur sehr knapp mit zwei zu einer Lanze. Doch für ihre Jugend hatte sich die hübsche Grafentochter beachtlich geschlagen. Ohne Frage hatte sie von ihrem Vater, dem König der Ritter, alle Kniffe gelernt. Trotz ihrer geringen Größe war sie muskulös, trotz ihrer hohen Geburt unbefangen und fröhlich und selbst die Niederlage konnte ihr fröhliches Wesen nicht trüben. Wahrhaft ritterlich hatte sie sich hinterher bei Ritter Geldrion für den spannenden Lanzengang bedankt.

Keine Frage. Wenn eine der anwesenden Damen es wert war Ziel seiner Minne zu werden, dann war es Lechmin von Luring.

Nun also saß Ritter Ingmar auf seinem treuen Svellttaler und ließ sich von einem der Turnierknechte eine Lanze reichen. Die alte Rüstung seines Vaters war auf Hochglanz poliert und schimmerte im Praioslicht. Das Wappenschild war frisch bemalt und die Extraschicht Farbe schaffte es fast völlig die vielen alten Beulen und Dellen zu überdecken. Auf den Rängen die um den Turnierplatz errichtet worden waren erhob sich lauter Jubel und Ingmar ritt langsam an, um sich selbst in Ausgangsposition zu begeben.

Vor ihm erstreckte sich die Tjostbahn. Noch immer brandete der Jubel durch die Reihen. Ingmar grüßte zur Ehrentribüne hinauf, wo die junge Lechmin inzwischen neben ihrem Vater Platz genommen hatte. Natürlich hatte niemand Augen für ihn, denn auf der Bahn ritt noch Baron Nimmgalf von Hirschfurten seine Ehrenrunde, die er sich auch redlich verdient hatte, indem er den jungen Wolfaran von Ochs aus dem Sattel beförderte. Ingmar hatte vernommen, das der junge Ritter noch in diesem Mond die Baronin von Bärenau ehelichen würde und sich vorgenommen, das dortige Turnier ebenfalls zu gewinnen. Natürlich zu Ehren der schönen Grafentochter.

Nachdem Baron Nimmgalf und Ritter Wolfaran die Bahn endlich verlassen hatten, verlas der Turnierherold die Namen Ingmars und seines Gegners. Mit stolzgeschwellter Brust hob der Keilholtzer die Lanze zum Gruß. Kaum mehr als höflicher Beifall erklang, doch das wunderte Ingmar bei so einem unbekannten Gegner wie dem seinen nicht weiter. Klappernd schloss er das Visier als der Startwimpel geschwenkt wurde und gab seinem Pferd die Sporen.

Dann hatte Ingmar auf einmal den Eindruck, als würde sich Dere um ihn drehen. Er kannte dieses Gefühl zur Genüge und noch bevor er auf der Turnierbahn aufschlug wusste er, dass er diesen Vergleich verloren hatte. Unter dem lauten Scheppern seiner Rüstung, und was noch schlimmer war, unter den Augen Lechmins, landete er unsanft auf dem Hinterteil. Einen Moment blieb er dort verdattert sitzen, doch dann entsann er sich der hohen Zuschauer und bemühte sich, mit Hilfe zweier Turnierknechte, so würdevoll wie möglich aufzustehen.

Als er wieder etwas wacklig auf seinen eigenen Füßen stand öffnete er das Visier. Sein Gegner war gerade auf seiner Ehrenrunde, sein Pferd wurde am Ende der Bahn am Zügel gehalten und seine Lanze lag unversehrt neben ihm im Staub. Missmutig schüttelte der Gemmenritter den Kopf. Es war wie immer. Wieder einmal blieb ihm nichts anderes übrig als dem Gegner höflich zu gratulieren, sich vor dem Gastgeber zu verneigen und dann eiligst die Turnierbahn zu verlassen damit das nächste Duell freigegeben werden konnte.

Wenigstens konnte er noch seinem Bundesbruder zujubeln. Ohne den störenden Topfhelm hatte er auch einen viel besseren Blick auf die junge Grafentochter. Schon wieder frohen Mutes vor sich hin pfeifend und die Nase ins Praioslicht reckend, holte er sich sein Pferd. Der Tag war einfach zu schön um sich durch einen Abwurf die Laune verderben zu lassen und zudem war er sich fast sicher, dass Lechmin ihm zugelächelt hatte.